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Zukunft zum Anbeißen

Aus der Lehrlingsküche in die eigene Konditorei. Wie Mitar und Jeremy durch wienwork ihren Weg ins Berufsleben finden.

In der Großküche herrscht geschäftiges Treiben. Rund 60 Menschen arbeiten hier, jede und jeder an einem eigenen Platz. Graue Metallwagen, beladen mit Bananenschnitten, Streuselkuchen und Cheesecake, rollen vorbei. Zwischen all dem Trubel steht Jeremy. Mit einer schwungvollen Bewegung wirft er einen hauchdünnen Teig in die Luft, fängt ihn wieder auf und spannt ihn vorsichtig über seine Hände. Fast wie ein Pizzabäcker, nur dass es sich um Teig für einen Apfelstrudel handelt. Der 21-Jährige steht kurz vor seiner Lehrabschlussprüfung und wirkt trotz Prüfungsstress gelassen.

Lernen mit Unterstützung

Gemeinsam mit seinem Kollegen Mitar absolviert er die Ausbildung zum Konditor bei wienwork. Das integrative Unternehmen bildet derzeit rund 180 Lehrlinge in elf Berufen aus. Alle Lehrlinge haben eine Lernschwäche, viele zusätzlich weitere Beeinträchtigungen wie Hörbehinderungen oder Erkrankungen aus dem Autismusspektrum.

Die Ausbildung wird vom Fonds Soziales Wien in Kooperation mit dem AMS Wien finanziert. Im Rahmen der überbetrieblichen inklusiven Berufsausbildung bietet wienwork verlängerte Lehren oder Teilqualifikationen an. „Wir haben die Chance, viel auszuprobieren“, erzählt Jeremy. Er fühlt sich hier ernst genommen.

Teamwork in der Backstube

Auch Mitar hat seinen Platz in der Backstube gefunden. Mit sicherem Griff taucht er einen großen Stabmixer in einen Bottich flüssiger Schokolade und zieht ihn gleichmäßig durch die Masse, bis die Glasur glänzt. „Meistens backe ich Brot und Gebäck. Salzstangen, Zöpfe, ganz verschieden. Aber Schokoglasur machen ist auch cool“, sagt er lachend. Backen liegt Mitar quasi in den Genen. In seiner Familie wird fast jeder aktiv in der Küche.

Den Alltag bei wienwork findet Mitar abwechslungsreich. „Wir geben uns immer auch gegenseitig Tipps, etwa beim Glasieren oder beim Karamellmachen“, erzählt Jeremy. „Manchmal kommt es zu Streit, weil wir müde sind. Aber grundsätzlich wird darauf geschaut, dass alle gleich behandelt werden.“

Prüfungsfieber

In wenigen Wochen ist es so weit. Die Lehrabschlussprüfung: zwei Torten, mehrere Desserts, vier Sorten Pralinen. Und das alles in sieben Stunden. Dazu müssen Rezeptmappen erstellt und Figuren modelliert werden. „Klingt stressig, aber wir fühlen uns vorbereitet“, sagt Jeremy selbstbewusst.

Und die Zukunft? „Vielleicht eine eigene kleine Konditorei. Wer weiß, in fünf Jahren kann alles passieren.“ Mitar gibt Jugendlichen, die noch nicht wissen, welchen Weg sie gehen wollen, einen Tipp: „Macht das, was euch gefällt. Folgt eurer Leidenschaft. Und wenn es mit den Noten nicht passt, lieber noch ein Jahr wiederholen.“

Mehr als eine Ausbildung

Für Jeremy und Mitar ist wienwork ein Ausbildungsplatz, der ihnen Sicherheit gibt und Türen öffnet. „Ich habe viel gelernt, und auch wenn es manchmal anstrengend ist, macht es Spaß“, fasst Mitar zusammen. In der Großküche lernen die beiden nicht nur handwerkliche Techniken, sondern auch im Team zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen und an sich selbst zu glauben.

Und während Jeremy den goldbraunen Strudel vorsichtig aus dem Ofen hebt und Mitar die  Schokoglasur gleichmäßig verteilt, wird deutlich: In dieser Backstube entstehen nicht nur süße Köstlichkeiten, sondern auch Mut, Selbstvertrauen und handfeste Zukunftsperspektiven.

Text: Katrin Kastenmeier