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Kollegin Mama

Julia und Brigitte Kreuz sind im Kindergarten Kolleginnen, zu Hause Tochter und Mutter.

Eigentlich ein alltägliches Bild im Kindergarten: Eine Mutter, die ihre Tochter zwischen Mitmach-Büchern, bunten Laufrädern und vielen anderen roten Kinderbacken abholt. In diesem Fall ist das Kind aber die stellvertretende Leiterin des Hauses und auch ihre Mutter ist in der Elementarpädagogik tätig. „Was Julia, du hast auch eine Mama?“, kommt es da oft ungläubig aus der Kleinkindergruppe, wenn Brigitte Kreuz in der Tür steht, erzählt Tochter Julia amüsiert. Aktuell hat sie als Vertretung die Leitungsrolle eines städtischen Kindergartens in Simmering inne - 65 Kinder werden hier betreut.

„Eigentlich wollte ich nach der Schule alles machen, nur nicht das, was meine Mama macht“, sagt Julia auf die Frage, wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorgestellt hat und schaut dabei ernst. „Aber jetzt sitze ich hier und bin unglaublich froh darüber“, lacht die 25-Jährige und zeigt auf ihren quietschgrünen Arbeitsplatz mit selbstgebasteltem Jahreskreis. In dem aufgeräumten Büro ist es ruhig, der brausende Kindergartenalltag bleibt für einen kurzen Moment vor der Tür.

„Wir sind uns sehr ähnlich“

Am Tisch neben ihr sitzt Mutter und Kollegin Brigitte. Wobei, direkte Kolleginnen sind die beiden seit vergangenem Jahr nicht mehr. Bis 2024 leitete Brigitte ebenfalls einen Standort, jetzt ist sie als Regionalleiterin für insgesamt 23 Kindergärten der Stadt Wien zuständig. Vorgesetzte von Julia ist sie dadurch aber nicht.

Auf die Frage warum, grinst die 52-Jährige: „Das würde nicht gutgehen.“ „Wir sind uns sehr ähnlich“, ergänzt Julia, „das sagen alle um uns herum.“ Da kann es auch mal vorkommen, dass es zwischen den beiden kracht. Aber das sind seltene Ausnahmen. „Wir sind wirklich eng miteinander, tauschen uns täglich aus und wohnen sogar nur eine Stiege voneinander entfernt“, erzählt Brigitte.

Ob da Arbeitsthemen auch mal mit in den Feierabend genommen werden? „Wir versuchen es nicht zu tun, aber klar, es kommt schon vor“, sagt Brigitte. „Spätestens, wenn wir von unseren Männern daheim zu hören bekommen: Mensch, nicht schon wieder die Arbeit, ist uns klar – Wochenende muss Erholung und Freizeit bedeuten.“

Vorsatz: Bedürfnisorientierung

An Julias Standort gibt es eine Kleinkindergruppe und zwei Gruppen mit Kindern zwischen drei und sechs Jahren. Rund 19 Pädagog:innen und Assistent:innen betreuen die Kids von Montag bis Freitag. Wie so ein Tag mit den Kindern aussieht, kann man nicht immer vorausplanen. „Es kommt auf die Dynamik der Gruppe an, manchmal ist es sinnvoll, einen ganzen Vormittag einen Ausflug in den Prater zu machen und an der Luft zu sein, manchmal tut es den Kindern gut, wenn man sie in ihren Bedürfnissen begleitet und gemeinsam ein Buch anschaut", weiß Julia.

Diese Flexibilität, auf Bedürfnisse individuell eingehen zu können, ist nicht seit jeher selbstverständlich. Brigitte ist seit 33 Jahren im Elementarpädagogikbereich tätig und bestätigt, dass sich in der MA 10 einiges geändert hat. „Man geht immer stärker weg von der Angebotspädagogik hin zur Bedürfnisorientierung.“ Das sei auch gut, denn „die Kinder sind nicht die gleichen wie vor 30 Jahren“, sagt Brigitte. „Wir als Leitungen unterstützen, dass Kinder freiwillig das machen können, was sie gerade wollen und brauchen.“

Herausforderungen gemeinsam stemmen

„Und deshalb ist es so wichtig, dass junge Leute nachkommen, die haben einfach einen anderen Blickwinkel auf Pädagogik und hinterfragen bestehende Strukturen“, lobt Brigitte. Die Wärme, die sie in sich spürt, als sie ihre Tochter bei der Arbeit beschreibt, ist unübersehbar. Da kann sie es auch nicht verhindern, dass ihre Augen kurz etwas feucht werden, als sie darüber spricht, was sie an ihrer Tochter schätzt. „Sie ist so organisiert, liebevoll und hat noch diesen jugendlichen Leichtsinn, der der Pädagogik wahnsinnig guttut. Ich bin so stolz, dass sie in meine Fußstapfen getreten ist“, sagt Brigitte.

Aber es ist nicht nur der Stolz, der sie erfüllt. Auch das Verständnis füreinander im Arbeitsumfeld, das tief geht. „Wenn ich anderen von einem harten Tag in der Arbeit erzähle, muss ich oft groß ausholen oder drumrumerklären“, erzählt Julia. „Meine Mama weiß dafür immer gleich, was ich meine, sie hat das alles ja schon mal selbst erlebt.“

Und dass nicht immer alles spaßig ist im Kindergarten, wird vor allem im organisatorischen Bereich deutlich. Laut den beiden ist die größte Herausforderung der Fachkräftemangel. „Das ist kein neues Thema und da sind unsere Standorte keine Ausnahme“, fügt Julia hinzu. „Wir brauchen einfach mehr Unterstützung vor Ort.“ Für diese Forderungen sind die beiden auch zusammen auf der Straße und bei Demos laut.

Kinderbetreuung ist Kinderbildung

Was in die Bildung von kleinen Kindern gesteckt wird, bekommt die Gesellschaft vielfach zurück, das kann man in Zahlen messen. Die Knausrigkeit der Politik in der Finanzierung der Elementarpädagogik steht dem aber oft im Weg. Neben mehr Fachkräften wünschen sich Julia und Brigitte außerdem mehr Wertschätzung. „Der Kindergarten ist in unserem Bildungssystem der wichtigste Baustein überhaupt, wir formen die Zukunft der Kids mit.“

Das helfe den beiden auch, immer wieder motiviert in die Arbeit zu gehen. Brigitte ist sich sicher: „Ich würde den Beruf immer wieder wählen.“ Und freut sich, dass sie in ihrer Tochter eine kompetente Kollegin an ihrer Seite hat, die diese Leidenschaft teilt.

younion-Forderungen: Turbo für die Elementarbildung

  • Multiprofessionelle Teams
  • Kleinere Gruppen und mehr Personal
  • Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels
  • Mehr Mittel für Gemeinden für bessere Rahmenbedingungen
  • Entlastung durch administratives und unterstützendes Personal
  • Sofortige Ausbildungsinitiative als Maßnahme gegen Personalmangel
  • Gute Arbeitsbedingungen für alle durch ein einheitliches Bundesrahmengesetz
  • Bundesweit einheitliche Bezeichnung und Ausbildungsstandards von Assistent:innen

Text: Katrin Kastenmeier