Nach der Arbeit ab zum Training
Auch am Wiener Zentralfriedhof gibt’s Frauenpower. Und wie.
Was früher als unvorstellbar galt, ist heute längst normal. Bereits fünf Frauen sind als Friedhofsarbeiterinnen am Zentralfriedhof im Einsatz. Sie betreuen ein Areal in einer Größe von mehr als zwei Quadratkilometern. Eine von ihnen ist Jacqueline Deniz.
Die 25-Jährige ist seit Anfang 2021 in einer der größten Friedhofsanlagen Europas unterwegs. Von Montag bis Freitag, 7 bis 15 Uhr, ist sie am Hecken schneiden, sicheln, Schnee und Eis räumen, Laub einsammeln oder am Roden. Ab und zu kommt auch am Samstag ein Dienst dazu. „Langweilig wird mir nie, weil die Natur schläft nicht“, meint Jacqueline. Sie arbeitet gerne an der frischen Luft.
Als Totengräberin begonnen
Begonnen hat Jacqueline Deniz allerdings als Totengräberin am Südwestfriedhof. „Davor war ich eineinhalb Jahre im Verkauf, aber das ging gar nicht. Der Job war absolut nichts für mich“, erinnert sie sich.
Zu ihrer Stelle bei den Wiener Friedhöfen ist sie durch ihre Freundin gekommen: „Sie hat selber bei der Bestattung gearbeitet, damals als einzige Frau, und hat mich darauf aufmerksam gemacht.“
Viel Leben am Friedhof
Dass Jacqueline ständig von Toten umgeben ist, stört sie nicht im Geringsten. Sie sieht das eher gelassen, „weil Arbeitsplatz ist Arbeitsplatz“.
Außerdem gibt es am Friedhof auch viel Leben. So sieht sie jeden Tag aufs Neue viele Tiere. „Die Rehe laufen quer durch das Areal, genauso wie Hasen, Füchse oder Feldhamster.“ Es gibt am Zentralfriedhof auch ein Biotop mit Schilfgürtel, zwei große Schmetterlingswiesen, die im Sommer abwechselnd nicht gemäht werden, einen begrünten, felsigen Hügel sowie sorgsam ausgesuchte Bäume und Sträucher.
Das braucht natürlich das ganze Jahr über Pflege. Egal welche Witterung gerade herrscht. „Besonders die Hitze macht einen schon kaputt, und dieses Jahr war es echt besonders schlimm. Ich versuche dann halt viele Pausen zu machen und genug Wasser zu trinken. Wenn es mal richtig schüttet, dann stellen wir uns wo unter und warten ab, aber der Hitze kannst du irgendwie nicht entkommen“, erklärt sie.
Ihre Lieblingsaufgabe ist übrigens das Sicheln. „Boah das tu ich echt gerne, das ist das chilligste, weil du tust nur den Rasen schneiden und das war’s“, lächelt sie. Wobei sie da ordentlich untertreibt. Denn das Sicheln geht gewaltig in die Oberarme und ins Kreuz. Außerdem erfordert es Konzentration.
Im Winter meldet sich Jacqueline gerne zum Räumen von Eis und Schnee. Dann beginnt ihr Dienst aber schon zwischen 4 und 5 Uhr in der Früh. Dass sie dann im Stock-dunklen ganz allein am Friedhof unterwegs ist, macht Jacqueline auch gar nichts aus.
Nach der Arbeit zum Training
Körperlich anstrengend ist der Job auf jeden Fall jeden Tag. Das hält Jacqueline aber keineswegs davon ab, in ihrer Freizeit trainieren zu gehen. „Das brauche ich schon zum Ausgleich“, meint Jacqueline und erklärt auch, dass sie dadurch noch fitter für ihren beruflichen Alltag wird.
Welches weitere Berufsziel ansteht, ist noch unklar. „Ein richtiges Karriereziel habe ich nicht bzw. habe ich darüber noch nicht nachgedacht. Ich schaue eher, was die Zeit bringt“, sagt Jacqueline. Bei einer Sache ist sie sich sicher: Es braucht noch mehr Frauen als Friedhofsarbeiterinnen! „Ich bin schon stolz darauf, dass ich hier bin und auch ein Zeichen setze.“
Bei einem ganz besonderen Platz am Zentralfriedhof schaut Jacqueline regelmäßig vorbei: dem Grab ihrer Mutter. Sie wäre sicher sehr stolz auf Jacqueline.