„Solidarischster KV-Abschluss der letzten Jahre“
younited-Interview
Finanzminister Markus Marterbauer erklärt warum der Staat kein Geld mehr hat und warum es derzeit keine Erbschaftssteuer gibt.
younited: Wie schätzen Sie den Gehaltsabschluss für den Öffentlichen Dienst ein?
Mir ist ganz wichtig zu sagen, dass der Gehaltsabschluss im öffentlichen Dienst ein Erfolg für beide Seiten ist. Es gibt 3,3 Prozent Gehaltserhöhung für die öffentlich Bediensteten ab 1. Juli 2026. Fast keine andere Gruppe hat so einen starken Anstieg. Auch 2027 und 2028 kann sich der Abschluss sehen lassen. Das ist einer der innovativsten Abschlüsse, die es in letzter Zeit gab. Die Fixbeträge bei den unteren Einkommensgruppen, zum Beispiel bei den Berufseinsteiger:innen, sind dreimal so hoch, wie in den obersten Einkommensbereichen. Also so solidarisch habe ich eigentlich keinen anderen Kollektivvertragsabschluss in den letzten Jahren gesehen.
younited: Die Bediensteten in den Städten und Gemeinden haben durch den Gehaltsabschluss ihren Beitrag zur Budgetsanierung geleistet. Aber wie schaut es mit den Vermögenden aus?
Ich glaube nicht, dass es Gruppen gibt, die von der Budgetkonsolidierung gar nicht betroffen sind, weil wir eigentlich in allen Bereichen Maßnahmen setzen. Insbesondere auf der steuerlichen Seite erfassen wir auch obere Einkommensgruppen. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen, etwa höhere Stiftungssteuern oder Umwidmungsabgaben. Wir schließen auch Schlupflöcher, etwa bei der Vorsteuer von Luxusimmobilien. Also da kommen schon alle dran.
Es ist aber kein Geheimnis, dass wir grundsätzlich weiter gehen würden, auch mit einer Erbschaftssteuer. Das ist aber nicht im Regierungsübereinkommen vorgesehen. In der Bevölkerung gibt es eine Mehrheit dafür, aber nicht im Parlament und auch nicht in der Regierung. Also ist es unmittelbar nicht umsetzbar. Das heißt aber nicht, dass die Erbschaftssteuer nicht irgendwann kommen wird.
younited: Der Gehaltsabschluss dient auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen in den Gemeinden, denn die Hälfte der Kommunen ist pleite. Gibt es Pläne, um die Gemeinden finanziell zu stärken, etwa mit der Erhöhung der Grundsteuer?
Mir sind die Gemeindefinanzen ein großes Anliegen, weil in den Kommunen unmittelbare Leistungen für Bürgerinnen und Bürger erbracht werden. Wir haben von Bundesseite aber recht wenig Möglichkeiten, den Gemeinden direkt zu helfen. Das, was wir tun können, haben wir bereits getan. Wir haben mit 880 Millionen Euro die Gemeindeinvestitionen gestützt. Das ist ein großer Betrag, denke ich - und erheblicher Fortschritt. Ich glaube aber, dass man insbesondere die eigenen Einnahmen der Gemeinden erhöhen sollte. Das große Thema ist die Grundsteuer, überhaupt keine Frage. Das liegt aber primär nicht in Bundeshand. Der Gemeinde- und Städtebund sind da sehr darum bemüht.
younited: Wenn Sie jetzt Bürgermeister einer Gemeinde wären, die ihre Ausgaben nicht mehr decken kann - was würden Sie machen?
Ich würde die zehn Nachbarbürgermeisterinnen und Bürgermeister zusammenrufen und schauen, wie wir kooperieren könnten. Ich würde schauen, wie man zusammenarbeiten könnte und damit vielleicht auch Personalkosten sparen.
Ich habe letztens mit dem Bürgermeister einer Tiroler Gemeinde geredet, der sagt, sie kriegen gar niemanden mehr, der die Finanzen für sie erledigt. Für eine kleine Gemeinde mit 10 - 15 Stunden Arbeitsaufwand pro Woche. Die Leute gibt es gar nicht. Wenn ich das mit den zehn Nachbargemeinden gemeinsam mache, kann ich eine spezialisierte Fachkraft vollständig auslasten und es wird für alle billiger. Und die Leistungen werden besser. Das würde ich als Erstes machen. Das Zweite, ich würde sofort einen Brief an meine Landeshauptfrau bzw. Landeshauptmann schreiben und sagen, dass die Einnahmen erhöht werden müssten. Und den würde ich eben mit all meinen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Umfeld gemeinsam schreiben.
younited: Warum sollte ausgerechnet die Grundsteuer erhöht werden?
Die jetzige Grundsteuer basiert auf den Einheitswerten des Jahres 1973. Sie ist nur ein Mal erhöht worden, 1985 um 20 Prozent. Sie wurde also seit Jahrzehnten nicht an die Inflation angepasst. Das ist ein völlig ineffizientes und schlechtes System. Aber die Gemeinden müssen selbst dafür sorgen, dass es geändert wird. Das heißt, da muss Druck entstehen. Insbesondere muss man die Länder davon überzeugen, das ist politisch wichtig. Beschließen muss es dann aber der Nationalrat.
younited: Kann der Bund kein weiteres Geld geben? Schließlich wurden den Gemeinden immer mehr Aufgaben übertragen.
Wir haben auf Bundesebene auch kein Geld. Wir können nicht sagen, wir schütten Zusatzmittel an Gemeinden aus. Es gibt niemanden, der über den Gemeinden das Füllhorn ausschütten wird. Die Staatsfinanzen sind ziemlich aus dem Ruder gelaufen. Wir hätten ohne Budgetsanierungsmaßnahmen heuer ein Defizit von 6 % der Wirtschaftsleistung. Das geht auf Dauer nicht, weil uns die Zinsen auffressen und wir ins Visier der Finanzmärkte geraten - und wir außerdem die europäischen Regeln verletzen. Diese Regierung hat ein ganz schweres Erbe übernommen.
younited: Neben den Gemeindefinanzen ist auch die Inflation ein brennendes Thema. Gibt es Hoffnung, dass sie bald sinkt?
Wir tun alles dafür, dass die Inflation sinkt. Die Ergebnisse werden sich auch in wenigen Monaten zeigen. Es ist nicht so, dass einen Knopf gäbe, auf den drücken wir und dann sinkt die Inflation. Inflation entsteht dann, wenn Unternehmen Preise erhöhen. Es ist nicht der Staat, der für Inflation sorgt. Wir müssen in diese Preise eingreifen. Wir tun das bei den Mieten, mit einem sehr umfangreichen Programm. Wir bemühen uns auch um die Energiepreise. Wir haben bei den Lebensmittelpreisen eine Reihe von Maßnahmen bereits gesetzt und ich bin recht zuversichtlich, dass im nächsten Jahr die Inflationsrate keinen Vierer mehr vorne hat wie im Moment, sondern nur einen Zweier. Wenn sie nicht rasch genug in Richtung zwei Prozent sinkt, werden wir weitere Maßnahmen setzen.
younited: Wo bekommt eigentlich der Staat sein Geld her, wenn er neue Schulden aufnimmt?
Die Bundesfinanzierungsagentur legt Anleihen auf. Internationale Versicherungen und Banken kaufen sie dann. Aber auch Bürgerinnen und Bürger können diese Anleihen kaufen. Jede und jeder kann ein Bundesschatz-Konto eröffnen.
younited: Haben Sie ein Bundesschatzkonto?
Ja, sicher. Das sollte jede Bürgerin und jeder Bürger haben. Es gibt attraktive Zinssätze, und die Sicherheit ist natürlich hoch.