Wo der Wald die Stadt atmen lässt
Ein Arbeitsbesuch bei Revierleiter Günter Walzer in der Lobau, einem der Wiener Schutzschilder gegen die Klimakrise.
Steigt’s ein“, sagt Günter Walzer und winkt uns zu seinem weißen Pickup. Kariertes Hemd, festes Schuhwerk, fester Händedruck. „Ich zeig euch was.“ Mit was ist sein Revier gemeint. Rund 3.300 Hektar groß und grün ist die ganze Lobau. Der Förster und Jäger der Stadt Wien kennt seinen Arbeitsplatz wie seine Westentasche. „Ich könnt mit verbundenen Augen durchmarschieren – aber ich tu’s lieber mit offenen, ab und zu springt schon mal ein Wildschwein vorbei“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
Klimaschutz beginnt im Wald
Die Lobau, Teil des Nationalparks Donau-Auen, ist mehr als nur ein Naherholungsgebiet. Sie ist Trinkwasserreserve, CO₂-Speicher, Lebensraum, Kühlkammer und Rückzugsort für eine zunehmend überhitzte Stadt. Und sie ist ein Paradebeispiel für klimafitte Forstwirtschaft.
„Große Bäume, kein Kahlschlag, heimische Arten – das ist die Formel“, erklärt Günter. In seinem Revier wachsen klimastabile Bäume, die mit gelegentlichem Hochwasser und weniger Regen zurechtkommen. Totholz bleibt bewusst liegen: Es speichert Feuchtigkeit, fördert das Mikroklima und gibt unzähligen Tieren und Pflanzen ein Zuhause.
Müll und Menschenmassen
Wien ist eine der wenigen Großstädte weltweit mit einem Nationalpark direkt im Stadtgebiet. Mehr Erholungsflächen bedeutet gleichzeitig aber auch mehr Menschen. „Bis zu 35.000 an einem Feiertag“, weiß Günter. Für den Wald und seine Wildtiere wird das zur Belastungsprobe. „Eigentlich bin ich Förster, kein Müllsammler“, sagt Günter und schüttelt den Kopf, während er einen Kaffeebecher aus dem Gras fischt. In den vergangenen Jahren sei das Mistproblem explodiert.
Ein Arbeitsplatz wie kein anderer
Was er lieber macht: Noch vor Sonnenaufgang auf den Hochstand kraxeln. „Wenn die Silberpappel zu rauschen beginnt und ich einen Biber durchs Wasser ziehen seh, ist die Welt für mich in Ordnung“, schwärmt Günter. Aber nicht alles am Arbeitstag ist so harmonisch.
Insgesamt 86 Kilometer Weg hat er für Sicherungsschnitte zu überprüfen, muss mit Hebebühne und Lkw anrücken, verirrte Spaziergänger:innen suchen oder das Entschärfungskommando alarmieren, wenn wieder einmal ein Bombenblindgänger aus dem 2. Weltkrieg gefunden wurde.
Klimabildung statt Klimapanik
Der Forstbetrieb der Stadt Wien hat längst erkannt, dass Aufklärung ein zentrales Instrument des Klimaschutzes ist. In den Waldschulen und bei Exkursionen vermittelt das Team rund um Günter ökologisches Wissen. Seit 1997 erlebt er die Entwicklung selbst mit – vom Schulbesuch mit Tierpräparaten bis zur heutigen digitalisierten Wildbeobachtung per App. Obwohl in der Unteren Lobau die Gewässerflächen rasant schwinden, ist Günter kein Pessimist, wie er sagt. „Die Natur wird sich’s schon richten. Der Wald denkt langfristig, ganz im Gegensatz zur Politik.“
Für ihn steht fest: „Es gibt keine zweite Stadt wie Wien mit einem solchen Naherholungsgebiet – wir müssen es schützen.“ Auch wenn sich die Klimakrise nicht allein im Wald lösen lässt – ohne den Wald geht es ganz sicher nicht. Günters Appell: „Geht’s raus, schaut’s euch an, was es zu schützen gilt. Redet’s mit, mischt’s euch ein. Ob in der Arbeit, im Grätzl oder bei der nächsten Wahl.“
Denn für eine Stadt, die klimagerecht wachsen will, ist der Wald kein Luxus, sondern lebensnotwendig.