Infomailing vom 07.12.2023
EU-Parlamentswahlen 2024: Deine Stimme zählt!
Das Jahr 2024 wird ein „Superwahljahr“ – gewählt wird von der betrieblichen über die nationale bis hin zur europäischen Ebene. Für alle EU-Bürger:innen gilt es daher, sich bereits jetzt den 6. bis 9. Juni 2024 vorzumerken, denn da wählen die Bürger:innen in der Union wieder ihre Vertreter:innen im Europäischen Parlament. Das einst als „Mickey Mouse-Parlament“ belächelte hohe Haus ist schon lange eines der wichtigsten Organe der EU und die Abgeordneten Teil des Machtzentrums der Union. Damit die Interessen der Arbeitnehmer:innen auch in Brüssel gehört werden, brauchen wir dort eine starke gewerkschaftliche Vertretung.
Die Bedeutung der Wahlbeteiligung
Brüssel und Straßburg mögen weit entfernt erscheinen, aber die dort getroffenen Entscheidungen beeinflussen unser tägliches Leben. Von Regelungen zur Luftqualität über Lebensmittelstandards bis hin zu Arbeitsschutzvorschriften – EU-Abgeordnete gestalten dies mit. Dennoch ist die Wahlbeteiligung bei EU-Wahlen in Österreich traditionell eher gering. Zwar hat man bei der vergangen Wahl 2019 die beste Wahlbeteiligung seit 1999 erreicht – aber auch diese ist durchaus ausbaufähig. So traten im Jahr 2019 nur 59,8 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen. Das sind über 15 Prozent weniger als bei der Nationalratswahl im gleichen Jahr.
Es ist wichtig, wer im Parlament sitzt
Europa steht vor vielfältigen Herausforderungen, von der Bewältigung der Klimakrise bis zur Bekämpfung der Ungleichheit und der Teuerung. Daher ist es entscheidend, dass die EU-Abgeordneten die Nöte und Interessen der Beschäftigten im Blick haben. Gerade vor dem Hintergrund der stärker werdenden Rechtsextremen und Marktradikalen braucht es dringend ein stärkeres Gegengewicht auf EU-Ebene. Weder Hass auf Minderheiten noch Geschenke an die Superreichen werden uns aus den gegenwärtigen Krisen bringen. Stattdessen brauchen wir soziale Politik, die niemanden zurücklässt.
Die Bedeutung von Gewerkschaftsvertreter:innen im Parlament
Die Interessen der Beschäftigten müssen im Fokus jeder Politik stehen. Dafür braucht es Gewerkschafter:innen in Entscheidungspositionen wie dem EU-Parlament. Für die bevorstehende Wahl stehen mit Evelyn Regner und Thomas Kattnig die gewerkschaftlichen Spitzenkandidat:innen für die EU-Wahl fest. Evelyn Regner kämpft seit 2009 als Abgeordnete und mittlerweile auch als Vizepräsidentin des EU-Parlaments für die Interessen der Arbeitnehmer:innen. Thomas Kattnig ist Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA). „In meiner Arbeit setze ich mich Tag für Tag dafür ein, eine gerechtere und sozialere EU zu schaffen. Vom Schutz unseres Wassers über das Umsetzen eines gerechten Übergangs bis zur Sicherung einer leistbaren Energieversorgung habe ich bei meiner Arbeit immer ein Ziel vor Augen: Ein gutes Leben für Alle zu sichern. Das heißt für mich, die Rolle der öffentlichen Daseinsvorsorge zu verteidigen und zu stärken und die Lebens- und Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer:innen zu verbessern“, so Kattnig.
„Durch deine Stimme bei den EU-Parlamentswahlen kann ich mich künftig stärker für unsere Interessen einsetzen. Wer will, dass es auf EU-Ebene eine starke gewerkschaftliche Stimme gibt, muss diese auch wählen. Darum ist es im wahrsten Sinne des Wortes entscheidend, dass du im kommenden Juni von deinem Wahlrecht Gebrauch machst und so unser Europa sozial mitgestaltest“, so Kattnig abschließend.
Quellen:
Bundesministerium für Inneres, Europäisches Parlament, younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
Was brauchen Städte und Gemeinden um Klima, Menschen und Jobs zu schützen?
„Mehr Geld!“ wäre eine naheliegende und auch zutreffende Antwort. Ganz so einfach machen wir es uns aber nicht. Im Rahmen einer Veranstaltung der younion _ Die Daseinsgewerkschaft wurde kürzlich eine Studie der Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung präsentiert. Diese hat sich intensiv mit den Bedürfnissen der österreichischen Städte und Gemeinden sowie ihrer Beschäftigten in Sachen Klimakrise auseinandergesetzt.
Am 27. November fand in der younionHALL die Präsentation der ÖGPP-Studie zur Rolle der österreichischen Städte und Gemeinden in der Klimakrise statt. Moderatorin Anna Maria Reich-Kellnhofer führte durch den spannenden Abend. Nach einer Begrüßung durch Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft, machten die Studienautor:innen auf die Dringlichkeit des Handelns aufmerksam. Demnach haben Städte und Gemeinden zwar zahlreiche Handlungsmöglichkeiten, finden aber oftmals nicht die richtigen Rahmenbedingungen vor. Zudem fehlt es an finanziellen Mitteln. Auf die Rahmenbedingungen ging auch Bundesministerin Leonore Gewessler in ihrem Statement ein und forderte Haus- und Sachverstand bei der Bekämpfung der Klimakrise ein. An der anschließenden Diskussion nahmen neben Thomas Kattnig und Leonore Gewessler auch Stadtrat Jürgen Czernohorszky, Lukas Oberndorfer von der Arbeiterkammer Wien und Alexander Maimer vom KDZ-Zentrum für Verwaltungsforschung teil. Im Rahmen der Diskussion war man sich einig, dass den Beschäftigten in der öffentlichen Daseinsvorsorge eine zentrale Rolle in der Transformation unserer Wirtschaft eingeräumt werden muss – schließlich werden 70% der Klimaschutzmaßnahmen und 90% der Klimawandelanpassungsmaßnahmen auf der lokalen und regionalen Ebene umgesetzt.
Nachhaltige Jobs müssen auch gute Jobs sein!
Thema im Rahmen der Veranstaltung war auch die Qualität der Arbeitsplätze. Viele Berufsbilder in der öffentlichen Daseinsvorsorge – von Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, öffentlicher Verkehr und Energie über Müllbeseitigung, Pflege, Gesundheit bis zu Bildung – sind schon jetzt nachhaltige, sogenannte „Green Jobs“. Nachhaltige Jobs sind jedoch nicht automatisch auch gute Jobs. Als Gewerkschaften müssen wir uns dafür einsetzen, dass Nachhaltigkeit immer auch mit guten Arbeitsbedingungen einhergeht. Auf der europäischen Ebene wurde daher das Konzept der Just Transition, des gerechten Übergangs, geschaffen. Damit ist gemeint, dass bei den Veränderungen am Arbeitsmarkt niemand zurückgelassen werden darf und bei allen klimapolitischen Handlungen die Beschäftigten im Mittelpunkt stehen müssen. Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft und Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) setzt sich seit Jahren auch auf europäischer Ebene für einen solchen gerechten Übergang ein. „Die Beschäftigen in den Städten und Gemeinden setzen sich täglich für ein gutes Leben und ein klimaneutrales Europa ein. Es ist unsere Aufgabe, ihnen qualitätsvolle Arbeitsplätze zu bieten, mit anständiger Entlohnung und guten Perspektiven. Dafür brauchen wir sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene entsprechende Rahmenbedingungen“, so Kattnig
Strukturen schaffen
Tatsächlich gibt es unzählige Beschäftigte in den Städten und Gemeinden, die motiviert sind, Maßnahmen zu setzen. Sie stoßen aber oftmals an ihre Grenzen. Was es daher braucht, sind geeignete Rahmenbedingungen, die die kommunale Ebene handlungsfähig machen. Dazu zählt neben einem wirksamen Klimaschutzgesetz auch die Schaffung von klaren Kompetenz- und Aufgabenverteilungen. In vielen Bereichen wie dem öffentlichen Verkehr, aber auch dem Management von Naturkatastrophen ist die Aufteilung der Aufgaben komplex und unübersichtlich. Hier wäre der im November neu verhandelte Finanzausgleich, der die Verteilung von Mitteln und Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden regelt, eine Chance gewesen. Schon lange raten Expert:innen, die Kompetenzen neu zu ordnen und die Verteilungsschlüssel anzupassen. Gemeinden haben in den letzten Jahren unzählige neue Aufgaben übertagen bekommen, und nun sollen sie auch noch den Klimaschutz stemmen. Dass dafür nicht ausreichend Mittel vorhanden sind, liegt auf der Hand.
Investitionen für die Zukunft
Erst kürzlich hat eine Studie im Auftrag der AK ergeben, dass alleine für die Umrüstung des bestehenden öffentlichen Vermögens (beispielsweise für die Modernisierung von Schul- und Amtsgebäuden, Spitälern und öffentlichen Fuhrparks) zusätzlich rund 37 Milliarden Euro notwendig sind. Und darin ist noch nicht einmal der außerdem dringend notwendige weitere Ausbau, bspw. des öffentlichen Verkehrs, berücksichtigt. Ein großer Teil der anstehenden Investitionen wird auf der kommunalen Ebene stattfinden. Das betrifft zum Beispiel den Bereich des energieeffizienten Bauens und Sanierens. In Österreich werden etwa 33 Prozent des Endenergieverbrauchs im Gebäudebereich verursacht, wobei die größten Einsparungen in Altbauten möglich sind. Die gerade in Verhandlung befindliche europäische Richtlinie zur Energieeffizienz von Gebäuden wird besonders für öffentliche Gebäude neue Vorgaben für Sanierungen, aber auch für Neubauten bringen. Diese Maßnahmen sind wichtig, um die nationalen und europäischen Klimaziele zu erreichen und zeigen, wie eng die lokale mit der nationalen und europäischen Ebene zusammenhängt.
Für ein grünes Europa
Auf europäischer Ebene wurde bereits vor längerer Zeit der sogenannte „Green Deal“ ausgerufen, der Europas Weg zu einem klimaneutralen Kontinent vorgibt. Zahlreiche Maßnahmen konnten bereits umgesetzt werden, doch gerade wenn keine Profitinteressen im Spiel sind, stockt die Umsetzung. Das sieht man aktuell auch an den Verhandlungen zum EU-Renaturierungsgesetz, welches inzwischen deutlich verwässert wurde. Die im Juni 2024 stattfinden Wahlen zum Europäischen Parlament sind daher auch eine Weichenstellung in Sachen sozial verträglichem Klimaschutz. Sie entscheiden darüber, wie schnell und umfangreich die Maßnahmen erfolgen und welche Rolle den Beschäftigten eingeräumt wird. Denn nur wenn wir die Transformation aktiv mitgestalten, können wir sicherstellen, dass sie nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer:innen und wirtschaftlich Benachteiligten ausgetragen wird.
Als younion _ Die Daseinsgewerkschaft haben wir auf Basis der präsentierten Studie nun 15 Forderungen ausgearbeitet, um Städte und Gemeinden zukunftsfit zu machen und ihren Beschäftigten gute Arbeitsbedingungen zu bieten. Eine ausreichende Finanzierung der kommunalen Ebene sowie Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, um den Personalnotstand zu bekämpfen, sind dabei genauso wichtig wie ausreichende Investitionen und ein Ausbau der Leistungen der Daseinsvorsorge insgesamt (bspw. im Bereich öffentlicher Verkehr, erneuerbare Energie, Klimaanpassung). Um die Auswirkungen der Klimakrise wirksam bekämpfen zu können, braucht es zudem eine ambitionierte Klimapolitik, die einen sozial gerechten Übergang sicherstellt, niemanden zurücklässt und die kommunale Ebene stärkt. Dafür werden wir auch weiterhin kämpfen.
Quellen:
Arbeiterkammer (AK), Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung, younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
Klima schützen - Jobs sichern: Unsere 15 Forderungen für klimafitte Städte und Gemeinden
Städten und Gemeinden und ihren Beschäftigten kommt bei der Bekämpfung der Klimakrise eine besondere Bedeutung zu. Ein Großteil der Maßnahmen gegen die Klimakrise passiert auf lokaler und regionaler Ebene. Eine von der FSG in der AK Wien in Auftrag gegebene Studie der Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung macht nun transparent, wie vielfältig die Einflussmöglichkeiten sind. Vom öffentlichen Nahverkehr über die Wasserversorgung bis zu einer nachhaltigen Raumplanung liegen viele Kompetenzen auf der kommunalen Ebene. Als Gewerkschaft zeigt uns das, wie wichtig unser Kampf für die Sicherung und den Ausbau von Stellen in der öffentlichen Daseinsvorsorge ist. Auf Basis der uns zur Verfügung gestellten Studienergebnisse haben wir daher die folgenden 15 Forderungen formuliert, um die wichtige Funktion der Daseinsvorsorge im Klimaschutz zu stärken.
Klare Verteilung von Kompetenzen und Pflichten
Die teilweise unklare Verteilung von Verantwortlichkeiten erschwert es den österreichischen Städten und Gemeinden, Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimawandelanpassung selbständig zu ergreifen.
Mehr Kooperation zwischen Städten und Gemeinden
Regionale Zusammenschlüsse zum Schutz des Klimas haben eine politische Zugwirkung auf Städte und Gemeinden, die bislang zögerlich bei der Umsetzung von Maßnahmen waren. Die interkommunale Zusammenarbeit muss gestärkt werden.
Mehr Jobs in der Daseinsvorsorge
Viele Berufsbilder in der Daseinsvorsorge – von Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Energie über Müllbeseitigung, Pflege, Gesundheit bis zu Bildung - sind schon jetzt nachhaltige, sogenannte „Green Jobs“. Gerade von diesen braucht es mehr.
Adäquate Aus- und Weiterbildung
Städte und Gemeinden brauchen ausreichende finanzielle Mittel, um Rahmenbedingungen und Anreize für Qualifizierungsmaßnahmen und berufliche Umorientierung zu schaffen. Gerade in Regionen mit kohlenstoffintensiven Industrien ist das besonders wichtig.
Mehr Geld für Investitionen
Alleine für die Umrüstung des bestehenden öffentlichen Vermögens (beispielsweise für die Modernisierung von Schul- und Amtsgebäuden, Spitälern und öffentlichen Fuhrparks) sind laut einer aktuellen Studie zusätzlich rund 37 Milliarden Euro notwendig.
Klimaschutz im Finanzausgleich verankern
Es braucht dringend eine Neuordnung der Geldflüsse zwischen den Gebietskörperschaften und eine Bereinigung der Kompetenz- und Aufgabenverteilung, damit der Klimaschutz besser berücksichtigt werden kann.
Eine gute Datenbasis
Den politischen Akteur:innen in den österreichischen Kommunen fehlt es oftmals an verlässlichen Daten, an denen sie ihr Handeln ausrichten können. Das betrifft nahezu alle Handlungsbereiche zur Anpassung an den Klimawandel.
Umstellung der Energieerzeugung
Für die Wende zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft, ist eine grundlegende Umstellung der Energieerzeugung und des Verbrauchs notwendig. Gemeinden haben hier mehrere Möglichkeiten, aktiv zu werden.
Ausbau des öffentlichen Verkehrs
Um die Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen, ist eine deutliche Verlagerung des Personenverkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel notwendig. Von Bund und Ländern braucht es eine übergeordnete Planung und ausreichende Finanzierung.
Klimafreundliche Stadt- und Raumplanung
Im Bereich der Stadt- und Raumplanung sowie des Wohnungsbaus können Kommunen auf umwelt- und klimafreundliche Zielsetzungen einwirken – zum Beispiel auf die Verminderung der Zersiedelung und der Flächenversiegelung.
Energieeffizientes Bauen und Sanieren
Ein großer Teil des Energieverbrauchs wird im Gebäudebereich verursacht. Gerade in Altbauten ist das Potenzial für Energieeinsparungen hoch.
Mehr Grünraum, vor allem in Städten
Die Auswirkungen der Klimakrise werden in dicht verbauten und vegetationsarmen städtischen Gebieten stärker zu spüren sein als im ländlichen Umfeld. Durch Begrünung wird die Temperatur gesenkt, der Verkehrslärm gemindert und das Umfeld optisch aufgewertet.
Umstellung des Wirtschaftssystems
Um klimafit zu werden, braucht es die Kreislaufwirtschaft. Gemeinden können das Bewusstsein der Einwohner:innen bilden und Räumlichkeiten, etwa für Reparaturcafés oder Tauschbörsen, zur Verfügung stellen.
Nachhaltige Wirtschaftspolitik und öffentliche Beschaffung
Die COVID-19-Krise hat uns gezeigt, wie wichtig eine stärkere Regionalisierung von globalen Lieferketten ist, um die Versorgungssicherheit (beispielsweise mit Medikamenten) sicherzustellen. Städte und Gemeinden können hier die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen und auch ihre eigene Beschaffungspolitik nachhaltig gestalten.
Einbeziehung der Bürger:innen
In den Städten und Gemeinden wissen die Einwohner:innen am besten über die lokalen Gegebenheiten Bescheid. Je früher zudem Menschen in Beteiligungsprozesse miteinbezogen werden, desto höher ist auch die Akzeptanz von Maßnahmen.
Quellen:
Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung, younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
Gesundheitssystem auf dem Prüfstand
Das britische Gesundheitssystem NHS (National Health Service) wird nächstes Jahr 75. Dass das System mittlerweile an Altersschwäche leidet, ist keine Neuigkeit. Inzwischen warten beispielsweise rund 7,5 Millionen Menschen auf Behandlungen und Operationen. Die Situation hat sich laut Stuart Tuckwood von der britischen Gewerkschaft UNISON seit 2010, als die konservativen Tories an die Macht kamen, noch einmal deutlich verschlimmert. Der rigide Sparkurs hat zu deutlich längeren Wartelisten und einer sinkenden Qualität der Behandlungen geführt. Unter anderem deswegen begannen vor etwa einem Jahr Streiks, um für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Als younion _ Die Daseinsgewerkschaft haben wird Stuart Tuckwood gemeinsam mit der Gewerkschaft vida Ende Oktober zu einem Webinar eingeladen, um von seinen Erfahrungen der letzten Monate zu lernen.
Krisen, Krisen, Krisen
Tuckwood war selbst als diplomierter Krankenpfleger im NHS tätig und kennt daher die dort vorherrschenden Zustände gut. Bereits vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie war die Situation für Beschäftigte und Patient:innen prekär. Lange Wartelisten sowohl im Gesundheits- als auch im Sozialwesen standen an der Tagesordnung, aber auch die Qualität der Leistungen nahm ab und die nationalen Qualitätsziele wurden regelmäßig verfehlt. Durch die folgende Gesundheitskrise verschärften sich diese Probleme weiter und wurden deutlicher sichtbar. Die Ursache sieht Tuckwood vor allem in den Sparmaßnahmen der sich seit Jahren an der Macht befindlichen konservativen Regierung. Die Zahlen zeigen eindeutig, dass es mit dem System seit deren Amtsantritt bergab ging. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen mussten für viele Jahre auf Gehaltserhöhungen verzichten, und das trotz steigender Inflation und der Krise der Lebenshaltungskosten. Hinzu kommt, dass die Konservativen einen gewerkschaftsfeindlichen Kurs fahren und die Gewerkschaften nicht in ihre Entscheidungen miteinbinden. Da war der Brexit nur ein weiterer Tropfen auf dem heißen Stein.
Streik!
Angesichts dieser Ausgangslage war es nicht verwunderlich, dass es ab Ende letzten Jahres zu Streikaktivitäten kam. Der Gewerkschaft UNISON gelang es, rund 32.000 Mitglieder für diese Maßnahmen zu mobilisieren. Gerade im Gesundheitswesen sind Streikmaßnahmen eine heikle Angelegenheit, da natürlich eine gewisse Grundversorgung aufrechterhalten werden muss. Wie kaputtgespart das System in Großbritannien ist zeigte sich daran, dass sich durch die gute Organisation der Streiks die Versorgung an manchen Streiktagen sogar verbesserte. Letztlich konnte UNISON durch den umfangreichen Arbeitskampf ein deutlich verbessertes Angebot erringen, das auch von den Mitgliedern mit großer Mehrheit angenommen wurde. Zusätzlich zu den ursprünglich gebotenen 1.400 Pfund jährlicher Erhöhung wurden weitere Zahlungen und Zusagen erkämpft. Klar war aber auch, dass das erzielte Paket zwar eine Verbesserung darstellte, jedoch nicht ansatzweise ausreichend ist. Viele Beschäftigte sind davon gar nicht erst erfasst, da zahlreiche Bereiche des NHS privatisiert wurden.
„Nein“ zu Privatisierungen
Dass diese Privatisierungstendenzen nicht nur ein britisches Problem sind, zeigt auch eine Studie im Auftrag der Arbeiterkammer Wien. Zunehmend werden die Bereiche Gesundheit, Pflege und Wohnen nämlich auch in Deutschland und Österreich Marktmechanismen unterworfen. Der steigende Einfluss der Privaten zeigt sich im Pflegebereich beispielsweise daran, dass der Anteil der öffentlichen Pflegebetten in Österreich von 76% in den 1980er-Jahren auf nunmehr 49% gesunken ist. Im Gesundheitsbereich macht sich die immer höhere Zahl an privaten Spitälern bemerkbar, wenngleich beispielsweise bei den Primärversorgungszentren durch strengere Regulierung der Einfluss transnationaler Investor:innen zurückgehalten werden konnte. Es gilt jedenfalls, die Entwicklungen im Auge zu behalten.
Was lernen wir daraus
Zurück zu Großbritannien: Hier sind manche Bereiche weiterhin von Streiks betroffen, da noch keine flächendeckenden Verbesserungen erkämpft werden konnten. Als younion _ Die Daseinsgewerkschaft erklären wir uns solidarisch mit den Streikenden im NSH. Auch für unsere eigene gewerkschaftliche Arbeit können wir aus diesem Beispiel einiges mitnehmen. Was aber nicht vergessen werden darf ist, dass die Situation in Österreich nur bedingt mit jener in Großbritannien vergleichbar ist. Trotz vieler Probleme funktioniert unser sozialpartnerschaftliches System nach wie vor gut. Während in Großbritannien durch Streiks erst die Gesprächsbereitschaft erzwungen werden musste, ist eine solche hierzulande vorhanden. Nichtsdestotrotz spüren wir auch in Österreich den Sparkurs konservativer Regierungen, der sich in schlechter Bezahlung, hohem Arbeitsdruck und Stress niederschlägt. Der Personalmangel ist sowohl im Gesundheits- als auch im Pflegebereich zu beobachten. Wie auch in Großbritannien wird hierzulande versucht, die Probleme durch Anwerbung von ausländischen Staatsbürger:innen zu lösen. Das alleine wird jedoch nicht ausreichen. Eine ausreichende Finanzierung von Ausbildungsplätzen muss oberste Priorität haben, ebenso wie eine flächendeckende und ausreichende Personalausstattung. Umso erfreulicher ist es, dass younion _ Die Daseinsgewerkschaft einen großen Verhandlungserfolg für alle Bediensteten im Wiener Gesundheitsverbund erzielen konnte. In einer ersten Phase stehen nun 150 Millionen Euro für bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen, mehr Freizeit und Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel zur Verfügung. Im Herbst 2024 wird zudem eine große Ausbildungsoffensive starten, wodurch unter anderem auch Studierenden die Möglichkeit einer Anstellung geboten wird.
Quellen:
A&W Blog, tagesschau.de, younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
72. Tagung des EGÖD-Exekutivausschusses
Am 29. und 30. November 2023 kamen die führenden europäischen Gewerkschafter:innen des öffentlichen Dienstes zur 72. Tagung des EGÖD-Exekutivausschusses in Brüssel zusammen, darunter auch EGÖD-Vizepräsident und Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft Thomas Kattnig.
Die Mitglieder des Exekutivausschusses bekundeten im Rahmen der Tagung ihre Unterstützung für die europäische Groß-Demonstration des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) am 12. Dezember in Brüssel – die thematische Ausrichtung dieser Aktion mit dem Motto „Für einen fairen Deal für die Beschäftigten“ und „Nein zur Sparpolitik“ werden von den Gewerkschaften unterstützt. Denn viele Beschäftigte des öffentlichen Dienstes sehen sich aufgrund einer (drohenden) Wiedereinführung der Sparpolitik mit neuen Einschränkungen bei der Finanzierung von Löhnen und öffentlichen Dienstleistungen konfrontiert – und das ist definitiv nicht das, was Europa braucht, im Gegenteil: Wir brauchen öffentliche Mittel für das Gesundheitswesen, für die Pflege und andere öffentliche Dienstleistungen, für Investitionen in die digitale öffentliche Infrastruktur und für den gerechten Übergang zu einer Wirtschaft, die nicht von fossilen Brennstoffen abhängig ist.
Viele Gewerkschaften in Europa führen derzeit Aktionen für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durch und wehren sich gegen zunehmende Angriffe auf Gewerkschaftsrechte. Der EGÖD-Exekutivausschuss brachte im Rahmen der Tagung seine Solidarität mit all jenen zum Ausdruck, die sich an diesen Aktionen beteiligen.
Zudem wurde im Rahmen der aktuellen Sitzung eine kurze Erklärung zur aktuellen Situation in Palästina angenommen.
EGÖD-Kongress
Der EGÖD-Kongress wird im Juni 2024 in Bukarest, Rumänien, stattfinden. Die vorbereitende Arbeit an den Kongressunterlagen ist daher in vollem Gange und soll im Rahmen der nächsten Exekutivausschuss-Sitzung im März 2024 finalisiert werden.
Der Exekutivausschuss beschäftigte sich im Rahmen der aktuellen Tagung mit den seitens der Mitgliedsorganisationen vorgeschlagenen Abänderungsanträgen zum EGÖD-Aktionsprogramm, das die inhaltliche Ausrichtung der EGÖD-Arbeit für die auf den Kongress folgende Kongressperiode festlegt.
EGB-Angelegenheiten
Der EGÖD ist enttäuscht, dass die sektorübergreifenden Verhandlungen zur Telearbeit gescheitert sind. Während die Arbeitgeber des privaten Sektors offenbar keinen Bedarf an Rechtsvorschriften sehen, tun dies die Arbeitnehmer:innen sehr wohl, ebenso wie die Arbeitgeber und Gewerkschaften in den zentralen Regierungsverwaltungen. Die Kommission ist nun aufgefordert, dem Rat die Vereinbarung über die Digitalisierung der Zentralverwaltungen vorzuschlagen.
Im Rahmen der Tagung fand auch eine ausführliche Diskussion über den Europäischen Sozialen Dialog statt. Die Mitglieder hoben die Diskrepanz zwischen den hochtrabenden Papieren der Kommission und den tatsächlich bereitgestellten Mitteln hervor. Die Mittel für die Teilnahme werden gekürzt, was einen ausreichend umfassenden und integrativen Dialog verhindere. Der Exekutivausschuss stimmte jenen Mitgliedern zu, die betonten, dass die Kommission die Unterstützung der Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften für die EU-Integration untergräbt. Der Exekutivausschuss beschloss, nach dem EGÖD-Kongress eine Arbeitsgruppe für europäische Arbeitsbeziehungen und den sozialen Dialog einzurichten.
Der Vorschlag des EGB, Vermögenssteuern zur Umverteilung von Geldern in Erwägung zu ziehen, wird vom Exekutivausschuss unterstützt, wenngleich weiterhin Bedenken dahingehend bestehen, dass viele Milliardär:innen es vermeiden, angemessene Beiträge zum Sozialstaat zu leisten und ihr Geld verstecken. Die EGB-Kampagne zur Überarbeitung der EU-Fiskalregeln wurde unterstützt. Es ist wichtig, dass die öffentlichen Finanzen und die öffentlichen Ausgaben geschützt werden und die EU nicht eine weitere Welle der Sparpolitik erlebt. Dies würde das soziale Gefüge, den Zusammenhalt und die Wachstumsaussichten in der EU untergraben.
Wirtschafts- und Sozialpolitik
Der Exekutivausschuss befasste sich u.a. mit der Umsetzung der Richtlinie über angemessene Mindestlöhne, den Schlussfolgerungen des Rates zur Stärkung des sozialen Dialogs auf allen Ebenen und dem jährlichen Bericht über die Arbeitsmarkt- und Lohnentwicklung 2023, der einen Abschnitt über die Arbeitszeitverkürzung enthält. Der Bericht unterstreicht außerdem die Bedeutung von öffentlichen Dienstleistungen wie der Kinderbetreuung.
Der Sozialschutz ist ein wesentlicher Bestandteil der Sozialstaaten. Die EU koordiniert insbesondere durch das Europäische Semester und die Regeln der Steuerpolitik. Der EGÖD setzt sich im EGB für die Bedeutung von starken und integrativen Sozialschutzsystemen ein. Langzeitpflege wird nun als Teil des Sozialschutzes betrachtet.
Auch die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 wurden erörtert. Es wurde ein Papier mit den wichtigsten Forderungen erarbeitet, das bei Kontakten mit den politischen Parteien auf EU-Ebene verwendet werden soll. Es kann die Gewerkschaften auf nationaler Ebene dabei unterstützen, für ein soziales Europa zu argumentieren. In den Debatten im Rahmen der Tagung wurde darauf hingewiesen, dass die rechtsextremen und konservativen Parteien gegen die Sozialpolitik auf EU-Ebene stimmen. Die Arbeitnehmer:innen haben von diesen Parteien wenig zu erwarten.
Berichte über die Arbeit des EGÖD in nationalen und europäischen Verwaltungen (u. a. für Beschäftigte im Strafvollzug), in Kommunal- und Regionalverwaltungen (u. a. für Feuerwehrleute), in Versorgungsbetrieben (Energie, Wasser, Abfall), im Gesundheits- und Sozialwesen (u. a. für Pflegeassistent:innen und die Vorbereitung des sozialen Dialogs im Sozialwesen), in den Bereichen Mitgliederwerbung und Organisierung, Jugend und Frauen wurden vom Exekutivausschuss zur Kenntnis genommen. Die Frauenkonferenz nahm ihre Erklärung von Rom an, in der sie die Bedeutung der öffentlichen Dienste für den Kampf um Gleichberechtigung und Frauenrechte hervorhob.
Neue EGÖD-Mitgliedsorganisationen in den Bereichen Feuerwehr und Kultur aus Bulgarien wurden willkommen geheißen.
Quellen:
Europäische Kommission, Europäischer Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD/EPSU);
Rückfragen:
younion _ Die Daseinsgewerkschaft
Internationales, EU und Daseinsvorsorge
Thomas Kattnig
Mitglied Bundespräsidium
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