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Druck auf Jugendliche ist sehr groß

Paul Plener, Psychiater am AKH Wien und Universitätsprofessor an der Medizinischen Universität Wien, zur Frage, warum junge Menschen psychisch so stark unter der Corona-Situation leiden.

Herr Plener, wie sehr ist die Jugend von Corona psychisch belastet worden?

Paul Plener: Wir haben valide Daten, um das beschreiben zu können; nicht nur aus Österreich, sondern weltweit. Man kann sehr gut daraus ablesen, dass die psychischen Belastungen bei den 15- bis 25-Jährigen am deutlichsten imponieren. Das ist ein durchgängiges Bild, das sich weltweit – und auch in Österreich – zeichnen lässt.

Sind die psychischen Erkrankungen in den vergangenen 1,5 Jahren allgemein gestiegen?

Plener: Die Belastungen sind über die Altersgruppen hinweg insgesamt gestiegen, vor allem in den Bereichen Depression und Angsterkrankungen. Wir haben aber den deutlichsten Effekt im Bereich der 15- bis 25-Jährigen. Dort sind Depressionen, Angststörungen, Essstörungen, aber auch Schlafstörungen sehr präsent.

Warum trifft es gerade diese Altersgruppe?

Plener: Es gab sehr viele Eingriffe in den Alltag. Stichwort: Home Schooling, Distance Learning. Man hat die Schulen – vor allem die Oberstufen – lange geschlossen gehalten. Und es gab natürlich das Gebot der sozialen Kontakteinschränkung. Und wir haben da eine Entwicklungsphase, wo es eigentlich ein Entwicklungsziel ist, sich heraus aus der Familie zu bewegen und viel Kontakt zu Gleichaltrigen zu haben, um sich mit den Peers auszutauschen. Und da ist es für mich verständlich, aufgrund der sozialen Einschränkungen, warum gerade diese Altersgruppe hier besonders starke Effekte zeigt.

Die sozialen Einschränkungen sind für Sie die Hauptursache?

Plener: Ja, der Mangel an sozialen Kontakten hat viel dazu beigetragen, dass man nicht über Probleme reden konnte. Man will in dieser Altersgruppe nicht alles mit den Eltern ausmachen, man will sich nach draußen bewegen und da hat es sich gespießt.

Psychische Folgen durch Corona betreffen auch Lehrlinge. Wie sieht es dort aus?

Plener: Die Lehrlinge hat man ein wenig übersehen. Hier sind wir gerade an einer Studie mit der Donauuniversität Krems dran. Auch Lehrlinge scheinen stark betroffen zu sein. Und es kommt hinzu, dass wir nur über Schulschließungen reden. Aber gerade in Lehrberufen – je nach dem wie groß der jeweilige Betrieb ist – konnten die Lehrlinge ganz lange nicht ihre Ausbildungszeiten wahrnehmen und waren da auch ein Stück weit auf sich gestellt.

Auf welche Veränderungen sollten Eltern achten und was sollen sie tun?

Plener: Der Hauptfokus liegt darauf zu achten, ob sich etwas verschoben hat. Das ist häufig ein schleichender Prozess. Die Eltern können aber etwa die Schlafqualität ganz gut einschätzen. Und dann stellt sich auch die Frage, ob die Kinder noch raus gehen, Freunde treffen oder den Kontakt zu anderen suchen. Es geht also um Abweichungen zur Zeit vor Corona. Und wenn man diese sieht, dann muss man sich das genau anschauen, es ansprechen und für Hilfe sorgen. Eine Pandemie-assoziierte Belastung kann sich womöglich nach Ende einer Quarantäne wieder von allein bessern. Hier liegen Erfahrungswerte vor, dass sich sechs Monate nach Quarantäne-Ende in früheren Epidemien wieder Stabilisierungen in der Psyche einstellen. Präsente Angststörungen oder Depressionen haben aber meistens die Dynamik, dass sie nicht einfach so besser werden.