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Wir wollen euch

Das Wiener "TierQuarTier" ist das modernste Tierheim Europas. Mehr als 1.000 Hunde und Katzen wurden schon vermittelt. Nur "Jack" sucht noch einen Platz.

An Cersei kann sich Tierpflegerin Andrea Hammer noch gut erinnern. Als sie das Kätzchen hochhob, um es ihren neuen Besitzern zu geben, blinzelte der Stubentiger noch kurz und schleckte sie dann mit ihrer rauen Zunge ein paarmal an der Wange ab. Andrea Hammer: „Ich glaube, sie wollte damit Danke sagen. Sie ist danach auch ganz brav in den Katzenkorb hinein. Ein schöner Moment.“

Beste Luft, picobello sauber

Cersei ist eines von mehr als 1.000 Tieren, die das erst im März 2015 eröffnete „TierQuarTier“ bereits erfolgreich vermittelt hat. Das neue Tierschutz-Kompetenz-Zentrum der Stadt Wien spielt so ziemlich alle Stückeln, die ein modernes Tierheim nur spielen kann. In dem rund 9.700 Quadratmeter großen Bau ist alles hell, picobello sauber, aus besten Materialien und dank hochmoderner Belüftung riecht’s angenehmer als in so manchem Bahnhof-Warteraum. Rund 45 Mitarbeiter kümmern sich um jene Hunde, Katzen und Kleintiere, die in Wien ausgesetzt oder abgenommen werden.

Marcel fiel aus dem Fenster

Und da sind schlimme Schicksale dabei. So wie das vom kleinen hellbraunen Chuck. Der Hund wurde ausgesetzt, weil er am Rücken einen Tumor und immer wieder Schmerzen hat. Oder das von Riesenkaninchen Peppo. Er wurde seinem Besitzer abgenommen, weil er mit seiner Familie in einem Freigehege bei starker Sonnenstrahlung ohne Wasser gehalten wurde. Oder das von Marcel. Der schwarze Perser fiel vermutlich aus dem Fenster – seinem Besitzer war’s egal.

Zuerst Formular, dann Gespräch

„Natürlich gehen solche Schicksale nahe“, sagt Alexandra Leitold, Betriebsleiterin und selbst Hundebesitzerin. „Aber wir tun alle unser Bestes, damit die Tiere wieder gesund werden und ein schönes neues Zuhause bekommen.“

So werden die Tiere auch nicht einfach so vergeben. Zuerst müssen Interessierte ein Formular ausfüllen, dann werden sie zum persönlichen Gespräch gebeten. Lisa Erhart, Leiterin der Vergabe: „Da wird gemeinsam besprochen, ob zum Beispiel ein Hund auch wirklich das Richtige ist.“

Vorauswahl mit Computer

Haben die Mitarbeiterinnen einen guten Eindruck, geht’s ans tatsächliche Aussuchen. Wobei zuerst im Computer vorsortiert wird. Lisa Erhart: „Wir wollen die Tiere so wenig wie möglich stören, deshalb treffen wir eine Vorauswahl. Erst dann gehen wir in den Bereich, wo die Tiere kennengelernt werden können. In aller Ruhe und mit viel Zeit.“

„Jack“ sucht schon lange

Zum Beispiel den fünfjährigen Pitbull-Terrier-Mischling „Jack“. Er wird von Tierpflegerin Pamela Meinl in einen kleinen, eingezäunten Außenbereich geführt. Intern hat er die Nummer 299. Ein Hinweis darauf, dass er schon sehr lange ein neues Zuhause sucht. Pamela Meinl: „Wir können alle nicht verstehen, warum er noch keinen Platz hat. Jack ist ein sehr menschenbezogener und freundlicher Hund, der für sein Leben gern kuschelt. Er braucht nur sehr viel Aufmerksamkeit und Zeit.“ Vielleicht liegt’s an der Farbe des Fells. Denn scheinbar sind dünklere Hunde weniger beliebt als helle. Das ist Pamela Meinl auch schon privat aufgefallen: „Ich hatte zuerst einen schwarzen, dann einen weißen Hund. Vor dem schwarzen hielten die Menschen irgendwie mehr Abstand. Dabei waren beide Hunde gleich lieb.“

Wahl zwischen Sonne und Schatten

Nach dem reichlichen Auslauf wird „Jack“ wieder in seinen Zwinger gebracht. Wobei dafür eigentlich ein neues Wort erfunden werden sollte. Denn im „TierQuarTier“ hat kein Tier Platzmangel. So hat jeder Hundekäfig auch einen Außenkäfig, der zur Hälfte mit Holzdach und zur Hälfte mit durchsichtigen Stegplatten überdacht ist. Damit sind die Hunde wettergeschützt, können aber zwischen Schatten und Sonne wählen. Beheizt wird mittels Fußbodenheizung.

Schlechte Weihnachtsgeschenke

Die Auslastung des „TierQuarTier“ beträgt zur Zeit 65 Prozent. Über einen möglichen sprunghaften Anstieg zu Weihnachten macht man sich keine so großen Gedanken. Betriebsleiterin Alexandra Leitold: „Das TierQuarTier Wien hat mit der Weihnachts- und Nach-Weihnachtszeit noch keine Erfahrungswerte. Wie auch viele andere Tierheime raten wir von unüberlegten Spontankäufen bei Tieren als Weihnachtsgeschenk ab.“

Eine Nacht Bedenkzeit

Aber zurück zum Pitbull-Terrier- Mischling „Jack“. Wer ihn haben möchte und auch alle Vergabekriterien erfüllt, kann ihn nicht gleich mir nichts, dir nichts mitnehmen. Vergabe-Leiterin Lisa Erhart: „Bei Hunden und Katzen bitten wir generell darum, mindestens noch einmal eine Nacht über die Mitnahme zu schlafen. Wir wollen einfach ganz sicher gehen, dass da alles passt. Nur die Kleintiere, wie Meerschweinchen oder Kaninchen, können gleich mitgenommen werden.“

 

aus: younited Winter 2015