Wir kennen uns da aus
Gemeindebedienstete sind Experten in ihren Jobs. Auch dort, wo es so richtig kompliziert wird. Wie bei der Sicherheitskontrolle der großen Benzin- und Dieseltanks der Mineralölfirmen.
Es ist ein kleines Paradies, das Naherholungsgebiet Lobau in Wien. Hier leben Sumpfschildkröten, Kormorane und Graureiher. Wenn die Sonne scheint, ähnelt alles ein wenig den Mangroven.
Hier geht auch Günter Landerl gerne in seiner Freizeit spazieren. Nur so richtig entspannen kann er dabei nicht. Denn immer wieder blinzelt ein Teil seiner Arbeit hervor. Entweder silber glänzende Rohre oder hohe Gebäude, die wie überdimensionierte halbe Schwedenbomben wirken.
Besser kennt sich kaum wer aus
Günter Landerl ist von Amtswegen dafür zuständig, dass in diesen großen Behältern der OMV und anderer Ölfirmen, die gleich am Rand des Naturschutzgebietes stehen, alles sicher ist. Dass das kein Job ist, der mal so nebenbei erlernt werden kann, zeigt schon die Ausbildung des Mitarbeiters der Wiener Magistratsabteilung 36. Zuerst das Studium der technischen Physik und dann viele Jahre Weiterbildung und praktische Erfahrung rund um Gefahrenstoffe.
Wie kompliziert alles ist, zeigt sich auch bei den Bescheiden. Will eine Firma berufen, gibt’s massive Schwierigkeiten jemanden zu finden, der sich auch nur annähernd so gut auskennt.
Kleine Radaranlage am Dach
Vielleicht ist das auch ein Grund, warum bisher noch nie berufen wurde. Landerl: „Es liegt aber auch daran, dass wir an einer Zusammenarbeit mit den Unternehmen interessiert sind. Sicherheit und Wirtschaftlichkeit muss nicht immer ein Widerspruch sein.“
So gab’s eine Auflage, dass die großen Behälter besser abgedichtet werden müssen, da relativ viel verdampfte. Das brachte weniger Geruchsbelästigung, eine sauberere Umwelt und dem Unternehmen längerfristig weniger Verluste. Übrigens: Die Füllstände bei einigen der großen Behälter werden mittels kleiner Radaranlagen am Dach gemessen. Irgendwelche Anzeigen mit großen Zeigern hängen nur noch zur Zierde beziehungsweise aus nostalgischen Gründen an den Behältern.
„Ich bin die einzige Konstante“
Günter Landerl: „Es gibt einfach enorme Entwicklungen. Auch was die Mitarbeiter und Strukturen der Mineralölfirmen betrifft. Ich bin irgendwie die einzige Konstante.“
So kennt Landerl Details über die Anlagen, für die so mancher neue Besitzer sehr lange in den Plänen suchen müsste.
Der Gemeindebedienstete: „Ich habe auch schon etliche Jobangebote aus der Privatwirtschaft erhalten, aber immer abgelehnt. Ich liebe einfach, was ich tue.“
Außerdem ist ihm die Geschichte eines Freundes eine Lehre. Der ging in die Privatwirtschaft und war viele Jahre gut bezahlter Technikchef in einem Mineralölkonzern. Aber als dort wieder einmal umstrukturiert und eingespart wurde, war der Job plötzlich weg. Er sucht noch heute eine neue Stelle.
Vorräte für 90 Tage
Günter Landerl kontrolliert auch mindestens einmal im Jahr die Firma ELG in der Lobau. Sie ist eine der zentralen Bevorratungsstellen der Republik Österreich und kümmert sich mit darum, dass genügend Treibstoff gelagert ist, um 90 Tage ohne irgendwelche Importe auszukommen. Das Lager in der Lobau ist nur eines von mehreren. Einen ähnlichen Standort gibt es zum Beispiel im steirischen Lannach.
Befüllt sind viele Tanks allerdings nicht mit Benzin oder Diesel, sondern mit Gasöl, einer Vorstufe von Diesel beziehungsweise Heizöl. Denn die fertigen Treibstoffe würden einfach nicht so lange halten. Günter Landerl: „Es gibt so etwas wie ein Ablaufdatum. Viele wissen auch nicht, dass es sowohl bei Diesel als auch bei Benzin verschiedene Arten gibt – angepasst an die Jahreszeiten.“
Wer’s genau wissen will: Der Winterdiesel wird mit Zusatzstoffen versehen, die das Ausflocken von Paraffinen bei niedrigeren Temperaturen reduzieren. Ohne würden sich Kristalle bilden, die die Leitungen verstopfen. Auch beim Benzin wird jahreszeitengemäß der Dampfdruck erhöht beziehungsweise gesenkt.
Genug mit Technik und Chemie
Günter Landerl könnte alles noch sehr viel ausführlicher erklären, uns reicht allerdings die Erkenntnis, dass der Treibstoff nicht einfach so aus der Zapfsäule kommt und dahinter jede Menge Know-how steckt.
Aber wie schaut es eigentlich mit der Sicherheit bei Naturkatastrophen aus? Halten die Lagertürme alles aus? Ist die Lobau nicht ein Hochwassergebiet? Landerl: „Das Hochwasser bringt für die Behälter keine unmittelbare Gefahr, sie wurden auch schon öfter überschwemmt. Man muss nur aufpassen, dass sie die erforderliche Mindestfüllmenge aufweisen, sonst würden sie vom Wasser mitgerissen.“
Erdbeben stellen auch kein allzu großes Risiko dar, da das bei der Konstruktion mitbedacht wurde. Gegen Feuer muss schon mehr aufgeboten werden. Einerseits gibt es eine Betriebsfeuerwehr, andererseits sind die Behälter mit einem Lösch- und einem Kühlsystem ausgestattet. Würde tatsächlich einer in Brand geraten, ist zumindest eine Kettenreaktion ausgeschlossen.
Gegen Terror gewappnet
Auch eventuelle Terrorangriffe sind eher chancen- beziehungsweise wirkungslos. Erstens gibt es Wachpersonal, und zweitens müssten sich die Terroristen schon sehr gut auskennen, um die Türme überhaupt zu beschädigen. Denn die gelagerten Flüssigkeiten sind nur schwer entflammbar. Auch Angriffe aus dem Internet sind praktisch unmöglich. Denn die Anlagen erhalten keine Genehmigung, dass sie ferngesteuert werden könnten.
Auch ein tagelanger Stromausfall ist kein großes Problem, da bei Energieausfall sämtliche Armaturen einfach geschlossen werden. Günter Landerl: „Sicherheit hat immer Vorrang.“
aus: younited Frühling 2016