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Gewaltschutz

Gewalt gegen Frauen: Zuhause am gefährlichsten

Die Gewalttaten gegen Frauen steigen. In der younion Hall in Wien lud man zum Selbstverteidigungskurs.

Laut Bundeskriminalamt gab es 2022 einen Anstieg der Gewalttaten um 16,9 Prozent, im Vergleich zu 2021. Mit Stand 2023 dokumentieren die AÖF (Autonome österreichische Frauenhäuser) zehn Femizide in Österreich. Bevor es zu einer sogenannten Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts überhaupt kommt, gibt es „lange und furchtbare Geschichten physischer und psychischer Gewalt in jeder zweiten, dritten Familie“, weiß Yvonne Widler. Sie gibt von Gewalt betroffenen Frauen in ihrem Buch „Heimat bist du toter Töchter“ eine Stimme. Widler ist Journalistin und beschäftigt sich aufgrund ihres Berufs schon länger mit Themen wie Krisenfamilien, Kindesabnahme, Frauenhäuser und deren Finanzierung.

Bei ihren Recherchen sowie in den insgesamt 256 Buchseiten kommt Widler an Femiziden nicht vorbei. Seit Herbst 2022 ist „Heimat bist du toter Töchter“ auf dem Markt. Seither hat sie das Gefühl, dass Menschen oder besser gesagt Frauen wütender sind. Weiters verwendet Widler den Begriff Intimizid. Hierbei geht es ausschließlich um Partnerschaftsmorde. „Das sind die, die wir hauptsächlich in Österreich haben“, betont die Autorin.

Gewaltschutz hat keine Farbe

„Man spürt eine große Enttäuschung über die Nicht-Modernisierung der Politik sowie dem patriarchalen System“, weiß die Journalistin. Für sie hat Gewaltschutz keine Farbe, denn „dabei geht es schlichtweg um Menschenrechte, ein gewaltfreies Leben für Frauen und Kinder und darum, das Land sicher zu machen“. Die Gewaltstatistik des Bundeskriminalamtes zeigt bei den Täter-Opfer-Beziehungen, dass 59,8 Prozent in einer Bekanntschaft stehen. Der gefährlichste Ort für eine Frau ist also nicht die dunkle Gasse, sondern das eigene Zuhause.

Doch wie genau reagiert man in einer Gewaltsituation, von der man persönlich betroffen ist?

In der younion Hall in Wien (Maria-Theresien-Straße 11) gibt es etwa Selbstverteidigungskurse in Kooperation mit der Polizei-SportVereinigung. „Wir müssen aber definitiv daran arbeiten, dass Frauen nicht in der ständigen Erklär- und Beweisbringschuld sind und ihnen einfach geglaubt wird, was passiert ist“, betont Widler. Weiters wird es von der Frauenabteilung der younion _ Die Daseinsgewerkschaft einen Elternabend gemeinsam mit der Polizei geben. Infos zum Termin folgen auf: www.younion.at

Geschichten mit Gänsehaut

Jede dritte Frau in Österreich ist von sexualisierter Gewalt betroffen. Spricht man mit jungen Frauen, so kommt es auch oft vor, dass sie sich beim Fortgehen unwohl fühlen. „Luisa“ ist ein Projekt, welches gegen sexualisierte Gewalt im Nachtleben ins Leben gerufen wurde. Betroffene können sich mit „Ist Luisa hier?“ an Bar-, Clubbetreiber und Türsteher wenden. Das Pilotprojekt wurde in Innsbruck gestartet. Dies ist nur eine von vielen Kampagnen, die als Hilfeleistung angeboten wird.

Daneben gibt es auch Serviceeinrichtungen und Helplines. Beratung und Unterstützung bieten etwa die Autonomen Frauenhäuser Österreich. Sie sind auch die einzigen in Österreich, die eine Statistik führen, wie viele Frauen aufgrund ihres Geschlechtes jährlich getötet werden. Davor wenden sich Betroffene oft an die Frauenhäuser. „Ja, wir brauchen Frauenhäuser. Aber es sind immer die Frauen, die etwas ändern müssen, wie den Wohnort wechseln“, weiß Widler. Es gibt natürlich auch Ausnahmen.

Eine Protagonistin in ihrem Buch ist in dem Haus geblieben, wo der von ihr selbst genannte „Vorfall“ passiert ist. „Wir sind die Stufen zum Keller hinunter gegangen, und sie hat mit dem Finger dort hingezeigt, wo das ganze Blut zu sehen war“, schildert Widler. Aber: „Warum soll sie ihren Wohnort aufgeben, weil er ihr etwas angetan hat“, fragt sich Yvonne Widler selbst. Die Situation war im Nachhinein für Widler als auch die Protagonistin ein bewegender Moment.

Zudem ergänzt sie: „Es ist bewundernswert, wie die Leute mit ihrem Schicksal umgehen und welche Dankbarkeit sie für ihr eigenes Leben entwickeln.“ Widler ist auch jetzt noch mit einigen Protagonistinnen in Kontakt, „wir gratulieren uns auch gegenseitig, wenn wir Geburtstag haben.“

Die Frauenhelpline ist kostenlos und rund um die Uhr da: 0800/222 555

 

„Heimat bist du toter Töchter“
Warum Männer Frauen ermorden – und wir nicht mehr wegsehen dürfen

Kremayer & Scheriau Verlag
ISBN 978-3-218-01343-7
256 Seiten
25 Euro

 

Text: Sophie Brandl
Ilustration: Julia Nguyen