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„Jede Stimme zählt!“

Seit Ende Jänner wird in der Arbeiterkammer gewählt. Wir baten AK-Präsidentin Renate Anderl zum Interview.

younited: Die vergangenen Jahre waren für viele Menschen hart: Corona, Teuerungen, Kriege, Hitzesommer. Wie kann man den Menschen wieder eine optimistische Sicht auf die Zukunft geben?

Ich verstehe, dass das schwierig ist, aber ich bin grundsätzlich ein optimistischer Mensch. Heuer stehen einige Wahlen an – AK-Wahlen, EU, Nationalrat – da hat man es schon auch in der Hand, welche Kräfte man stärkt und wie sich die Politik dann gestaltet. Und als AK-Präsidentin kann ich allen versprechen, dass ich mich gemeinsam mit den Gewerkschaften auch weiterhin unermüdlich dafür einsetzen werde, dass das Leben der Vielen besser wird. Das heißt konkret: Wir fordern ein gerechtes Steuersystem, zu dem die Reichen weit mehr beitragen als derzeit. Es ist doch ein Witz, dass rund 80 Prozent aller Steuereinnahmen von Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen kommen, die Reichen tragen gerade mal 1,4 Prozent bei. Wenn wir das ändern, kommt viel Geld herein, mit dem der Staat sehr viel Gutes tun kann, von Armutsbekämpfung bis zu sozial gerechten Maßnahmen gegen die Klimakrise.

younited: Vielen Menschen machen auch die hohen Preissteigerungen in vielen Bereichen zu schaffen. Was ist dein Plan gegen diese Teuerungen?

Man müsste nur mal schauen, was andere Länder machen, die das viel besser in den Griff bekommen haben. Spanien, Portugal und andere haben frühzeitig eingegriffen, die Inflation ist gesunken, wir sind da immer noch im EU-Spitzenfeld, das ist ganz schlecht – für die Menschen und für die Wirtschaft, die Betriebe. Bei der österreichischen Bundesregierung fehlt mir der Blick auf die vielen Menschen, und mir fehlen Maßnahmen, die nachhaltig wirken. Die Einmalzahlungen waren eh nett, helfen aber nur ein Mal. Miete, Strom, Lebensmittel, das alles ist auch nach der Einmalzahlung noch viel zu teuer. Wir wollen einen Mietendeckel, das Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, Strom- und Gaspreisbremse – und dass die Regierung endlich auch die Reichen im Land in die Pflicht nimmt. Es ist so viel Geld da, der Reichtum ist aber völlig nutzlos, wenn davon nicht auch sozialstaatliche Leistungen finanziert werden.

younited: Das Gesundheitswesen ist ein großer Bereich, in dem viele Gemeindebedienstete arbeiten. Hier liegt vieles im Argen, hoher Druck, Personalmangel – was kann man tun?

Stimmt, hier ist viel zu tun. Gesundheit, Pflege, das sind so wichtige Bereiche, die jede und jeder von uns immer wieder braucht. Manche Bundesländer, darunter Wien, tun schon einiges dafür, damit die Pflegeberufe attraktiver werden. Wir haben als Arbeiterkammer Umfragen, wonach sehr viele aus den Pflegeberufen aussteigen wollen, weil der Druck zu hoch ist. Daher: Wir brauchen mehr Personal, damit der Druck sinkt. Auch das Einkommen ist natürlich ein Thema. Und auch hier vermisse ich Ernsthaftigkeit bei der Bundesregierung: Eine Pflegelehre, die nur wenige in Anspruch nehmen, oder Pfleger:innen aus asiatischen Ländern – das löst gar kein Problem.

younited: Ein anderes Thema, das gerade sehr diskutiert wird, ist die Lohnnebenkostensenkung. Das klingt doch auf den ersten Blick nicht schlecht?

Doch, das ist ganz, ganz schlecht, und ich finde, es ist ein gemeiner Trick: Da wird etwas, das ein Geschenk an die Unternehmen ist, als Entlastung für die Arbeitnehmer:innen verkauft. Worum geht es denn? Die Arbeitgeber:innen sparen Beiträge zu Sozialversicherung und anderem. Aber das Geld fehlt ja dann in der Arbeitslosenversicherung, im Gesundheitswesen, in den Gemeinden. Das böse Erwachen kommt dann beim nächsten Arztbesuch, den man bezahlen muss, für Familien fehlt dann Geld, und wer weiß, wie man dann bei Arbeitslosigkeit das Leben schaffen soll. Auch wie Gemeinden dann ihre Aufgaben finanzieren sollen, habe ich in dieser Diskussion noch nicht gehört. Wie gesagt, das ist eine ganz gemeine Täuschung, die den Vielen im Land gar nichts bringt.

younited: Seit Ende Jänner finden in ganz Österreich AK-Wahlen statt. Es gibt viele Gemeindebedienstete, die keine AK-Mitglieder sind. Wie erklärst du ihnen, warum die AK auch für sie wichtig ist?

Die Arbeiterkammer – und damit auch die Wahl – ist für alle Beschäftigten im Land ganz wichtig. Erstens natürlich für die rund 4 Millionen Mitglieder, die sich mit konkreten Fragen, Sorgen, Anliegen an uns wenden. Allein im Jahr 2022 waren das über 2 Millionen Beratungen, vom Arbeitsrecht über Konsument:innenschutz bis zu Pflegegeld- oder Bildungsberatung.

Ein zweiter, ganz wichtiger Bereich, ist unsere politische Arbeit. Wir haben den gesetzlichen Auftrag, die Interessen der Arbeitnehmer:innen zu vertreten. Das tun wir gegenüber der Politik, gegenüber Institutionen wie Sozialversicherungsträgern oder bei Behörden und auch innerhalb der Sozialpartnerschaft. Wenn wir zum Beispiel Gesetze begutachten oder Modernisierungen einfordern, dann nutzt das allen im Land, nicht nur AK-Mitgliedern. Wenn wir einen Mietendeckel verlangen, dann für alle Mietformen, auch das nutzt allen Menschen.

younited: Wie können Beschäftigte, die keine AK-Mitglieder sind, zur AK-Wahl beitragen?

Jede und jeder kann beitragen. Die AK ist die größte Interessenvertretung in Österreich und soll das auch in Zukunft bleiben. Daher zählt jede Stimme. Und auch wenn man selbst keine abgeben kann, kann man möglichst viele im eigenen Umfeld überzeugen, das zu tun. Und übrigens dürfen alle AK-Mitglieder ihre Vertretung wählen – ganz egal, welchen Pass sie haben.

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