Infomailing vom 27.03.2024
Lohnnebenkosten senken ist ein Angriff auf den Sozialstaat -
Alle Jahre wieder blasen wirtschaftsliberale und rechte Parteien sowie die Wirtschaftslobby zum Sturm auf den Sozialstaat. Erst kürzlich verkündete Bundeskanzler Nehammer in seinem „Österreichplan“ eine Senkung der Lohnnebenkosten. Wie ist dieser Vorschlag zu bewerten?
Der jüngste Vorstoß des Kanzlers sieht vor, dass die Lohnnebenkosten jährlich um 0,5 Prozentpunkte gesenkt werden, beispielsweise durch eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung oder der Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds. Die Ankündigung der ÖVP ist nicht der erste dieser Art. Regelmäßig flammt die Diskussion um eine Kürzung der Lohnnebenkosten auf. Dabei wird die Diskussion oft auf Basis falscher Tatsachen geführt. Es lohnt sich also, zunächst einen Blick auf die Hintergründe zu werfen.
Lohnnebenkosten – was steckt dahinter?
Lohnnebenkosten sind Lohnbestandteile, die der Arbeitgeber direkt an den Staat abführt, die aber Teil des Arbeitnehmer:innenentgelts sind. Dazu zählen beispielsweise die Zahlungen an die betrieblichen Vorsorgekassen und an den Insolvenzentgeltfonds, die Zahlungen der Arbeitergeber an Pensions-, Arbeitslosen-, Unfall- und Krankenversicherung sowie Zahlungen für Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld. Drei Viertel der geleisteten Zahlungen fließen in die Sozialversicherung, dienen also dem Erhalt unseres hart erkämpften Sozialstaats. Somit sind diese Zahlung für Arbeitnehmer:innen enorm wichtig, damit sie beispielsweise im Krankheitsfall oder bei Verlust der Beschäftigung gut abgesichert sind. Eine Senkung dieser Beiträge würde also essentielle Leistungen für Arbeitnehmer:innen einschränken.
Auch die Kommunalsteuer, eine wichtige Einnahmequelle der Städte und Gemeinden, mit der Leistungen der Daseinsvorsorge finanziert werden, fällt darunter. Die Kommunalsteuer von 3 Prozent kommt ausschließlich den Gemeinden zugute und finanziert wichtige kommunale Leistungen wie z.B. die Kinderbetreuung und die kommunale Infrastruktur. Im Jahr 2022 beliefen sich die Einnahmen aus der Kommunalsteuer auf etwa 3,9 Milliarden Euro. Diese Steuer zu senken würde für die Gemeindefinanzierung problematisch werden, da die Gemeindebudgets ohnehin unter Druck stehen, wie Analysen zeigen.
Beunruhigende Entwicklung
In den letzten Jahren wurden die Lohnebenkosten immer weiter reduziert. Seit 2016 wurden die Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) von 4,5 auf 3,7 Prozent, die Beiträge zur Unfallversicherung von 1,3 auf 1,1 Prozent und die Beiträge zum Insolvenz-Entgelt-Fonds von 0,35 auf 0,1 Prozent gesenkt. Aus dem Familienlastenausgleichsfonds werden wichtige Leistungen wie die Familienbeihilfe, das Kinderbetreuungsgeld (Karenzgeld), die Schüler:innenfreifahrt und gratis Schulbücher finanziert. Die Kürzungen der Zahlungen an den Insolvenzentgeltfonds bedeuten wiederum, dass für Arbeitnehmer:innen im Konkursfall weniger Geld vorhanden ist. Aus dem Fonds werden in so einem Fall nämlich die Gehälter, Löhne und Sonderzahlungen beglichen. Insgesamt bedeuten die Kürzungen jährliche Einnahmenentfälle von rund 1,7 Milliarden Euro. Geld, das den Arbeitnehmer:innen gehört, verbleibt bei den Unternehmen.
Von Seiten der ÖVP sowie der Wirtschaftslobby wird oftmals behauptet, dass diese Kürzungen auch den Arbeitnehmer:innen finanziell zugutekommen würden. Es ist jedoch nicht erwiesen, dass Unternehmen die Senkung der Beiträge auch wirklich an die Beschäftigten weitergeben. Vielmehr werden einfach die Gewinne erhöht werden.
Beschäftigte besorgt
Die Kürzung der Lohnnebenkosten löst auch in der Bevölkerung Sorgen aus. Eine vor kurzem von der Arbeiterkammer unter 2.700 Personen durchgeführte Blitzumfrage spiegelt diese Stimmung wider. So erwarten 54 Prozent der Befragten extreme Verschlechterungen bei der Allgemeinen Unfallsversicherung (AUVA), weitere 35 Prozent immer noch spürbare Verschlechterungen.
93 Prozent halten es für falsch, die Gesundheitsversorgung einzuschränken, damit sich Unternehmen ein paar Euro sparen. 83 Prozent der Befragten rechnen damit, dass sich der ohnehin schon hohe Arbeitsdruck weiter erhöhen wird, weitere 13 Prozent rechnen mit einer spürbaren Zunahme. Wenig überraschend sehen das die Beschäftigten im Gesundheitsbereich noch pessimistischer: Hier erwarten sogar 90 Prozent extreme Verschlechterungen – und das in einem Bereich, der ohnehin schon seit Jahren unter Personalmangel leidet.
Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft, findet dazu klare Worte: „Eine Senkung der Lohnnebenkosten geht unweigerlich auf Kosten der Beschäftigten! Die ÖVP unter Kanzler Nehammer treibt den Abbau unseres Sozialstaats immer weiter voran. Dabei sollten wir uns den wirklichen Baustellen unseres Landes widmen und beispielsweise endlich eine wirksame Vermögenssteuer einführen, die Millionäre anständig besteuert. Dann wären auch ausreichend Mittel vorhanden, um das Gesundheitswesen und die sozialen Dienstleistungen auszubauen und den Standort zu stärken.“
Denn im internationalen Vergleich zeigt sich, dass Österreich Reiche kaum zur Kasse bittet. Sowohl die EU-Kommission als auch die OECD empfehlen Österreich daher regelmäßig, die Abgaben auf Vermögen zu erhöhen. Die Einführung von neuen vermögensbezogenen Steuern wie einer Vermögensteuer oder Erbschafts- und Schenkungssteuern oder die Stärkung von bereits existierenden vermögensbezogenen Steuern wie der Grundsteuer oder der Grunderwerbsteuer sind wachstums- und beschäftigungsfreundlich. Eine Senkung der Lohnnebenkosten hingegen bringt nur höhere Gewinne für Unternehmen und nicht mehr Netto vom Brutto für Arbeitnehmer:innen. Die Bundesregierung sollte dies zur Kenntnis nehmen und entsprechend handeln.
Quellen:
Arbeiterkammer Wien, A&W blog, diepresse.com, KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung, orf.at, Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB), profil.at;
EU-Staaten stimmen Lieferkettengesetz doch noch zu
Nach über zwei Jahren Arbeit, fast eineinhalb Jahren Verhandlungen, hunderten Änderungsanträgen und einem gescheiterten Kompromissvorschlag bekommt die EU endlich ein Lieferkettengesetz. Obwohl bereits im Dezember 2023 eine vorläufige Einigung über das Gesetz erzielt worden war, wäre dieses, auch aufgrund des österreichischen Widerstands vonseiten der Wirtschaft und gestützt von Wirtschaftsminister Kocher, fast auf der Zielgeraden gekippt worden. Nun aber gibt es endlich Regeln zum Schutz von Mensch und Umwelt entlang globaler Lieferketten. Das ist auch dem jahrelangen, entschlossenen und unnachgiebigen Druck der Gewerkschaften zu verdanken.
Warum brauchen wir ein Lieferkettengesetz?
Kinderarbeit, ausbeuterische Löhne, Umweltzerstörung: Die Gründe für ein Lieferkettengesetz sind zahlreich. Auf dem Weg von der Produktion bis in unser Zuhause gibt es eine Reihe von möglichen Gefahren und Problemen. Wie diese aussehen, zeigt eine nähere Betrachtung alltäglicher Produkte, vom Smartphone bis zur neuen Hose. Giftige Chemikalien im Wasser, Kinder- und Sklavenarbeit oder Näher:innen, die wochenlange Dauerschichten ohne Wochenende oder Urlaub leisten müssen. Solche Arbeitsbedingungen sind in der Produktion von Produkten in unseren Geschäften Alltag. Korruption, schlechter Arbeitsschutz und Ausbeutung durch (oft auch europäische) Mutterfirmen sind der Grund dafür.
Unternehmen sind für ihre Zulieferer:innen mitverantwortlich
Als Konsument:innen können wir am Ende nur selten nachvollziehen, unter welchen Bedingungen das fertige Produkt hergestellt wurde. Die großen europäischen Unternehmen machen derweil ihre Zulieferer:innen verantwortlich und sprechen sich selbst von jeder Sorgfaltspflicht frei – doch das soll sich nun ändern. Mit der neuen Richtlinie sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, ihre Zulieferer:innen auf Verstöße gegen Umwelt-, Menschen- und Arbeitsrechte zu kontrollieren und wenn nötig Abhilfe zu schaffen. Geplant war, dass jedes Unternehmen mit über 250 Mitarbeiter:innen und 40 Millionen Euro Nettojahresumsatz von diesen neuen Regeln betroffen sein sollte – eigentlich. Denn dieser Vorschlag, welcher die großen EU-Konzerne endlich in die Verantwortung genommen hätte, wurde auf Druck von Lobbyverbänden deutlich verwässert.
Unternehmensinteressen statt Menschenrechte
Die abgeschwächten Regeln sollen nun nur noch die allergrößten Konzerne in der Union, d.h. Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Nettojahresumsatz, betreffen. So fielen statt den ursprünglich geplanten 16.000 nur noch weniger als 7.000 Unternehmen in den Anwendungsbereich der neuen Richtlinie. Zudem sollen den betroffenen Unternehmen deutlich längere Übergangsfristen gewährt werden. Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden und mehr als 1,5 Milliarden Euro Jahresumsatz müssten die Vorgaben erst drei Jahre nach Inkrafttreten der nationalen Gesetze einhalten. Doch nicht nur die Anzahl der betroffenen Unternehmen und die Dauer bis zur verpflichtenden Anwendung wurden im neuen Kompromissvorschlag verändert. Auch inhaltlich wurde im Kompromiss der Mitgliedstaaten einiges geändert. So soll die ursprünglich geplante zivilrechtliche Haftung für Menschenrechtsverstöße und Umweltschäden nur in Ausnahmefällen greifen. Zudem sollen die EU-Staaten bei der Umsetzung der Richtlinie nun einen noch größeren Spielraum haben. Vor dem Hintergrund, dass zwei von drei Unternehmen in der EU nicht in ihrer gesamten Lieferkette auf Umweltschutz und Menschenrechte achten, sind diese Änderungen hochproblematisch.
Großer Erfolg – mit Beigeschmack
Trotz der nun abgeschwächten Einigung sieht Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft, die neue Richtlinie positiv: „Nach jahrelanger harter Arbeit von Gewerkschaften innerhalb und außerhalb der EU haben wir mit dem Lieferkettengesetz nun endlich ein Instrument, das die großen Unternehmen in die Pflicht nimmt. Auch wenn es noch viel Nachbesserungsbedarf gibt, ist es ein wichtiger Schritt für den Schutz von Menschen und Umwelt. Die Einigung ist ein großer gewerkschaftlicher Erfolg – wenn auch mit Beigeschmack.“
Quellen:
derstandard.at, Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB), moment.at;
73. Tagung des EGÖD-Exekutivausschusses
Am 20. und 21. März 2024 kamen die führenden europäischen Gewerkschafter:innen des öffentlichen Dienstes zur 73. Tagung des EGÖD-Exekutivausschusses in Brüssel zusammen, darunter auch EGÖD-Vizepräsident und Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft Thomas Kattnig.
Viele Mitgliedsorganisationen des EGÖD waren in letzter Zeit auf der Straße und bei Demonstrationen – der Exekutivausschuss zollte den Beschäftigten und den Gewerkschaften, die an den Aktionen teilnahmen, Anerkennung. Er brachte auch seine Unterstützung für die ukrainischen Arbeitnehmer:innen zum Ausdruck, die sich im mittlerweile dritten Jahr des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands auf ihr Land befinden. Dieser Krieg fordert einen extrem hohen menschlichen Tribut. Angesichts der Tatsache, dass Europa nun seine Waffenindustrie ausbaut und etwa Ratspräsident Charles Michel von der Schaffung einer Kriegswirtschaft spricht, betonte der Exekutivausschuss, dass der EGÖD sein Projekt des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit und starker öffentlicher Dienste, der Demokratie und der Menschen- und Gewerkschaftsrechte weiterverfolgen wird. Ein starker Sozialstaat mit Steuergerechtigkeit ist Teil des Zivilschutzes.
Im Rahmen der Tagung war auch das Leid der palästinensischen Bevölkerung Thema. Die Internationale der Öffentlichen Dienste (IÖD) hat eine entsprechende Spendenaktion gestartet, und die Mitgliedsorganisationen werden gebeten, sich daran zu beteiligen.
Die Mitglieder des Exekutivausschusses brachten ihre Solidarität mit den finnischen Arbeitnehmer:innen und ihren Gewerkschaften zum Ausdruck, die gegen die Sparpolitik und die Angriffe auf Gewerkschaftsrechte seitens der finnischen Rechtsregierung kämpfen.
EGÖD-Kongress
Der bevorstehende EGÖD-Kongress (18. – 20. Juni 2024, Bukarest) stand im Rahmen der 73. Tagung des EGÖD-Exekutivausschusses im Fokus. Diskutiert wurden sämtliche noch offene Punkte – von den grundlegenden verfahrenstechnischen Angelegenheiten, wie dem Bericht des Geschäftsordnungsausschusses, bis hin zu politischeren Aspekten, wie das EGÖD-Aktionsprogramm für die Kongressperiode 2025 – 2029 und die Nominierungen für jene Ämter, die im Rahmen des Kongresses gewählt werden.
Der Exekutivausschuss hat seine Unterstützung für folgende Punkte ausgesprochen:
- EGÖD-Aktionsprogramm, inkl. Standpunkt des Exekutivausschusses zu den verschiedenen Änderungsanträgen der Mitgliedsorganisationen;
- Änderungen an der EGÖD-Satzung, inkl. Position des Exekutivausschusses zu den Änderungen der Mitgliedsorganisationen; alle Änderungen werden unterstützt und am Kongress im Block abgestimmt werden;
- Dringlichkeitsentschließung des Kongresses zum Konflikt Israel-Palästina – diese wird entsprechend aktueller Entwicklungen im Rahmen der Online-Exekutivausschusssitzung im Mai aktualisiert werden;
- Nominierungen für den Kongressvorstand (darunter Thomas Kattnig)
- Tagesordnung des Kongresses
- Prozess der Nominierung der Vizepräsident:innen (u.a. wird sich der derzeit amtierende Vizepräsident Thomas Kattnig erneut zur Wahl stellen)
Was die im Rahmen des Kongresses zu wählenden Positionen betrifft, unterstützt der Exekutivausschuss die Nominierung von Françoise Geng (CGT-Santé-Action Sociale, Frankreich) als EGÖD-Präsidentin. Françoise ist derzeit leitende Vizepräsidentin des EGÖD. Die derzeitige EGÖD-Präsidentin Mette Nord (Fagforbundet, Norwegen) wird sich in den Ruhestand verabschieden. Ebenso bestätigte der Exekutivausschuss die Nominierung des derzeitigen Generalsekretärs Jan Willem Goudriaan für ein neues Mandat. Im Namen des deutschsprachigen Wahlkreises brachte younion _ Die Daseinsgewerkschaft ihre Unterstützung für diese Kandidaturen zum Ausdruck: „Wir sind davon überzeugt, dass es sich bei Francoise und Jan Willem um ausgezeichnete Kandidat:innen für die jeweiligen Positionen handelt und dass sie den EGÖD mit ihrer Erfahrung und Expertise in diesen herausfordernden Zeiten als Führungsteam gemeinsam mit dem Team der Vizepräsident:innen voranbringen werden.“ Auch die Nominierungen der Innenrevisor:innen Martine Ugolini (CGSP, Belgien) und Carole Barbier (CFDT-Interco, Frankreich) wurden bestätigt.
EGÖD-Arbeit
Der Exekutivausschuss befasste sich mit der in den EGÖD-Sektoren und -Netzwerken geleisteten Arbeit sowie mit der Arbeit in den multinationalen Unternehmen zur Einrichtung von Europäischen Betriebsräten (EBR), darunter:
- der Erfolg, den Personalmangel im Gesundheits- und Pflegebereich auf die politische Tagesordnung zu setzen;
- die Diskussion mit der Kommission über die rechtliche Umsetzung der Vereinbarung über die Digitalisierung in den zentralen Regierungsverwaltungen;
- ein Schulungsinstrument zur Rekommunalisierung von Dienstleistungen;
- die Vereinbarung über einen gerechten Übergang im Gassektor;
- die Notwendigkeit, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen;
Außerdem wurde der EGÖD-Tätigkeitsbericht für das Jahr 2023 angenommen – der letzte von fünf, die dem Kongress vorgelegt werden.
EGB- und EU-Angelegenheiten
Der EGÖD unterstützt die Forderung nach einer Ablehnung des aktuellen Vorschlags zur Überarbeitung der Regeln der wirtschaftspolitischen Steuerung. Diese werden, wie die Minister:innen der Eurogruppe selbst gesagt haben, koordinierte Sparmaßnahmen auferlegen. Sie wird demnach auf Kosten der Finanzierung und der Investitionen in öffentliche Dienstleistungen und den grünen und digitalen Wandel gehen. Es fehlt ein Investitionsfonds.
Wir haben über die Vorbereitungen des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) diskutiert, sich an den Folgemaßnahmen zu Val Duchesse und dem Pakt für den sozialen Dialog zu beteiligen. Wir brauchen klare Zusagen der Arbeitgeberseite, die bereit ist, sich mit konkreten Fragen zu befassen, die für die Arbeitnehmer:innen in Europa von Bedeutung sind. Der sektorale soziale Dialog muss berücksichtigt werden, und der EGÖD erwartet konkrete Fortschritte bei der verbindlichen Umsetzung von Sozialpartnervereinbarungen.
Es wurde ein Überblick über eine ganze Reihe von jüngsten Einigungen in Hinblick auf Rechtsvorschriften gegeben, darunter das EU-Lieferkettengesetz, die Richtlinie zu Plattformarbeit, die Richtlinie über Gewalt gegen Frauen, das Gesetz über künstliche Intelligenz, den Europäischen Gesundheitsdatenraum etc. Auch die Arbeit des EGÖD zu den Europawahlen und zur Ukraine wurde dargelegt. Zu den neuen Initiativen der Kommission gehören die Überarbeitung der EBR-Richtlinie, die Änderungen am Qualitätsrahmen für Auszubildende, der neue Vorschlag für eine Richtlinie über Praktika und der Aktionsplan für Arbeitskräftemangel und Qualifikationen.
Quellen:
Europäischer Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD/EPSU), Internationale der Öffentlichen Dienste (IÖD/PSI);
Plenartagung des Europäischen Parlaments – Wie wurde abgestimmt?
Die aktuelle Plenarsitzung des Europäischen Parlaments hat von 11. bis 14. März 2024 stattgefunden. Welche Themen dabei auf der Tagesordnung standen, ist hier nachzulesen.
Die namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen:
- Parlament nimmt Pläne für CO2-ärmere Gebäude an
- Weniger Umweltverschmutzung durch Industrie und große Tierhaltungsbetriebe
- Parlament verabschiedet Gesetz über künstliche Intelligenz
- Medienfreiheitsgesetz: Mehr Schutz von Journalist:innen und Pressefreiheit
Parlament nimmt Pläne für CO2-ärmere Gebäude an
Nach Angaben der Europäischen Kommission sind die Gebäude in der EU für 40 Prozent unseres Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Vor diesem Hintergrund nahm die Mehrheit der Abgeordneten bereits mit dem Rat vereinbarte Pläne an, die dazu beitragen sollen, den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen von Gebäuden zu senken. So sollen ab 2030 alle Neubauten emissionsfrei sein. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Dekarbonisierung von Heizungsanlagen und zum allmählichen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bei der Wärme- und Kälteversorgung ergreifen: Bis 2040 soll es keine mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkessel mehr geben. Für landwirtschaftliche und denkmalgeschützte Gebäude sind Ausnahmen von den neuen Vorschriften möglich.
Weniger Umweltverschmutzung durch Industrie und große Tierhaltungsbetriebe
Das Parlament hat die Vereinbarung mit den Mitgliedstaaten über die Überarbeitung der Richtlinie über Industrieemissionen sowie die neue Verordnung über das Portal für Industrieemissionen beschlossen. Die neuen Regeln sollen schädliche Emissionen aus Industrieanlagen und großen Schweine- und Geflügelhaltungsbetrieben senken, um Gesundheit und Umwelt zu schützen. Die neuen Vorschriften sehen vor, dass die strengsten erreichbaren Emissionswerte für die betroffenen Sektoren verbindlich werden. Die Öffentlichkeit soll über das neue EU-Portal für Industrieemissionen besseren Zugang zu Informationen haben. Unternehmen, die sich nicht an die Vorschriften halten, müssen bei schwerwiegenden Verstößen mit Sanktionen in Höhe von mindestens 3 Prozent des EU-Jahresumsatzes des Betriebes rechnen.
Parlament verabschiedet Gesetz über künstliche Intelligenz
Das Parlament gab grünes Licht für das Gesetz über künstliche Intelligenz. Die neuen Regeln zielen darauf ab, Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie ökologische Nachhaltigkeit vor Hochrisiko-KI-Systemen zu schützen. Gleichzeitig sollen sie Innovationen ankurbeln und dafür sorgen, dass die EU in diesem Bereich eine Führungsrolle einnimmt. So soll u.a. der Einsatz von KI verboten werden, um soziales Verhalten zu bewerten, Menschen zu beeinflussen oder ihre Schwächen auszunutzen. Die Bevölkerung hat künftig das Recht, Beschwerden über KI-Systeme einzureichen und Entscheidungen erklärt zu bekommen, die auf der Grundlage hochriskanter KI-Systeme getroffen wurden und ihre Rechte beeinträchtigen.
Medienfreiheitsgesetz: Mehr Schutz für Journalist:innen und Pressefreiheit
Die Mehrheit der Abgeordneten sprach sich für neue Regeln zum Schutz von Journalist:innen und Medien vor politischer oder wirtschaftlicher Einflussnahme aus. Sie verpflichten die Mitgliedstaaten dazu, die Unabhängigkeit der Medien zu schützen, und verbieten jegliche Form der Einmischung in redaktionelle Entscheidungen. Nach den neuen Regeln dürfen Behörden Journalist:innen und Redakteur:innen nicht dazu drängen, ihre Quellen offenzulegen – weder durch Inhaftierung oder Sanktionen noch durch Durchsuchungen von Büros oder das Installieren von Überwachungssoftware auf ihren elektronischen Geräten. Darüber hinaus soll die Öffentlichkeit wissen, wer die Medien kontrolliert und welche Interessen die Berichterstattung möglicherweise beeinflussen. Deshalb müssen alle Medien Informationen über Eigentumsverhältnisse offenlegen. Künftig müssen Medien außerdem über ihre Einnahmen aus staatlicher Werbung und über staatliche Finanzierung Auskunft geben, und zwar auch über Gelder aus Drittstaaten. Schließlich setzten sich die Abgeordneten erfolgreich für einen Mechanismus ein, der verhindert, dass sehr große Online-Plattformen, wie Facebook, X, oder Instagram, unabhängige Medieninhalte willkürlich einschränken oder löschen.
Weitere Höhepunkte
Anlässlich des Internationalen Frauentages (8. März) sprachen Ivana Andrés und Alba Redondo von der spanischen Frauenfußball-Nationalmannschaft vor dem Plenum. Sie betonten, dass der Grundstein für eine gerechtere Gesellschaft bereits im Rahmen der Erziehung unserer Kinder gelegt werden müsse. Mädchen bräuchten weibliche „role models“, um Hindernisse überwinden zu können, denen sie nach wie vor im Rahmen ihrer beruflichen Laufbahn begegneten. Obwohl es im Sport noch keine Gleichberechtigung der Geschlechter gebe und Frauen oftmals Diskriminierungen und sexuellen Belästigungen ausgesetzt seien, haben es bereits viele Fußballerinnen an die Spitze geschafft.
In einer Resolution forderten die Abgeordneten Israel auf, unverzüglich die ungehinderte Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen über alle bestehenden Grenzübergänge sowie deren Verteilung im gesamten Gazastreifen zu ermöglichen. Im Gazastreifen herrsche extreme Ernährungsunsicherheit und es drohe eine Hungersnot. Alle Parteien müssten umgehend die Angriffe auf humanitäre Helfer:innen und hilfesuchende Zivilpersonen einstellen und es brauche eine unabhängige internationale Untersuchung der Angriffe auf humanitäre Hilfskonvois.
© ÖGfE
Die nächste Plenarsitzung findet von 22. bis 25. April 2024 statt.
Quellen:
Europäisches Parlament, Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE);