Richtig Wählen
Im heurigen Superwahljahr müssen wir viele Entscheidungen treffen. Ein Psychotherapeut hat Tipps dazu
Von der Planung des Abendessens bis zur Partnerwahl – das Leben steckt voller Entscheidungen. Einige davon fallen leicht, andere nicht. Wenn’s politisch wird, ist die Wahl aber oft besonders schwierig. Zur grundsätzlichen politischen Einstellung mischen sich oft viele Emotionen; Enttäuschungen und Wut genauso wie Hoffnungen. Das mehr oder weniger vorhandene Charisma der Spitzenkandidatin oder des Spitzenkandidaten kommt dann noch hinzu.
Oft sagt der Kopf also A und der Bauch vor lauter Wut sagt B. Also was tun? Wie kommen wir zu der richtigen Entscheidung am Wahlzettel? „Oft glauben wir, es gibt nur zwei verschiedene Arten von Entscheidungen, also zwei Kategorien, nämlich richtig und falsch. Und das ist der erste Fehler, die gibt es nämlich nicht“, so Christian Asperger, systemischer Psychotherapeut, Familienund Paartherapeut und Coach aus Wien.
Wichtig bei der Entscheidungsfindung ist, sich die unterschiedlichen Bedürfnisse, die man in sich spürt, klar zu benennen. Indem man versucht, den Ursprung beider Positionen zu verstehen, entsteht ein innerer Dialog. Daraus kann sich ein Lösungsraum entwickeln. „Ein guter Punkt ist immer zu versuchen, statt einer Entweder-oder-Logik in eine Sowohl-als-auch-Logik zu kommen“, rät Asperger.
In der Wahlkabine sollte das Kreuz aber idealerweise nur bei einer Partei gesetzt werden. Nun kann es vorkommen, dass man einzelnen Parteien in bestimmten Punkten zustimmt, andere wiederum ablehnt. Statt hier bloß die Partei zu finden, mit der man in den meisten Anliegen übereinstimmt, rät der Psychotherapeut, sich selbst einen Fokus zu setzen. Eine mögliche Strategie ist es, die politischen Inhalte nach ihrer Wichtigkeit zu reihen.
Dabei ist aber auch Grundsätzliches gefragt. In welcher Gesellschaft will ich leben? In einer Welt des Miteinanders? Oder in einer Welt, in der die Starken über die Schwachen herrschen? In einer Welt mit Gerechtigkeit? Oder in einer Welt, in der es sich einige richten können? Den Vorteil unseres Wahlsystems sieht der Therapeut darin, dass man alle paar Jahre eine neue Entscheidung treffen kann. „Auch im schlimmsten Fall muss man seine Entscheidung nur eine gewisse Zeit aushalten“, so Asperger. Ist man von einer Partei enttäuscht, kann man sich dazu entschließen, sein Kreuzchen in Zukunft bei jemand anderem zu setzen.
Allerdings nur, wenn das demokratische System aufrechterhalten wird.
Christian Asperger
Psychotherapeut (mit Therapiehündin "Kaja")
Text: Nico Reiter