INFOMAIL INTERNATIONAL 09.03.2022
Frieden für die Ukraine und ganz Europa
In seiner Sitzung vom 8. März 2022 hat der Bundesvorstand der younion _ Die Daseinsgewerkschaft die nachstehende Resolution beschlossen:
Frieden für die Ukraine und ganz Europa
Solidarität mit den Arbeitnehmer*innen!
younion _ Die Daseinsgewerkschaft fordert mit einem dringenden Appell Solidarität und Unterstützung für die Ukraine ein und den russischen Präsidenten Putin zum Ende des Angriffskriegs auf.
Gemeinsam mit PSI[1] und EPSU[2] verurteilt younion _ Die Daseinsgewerkschaft die russische Aggression gegen die Ukraine aufs Schärfste. Krieg und Besatzung bringen Leid für die Arbeitnehmer*innen, ihre Familien und die gesamte Gesellschaft. Das Putin-Regime trägt die Verantwortung für den Krieg, für die Gewalt und das menschliche Leid. Das ist durch nichts zu rechtfertigen.
Wir können auch nachempfinden, was die ukrainische Bevölkerung und die Kolleg*innen in den kommunalen Diensten gerade durchmachen und unter schwierigsten Umständen leisten. Wir solidarisieren uns voll und ganz mit den ukrainischen Arbeitnehmer*innen und ihren Gewerkschaften.
Respekt und Anerkennung gebühren auch den mutigen Friedensaktivist*innen, die in Russland gegen den Krieg auf die Straße gehen und vom Putin-Regime hart unterdrückt werden. Wir fordern, die Verhaftungen zu stoppen und die tausenden inhaftierten Friedensaktivist*innen sofort frei zu lassen. Ebenso unterstützen wir jene russischen Gewerkschaften, die sich für ein Ende der kriegerischen Handlungen einsetzen und sich damit offen gegen das russische Regime stellen.
Unsere Gedanken sind bei unseren Kolleg*innen in den ukrainischen Gewerkschaften, die uns Berichte von Angriffen übermitteln und sich trotz der Gefahren weiterhin vor Ort für die Gewerkschaftsmitglieder und die Bevölkerung einsetzen.
Wir rufen daher zu einer sofortigen Beendigung des Konflikts und zum Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine auf. Diesen Maßnahmen müssen Verhandlungen folgen, die zu einer dauerhaften militärischen Deeskalation in der Region führen. Wir fordern weiters die Staatengemeinschaft – insbesondere die Mitgliedstaaten der Europäischen Union – auf, sofort konkrete und effektive Maßnahmen zu setzen, mit dem Ziel, das Putin-Regime zur Beendung der militärischen Aggression zu zwingen. Wir appellieren weiters an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die internationale Gemeinschaft, eine solidarische Aufnahmepolitik für jene Ukrainer*innen sicherzustellen, die zur Flucht gezwungen werden.
Verhandlungen sind der einzige Weg, der zu dauerhafter Sicherheit, Demokratie, Achtung der Menschen- und Gewerkschaftsrechte, Frieden sowie Wohlstand für die Menschen in der Ukraine, in Russland und in Europa führen. Es liegt auch in der Verantwortung der Gewerkschaftsbewegung, diese Rechte mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Nur durch eine weltweite Mobilisierung kann dieses Ziel erreicht werden. Dieser Konflikt führt uns eindrucksvoll vor Augen, dass Freiheit und Demokratie nicht selbstverständlich sind. Grenzen dürfen in Europa nicht gewaltsam verschoben werden. Wir wollen ein Europa des Friedens, der Freiheit, der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte! Wir alle haben daher unseren Beitrag zur Sicherung unseres freien, demokratischen Gesellschaftsmodells zu leisten.
**********************************************************************************
Auch auf internationaler und europäischer Ebene ist die Solidarität der Gewerkschaftsbewegung mit der Ukraine enorm. Hier ein Auszug der von verschiedenen internationalen und europäischen Gewerkschaftsverbänden veröffentlichten Stellungnahmen und gestarteten Initiativen:
- Internationaler und Europäischer Gewerkschaftsbund (IGB und EGB): Einrichtung eines Solidaritätsfonds und Mobilisierung für Aktionen
- Erste gemeinsame Erklärung von PSI und EPSU: EPSU und PSI verurteilen den Angriff Russlands auf die Ukraine
- Zweite gemeinsame Erklärung von PSI und EPSU: Solidaritätsfonds für die Ukraine
- PSI & EPSU Online-Meeting mit ukrainischen Gewerkschaftsvertreter*innen (Video-Aufzeichnung)
- UNI Global Union – Media, Entertainment & Art (UNI MEI) und Internationale Föderation der Schauspieler*innen (FIA): Gemeinsames Solidaritäts- und Unterstützungsschreiben an die Gewerkschaft der Kulturschaffenden in der Ukraine
- Internationale und Europäische Föderation der Journalist*innen (IFJ und EFJ): Sicherheitsfonds für Journalist*innen die Ukraine sowie weitere Initiativen und Berichte der IFJ und EFJ zum Thema
- Internationale und Europäische Föderation der Transportarbeiter*innen (ITF und ETF): Stellungnahme und weitere Informationen
- Internationale Föderation der Sozialarbeiter*innen (IFSW): Spendenaufruf zur Unterstützung von Sozialarbeiter*innen sowie Webinar „Stimmen von den Grenzen: Sozialarbeit als Antwort auf die humanitäre Krise in der Ukraine“ am 15. März 2022
- Stellungnahme der IFSW: Militärische Aggression in der Ukraine
Quellen:
Europäische Föderation der Journalist*innen (EFJ), Europäische Föderation der Transportarbeiter*innen (ETF), Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB), Europäischer Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD), Internationale der Öffentlichen Dienste (IÖD), Internationale Föderation der Journalist*innen (IFJ), Internationale Föderation der Schauspieler*innen (FIA), Internationale Föderation der Sozialarbeiter*innen (IFSW), Internationale Föderation der Transportarbeiter*innen (ITF), Internationaler Gewerkschaftsbund (IGB), UNI Global Union – Media Entertainment & Art (UNI MEI), younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
Schwerpunkte der EP-Plenartagung vom 7. – 10. März 2022
Im Rahmen der von 7. – 10. März 2022 stattfindenden Plenartagung des Europäischen Parlaments stehen u. a. folgende Themen auf der Tagesordnung:
Krieg in der Ukraine: Debatte zur Bewertung der Lage und Flüchtlingskrise
Die Abgeordneten werden sich mit den Auswirkungen des Einmarsches Russlands in die Ukraine sowie mit dem Umgang mit der wachsenden Zahl von Flüchtlingen aus dem Land befassen.
Sanktionen und Aufklärung entscheidend im Kampf gegen ausländische Einmischung
Fehlende EU-Maßnahmen, Sanktionen und Sensibilisierung erleichtern bösartigen ausländischen Akteur*innen, Einfluss auf die Funktionsweise der Demokratie in der EU zu nehmen, so die Abgeordneten.
Aussprache anlässlich des Internationalen Frauentags (8. März)
Die ukrainische Schriftstellerin Oksana Zaboujko spricht am Dienstag vor den Abgeordneten, gefolgt von einer Debatte über den EU-Aktionsplan für die Gleichstellung der Geschlechter.
Konditionalitätsregelung zur Rechtsstaatlichkeit: Folgen des EuGH-Urteils
Verabschiedung einer Entschließung über die Entscheidung des EU-Gerichtshofs, den Antrag auf Nichtigerklärung der Konditionalitätsregelung zum Schutz des EU-Haushalts abzulehnen.
EU-weites Verbot von „goldenen Pässen“ und gemeinsame Regeln für „goldene Visa“
Die Abgeordneten fordern ein Verbot der Praxis, Staatsbürgerschaften im Gegenzug für Investitionen zu vergeben, und EU-weite Regeln für den Erwerb von Aufenthaltsrechten durch Investitionen.
EU-Wirtschaftsaufschwung sollte inklusiv sein und modernisieren
Die Abgeordneten fordern, dass Fairness und Modernisierung im Mittelpunkt des grünen Wandels und der wirtschaftlichen Erholung der EU stehen sollen.
Neue EU-Vorschriften für Batterien: Parlament nimmt Verhandlungsposition an
Das Parlament wird im Vorfeld der Verhandlungen mit den EU-Ländern über neue Maßnahmen für die Entwicklung, Herstellung und Entsorgung von Batterien debattieren und abstimmen.
Parlament will Schwerpunkte der EU-Umweltpolitik bis 2030 beschließen
Debatte und Abstimmung über das EU-Umweltprogramm bis 2030, das den Übergang der EU zu einer klimaneutralen, sauberen und kreislauforientierten Ökonomie des Wohlergehens beschleunigen soll.
Bekämpfung des strukturellen Rassismus
Die Politik in den Bereichen Kultur, Bildung, Medien und Sport muss angepasst werden, um den strukturellen Rassismus in der EU zu beseitigen.
EU soll hartes Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft in ganz Europa bekämpfen
Die Abgeordneten fordern eine Strategie zur Anerkennung der entscheidenden Rolle der Organisationen der Zivilgesellschaft und EU-weite rechtliche und administrative Mindeststandards.
Kreislaufwirtschaft: Debatte über künftige Textilstrategie der EU
Am Donnerstagmorgen werden die Abgeordneten mit der Kommission über die Notwendigkeit einer ehrgeizigen EU-Strategie für nachhaltige Textilien diskutieren.
Weitere Themen:
- Debatte über steigende Energiepreise und Marktmanipulation auf dem Gasmarkt
- Kohäsionspolitik: Verringerung von Unterschieden bei der Gesundheitsversorgung und Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich – Bericht: Tomislav Sokol
- Kohäsionspolitik: Förderung eines innovativen und intelligenten Wandels und der regionalen IKT-Konnektivität – Bericht: Cristina Maestre Martín De Almagro
- Einbindung der Bürger*innen: das Petitionsrecht, das Recht, sich an den*die Europäische*n Bürger*innenbeauftragte*n zu wenden, und die Europäische Bürger*innneninitiative – Bericht: Marie-Pierre Vedrenne
- Ein neuer strategischer Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz für die Zeit nach 2020 – Bericht: Marianne Vind
- Umsetzung der Kohäsionspolitik 2021–2027 – Anfrage zur mündlichen Beantwortung
- Fairere und einfachere Besteuerung zur Unterstützung der Strategie für die Erholung nach der Pandemie (Folgemaßnahmen des EP zum Aktionsplan der Kommission vom Juli und ihren 25 Initiativen in den Bereichen MwSt., Unternehmensbesteuerung und Personenbesteuerung) – Bericht: Luděk Niedermayer
Quellen:
Europäisches Parlament;
Frauen arbeiten in der EU im Schnitt 51 Tage gratis
Rund um den internationalen Frauentag finden daher auch in Brüssel viele Aktivitäten statt, die Geschlechtergerechtigkeit zum Thema haben. Gleichstellungspolitik steht auch auf der Prioritätenliste der Kommissionpräsidentin weit oben, wie das Engagement der Europäischen Kommission für mehr Frauen in Aufsichtsräten und Einkommenstransparenz zeigen.
Die Coronakrise hat Ungleichheiten in der Welt verschärft, einerseits zwischen den Ländern des Zentrums und des globalen Südens, wie die ungleiche Verteilung von Impfstoffen eindrücklich beweist. Andererseits haben sich aber auch Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen in vielen Bereichen verschärft. Diese resultieren sowohl aus der Verteilung von bezahlter und unbezahlter (Sorge-)Arbeit als auch aus der Höhe der Entlohnung. Verdeutlicht wird dies durch den Equal Pay Day: Dieser symbolisiert die zusätzlichen Tage, die Frauen arbeiten, um das Gleiche wie Männer zu verdienen. Im Jahr 2021 waren es im EU-Durchschnitt 51 Tage. In Österreich hat sich die Lage 2022 leicht verbessert – der Equal Pay Day fiel heuer auf den 15. Februar und war somit sechs Tage früher als im Vorjahr. Österreich gehört jedoch zu den traurigen Schlusslichtern in der EU, gemeinsam mit Lettland, Estland und Deutschland, wo es ganze 66 Tage sind, die Frauen zusätzlich arbeiten müssten, um gleich viel zu verdienen wie Männer. Luxemburg mit fünf Tagen, Rumänien, Slowenien und Italien schnitten 2021 innerhalb der EU am besten ab und konnten seit 2015 die Lohndifferenz fast halbieren.
Für Österreich weist AK-Präsidentin Renate Anderl darauf hin, dass die sehr hohe Teilzeitquote von Frauen sowie die schlechtere Bewertung von sogenannten „Frauenberufen“ etwas mehr als die Hälfte des Lohnunterschiedes erklären. Knapp die Hälfte des Gefälles ist auf reine Diskriminierung zurückzuführen. Das Beispiel Österreichs zeigt dabei recht anschaulich, dass die hohe kollektivvertragliche Abdeckung allein die Lohnschere nicht zu schließen vermag. Dazu braucht es einen Mix aus unterschiedlichen Maßnahmen, mehr Einkommenstransparenz ist eine davon.
Mangelnde Transparenz bei Gehältern
Das Schließen der Lohnschere schreitet in der EU sehr langsam voran, die Unterschiede bleiben groß und werden noch Jahrzehnte anhalten, sollte das jetzige Tempo beibehalten werden. Die EU-Gleichstellungsstrategie für 2020-2025 sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, um das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu beseitigen. Eine davon ist die vorgeschlagene Richtlinie zur Lohntransparenz, die derzeit im Europäischen Parlament behandelt wird. Sie fordert das Recht auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Arbeitgeber*innen sollen dazu verpflichtet werden, einen Bericht über das Lohngefälle zu veröffentlichen. Dadurch können Arbeitnehmer*innen leichter eine Entschädigung einfordern. Das Auskunftsrecht ist aus Sicht der AK sehr zu begrüßen, da mangelnde Transparenz eines der größten Hindernisse ist, um die Lohnschere zu schließen. Allerdings ist der Schwellenwert von 250 Arbeitnehmer*innen, ab dem die Verpflichtungen für Arbeitgeber*innen eintreten sollen, viel zu hoch angesetzt und würde nicht nur in Österreich sehr viele Unternehmen von der Verpflichtung befreien. Begrüßt wird auch explizit die Beweislastumkehr in Übereinstimmung mit der bestehenden Rechtsprechung. Wenn Arbeitgeber*innen die in diesem Richtlinienentwurf festgelegten Pflichten nicht erfüllen, so trifft sie die volle Beweislast, ohne dass die Arbeitnehmer*innen den Anschein der Diskriminierung belegen müssen. Nachdem die Mitgliedstaaten im Rat bereits im Dezember eine allgemeine Ausrichtung erzielt haben und somit ihr Verhandlungsmandat festgelegt haben, wird nun im Europäischen Parlament über den Bericht abgestimmt.
Aktivitäten rund um den internationalen Frauentag
Anlässlich des Internationalen Frauentags hielt der Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) am 3. März 2022 sein jährliches interparlamentarisches Treffen der Mitglieder des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente ab. Das diesjährige Thema war „eine ehrgeizige Zukunft für Europas Frauen nach COVID-19: psychische Belastung, Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Telearbeit und unbezahlte Betreuungsarbeit nach der Pandemie“. Aber auch einzelne Fraktionen nutzen den Tag, um auf Geschlechterungleichheiten hinzuweisen. So veranstaltet die linke Fraktion GUE/NGL auch dieses Jahr ein zweitägiges „Feminist Forum“, das den Fokus auf Frauengesundheit und die reproduktiven Rechte legte.
Zu den Forderungen der ÖGB-Gewerkschaftsfrauen anlässlich des Weltfrauentages 2022.
Des Weiteren scheint es, dass endlich Bewegung in eine seit Jahren blockierte Richtlinie kommt: Der Richtlinienentwurf zu „Frauen in den Aufsichtsräten“ aus dem Jahr 2012 wird von der französischen Ratspräsidentschaft wieder aufgegriffen, um endlich eine Einigung im Rat zu erzielen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Policy Brief: Gender Pay Gap
AK EUROPA: Großer Nachholbedarf bei Geschlechtergleichstellung in der EU
AK EUROPA: Neue Gleichstellungsstrategie veröffentlicht
Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), AK Wien, Die Linke im Europäischen Parlament – GUE/NGL, equalpayday.be, Europäische Kommission, Europäisches Parlament, Eurostat, zeit.de;
Entwurf für ein Lieferkettengesetz: Nachbesserungen notwendig!
Am 23. Februar 2022 war es nach achtmonatiger Verspätung endlich soweit: Die EU-Kommission hat ihren Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz vorgelegt. AK und ÖGB fordern schon seit Langem verbindliche Regeln für mehr Unternehmensverantwortung entlang der Lieferketten. Die erste Bilanz nach der Präsentation des Entwurfs fällt gemischt aus und macht deutlich: Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten sind nun dringend gefordert, nachzubessern, damit das EU-Lieferkettengesetz sein volles Potential entfalten kann.
Durch die von der Kommission vorgeschlagene Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten sollen auf Ebene der EU verpflichtende menschen- und umweltrechtliche Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette für Unternehmen festgeschrieben werden. Dieser Ansatz darf tatsächlich als Paradigmenwechsel bezeichnet werden. Der Vorschlag der EU-Kommission ist branchenübergreifend und regelt Verpflichtungen für alle Unternehmen, wenn diese bestimmte Größenkennzahlen (Anzahl der Mitarbeiter*innen, Jahresumsatz) erreichen.
Vierstufiger Sorgfaltspflichtenprozess und Sanktionen
Unternehmen sollen zu einem vierstufigen Sorgfaltspflichtenprozess verpflichtet werden. Dieser sieht vor, dass sie Risiken im Hinblick auf Menschenrechte und Umwelt entlang ihrer Lieferketten identifizieren, vorbeugen, gesetzte Maßnahmen evaluieren und regelmäßig öffentlich darüber berichten müssen. Zudem muss ein für alle betroffenen Stakeholder zugänglicher Beschwerdemechanismus eingerichtet werden. Der Entwurf sieht auch vor, dass die Nichteinhaltung der genannten Sorgfaltspflichten sanktioniert wird. Einerseits sollen Verwaltungsbehörden die Einhaltung der Richtlinie kontrollieren und sie können Verwaltungsstrafen verhängen. Andererseits soll es Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen in engem Rahmen ermöglicht werden, den Klagsweg zu beschreiten und so Schadenersatz zu erlangen.
Kinder- und Zwangsarbeit sowie schwere Verletzungen von Arbeits- und Gewerkschaftsrechten
Dass ein EU-Lieferkettengesetz unbedingt notwendig ist, zeigt auch die am gleichen Tag veröffentlichte Mitteilung über menschenwürdige Arbeit: Darin fasst die EU-Kommission die weltweit dramatische globale Entwicklung der menschen- und arbeitsrechtlichen Situation des letzten Jahres zusammen. Die Zahl der Kinder in Kinderarbeit ist seit Langem wieder im Steigen begriffen und betrifft 160 Millionen Kinder weltweit. 25 Millionen Menschen fristen ihr Dasein in Zwangsarbeit. Ferner hält der Internationale Gewerkschaftsbund in seinem jährlichen Globalen Rechtsindex fest, dass sich die Verletzungen von Arbeits- und Gewerkschaftsrechten auf einem Achtjahreshöchststand befinden.
Weitaus ambitionierterer Ansatz nötig!
Die Vorlage des Entwurfs ist sehr zu begrüßen. Um jedoch das angestrebte Ziel der Richtlinie zu erreichen, die Arbeitsbedingungen der Menschen entlang von Lieferketten global zu verbessern, ist ein weitaus ambitionierterer Ansatz nötig.
Der derzeit vorliegende Entwurf erfasst lediglich 0,2 % der EU-Unternehmen bzw. rund 0,06 % der österreichischen Unternehmen. Sorgfaltspflichten gelten demnach nur für große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro. In manchen Hochrisikobereichen (Textiles, Landwirtschaft und Rohstoffe) sind Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter*innen und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro erfasst.
Der Entwurf sieht zudem keine verpflichtende Einbindung von Gewerkschaften und Arbeitnehmer*innenvertretungen in den Sorgfaltspflichtenprozessen vor. Dabei sind gerade sie es, die um die jeweiligen menschen- und umweltrechtlichen Risiken im Betrieb Bescheid wissen und auch Auskunft darüber geben können, welche Maßnahmen zu nachhaltigen Verbesserungen vor Ort führen.
Die Einführung einer Haftungsregelung im Entwurf ist ebenfalls zu begrüßen. Denn nur sie ermöglicht den Opfern von Menschenrechtsverletzungen Zugang zu Schadenersatz, während Verwaltungsstrafen in die Staatskasse überführt werden. Bedauerlich ist, dass der Entwurf jedoch einen de facto Haftungsausschluss für Verfehlungen in der Lieferkette vorsieht, wenn Unternehmen Musterklauseln in Verträge mit Zulieferbetrieben aufnehmen und diese z.B. extern prüfen lassen. Was dem Entwurf im Weiteren fehlt, ist ein menschenrechtszentrierter Zugang bei der Abhilfe im Falle von Menschenrechtsverletzungen. Transnationale Verfahren zu führen ist teuer, langwierig und komplex. Fälle der Vergangenheit zeigen, dass Verfahren oft nach Jahren an formalen Erfordernissen scheitern.
Der Entwurf sieht zudem vor, dass sehr große Unternehmen einen Klimaplan vorlegen müssen, der die Ausrichtung der Unternehmensstrategie am Ziel der Beschränkung des Klimawandels auf 1,5 °C gemäß Pariser Übereinkommen festsetzt und gegebenenfalls Pläne zur Emissionsreduktion vorsieht. Konsequenzen bei der Nichtvorlage eines Klimaplans bzw. der Vorlage eines inhaltlich mangelhaften Plans sind jedoch nicht vorgesehen, was Zweifel an der Effektivität der Regelung aufkommen lässt.
Forderungen der EU-Bürger*innen müssen umgesetzt werden!
Es ist vor allem der Hartnäckigkeit der Zivilgesellschaft in Europa zu verdanken, dass nach mehrfacher Verschiebung nun überhaupt ein Entwurf der EU-Kommission vorgelegt wurde. Gemeinsam mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB), Friends of the Earth Europe (FoEE) und der Europäischen Koalition für Unternehmensgerechtigkeit (ECCJ) haben AK EUROPA und das ÖGB-Europabüro bereits 2020 eine Kampagne zu Unternehmensverantwortung initiiert, um den Druck auf die EU-Kommission zu erhöhen, einen ambitionierten Rechtsvorschlag vorzulegen. Auch eine Umfrage bestätigte, dass mehr als 80 % der befragten Menschen in Europa ein starkes Gesetz inklusive Haftung der Unternehmen wollen.
Weiterführende Informationen:
AK-Factsheet: Wirtschaft und Menschenrechte – Europa braucht ein Lieferkettengesetz!
Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), Europäische Kommission, Internationaler Gewerkschaftsbund (IGB);
[1] Public Services International, deutsch Internationale der Öffentlichen Dienste, ist eine der globalen Gewerkschaftsföderationen mit 669 Mitgliedsgewerkschaften des öffentlichen Sektors mit rund 20 Millionen Mitgliedern in 154 Staaten.
[2] European Federation of Public Service Unions, deutsch Europäische Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst, ist ein Europäischer Gewerkschaftsverband mit Sitz in Brüssel. Er vertritt 8 Millionen Mitglieder in etwa 270 Gewerkschaften in 49 Ländern.