Internationale Solidarität
Ein Blick nach Schweden
Wenn in Schweden von „Vision“ die Rede ist, geht es nicht um ein abstraktes Zukunftsbild, sondern um eine der größten Gewerkschaften des Landes. Wofür unsere Schwesterngewerkschaft einsteht, erzählt Vorsitzende Veronica Magnusson im Gespräch.
Veronica Magnusson beschreibt die aktuelle Situation ihrer Mitglieder mit klaren Worten: „Eine der größten Herausforderungen ist die Arbeitsbelastung. Besonders im Wohlfahrtssektor sind die Krankenstände hoch und die Ressourcen knapp.“ Gerade weil die Gewerkschaft hier eine wichtige Stimme ist, erinnert Magnusson die schwedische Politik und Öffentlichkeit immer wieder daran, dass gute Versorgung nur mit guten Arbeitsbedingungen möglich ist.
Verantwortung über Tarifarbeit hinaus
Gemeinsam mit einer anderen schwedischen Gewerkschaft organisierte Vision im vergangenen Jahr Sympathiestreiks im Rahmen der Tesla-Blockaden. „Für unsere Mitglieder ist entscheidend, Einfluss am Arbeitsplatz zu haben und mit der:m Arbeitgeber:in verhandeln zu können.“ Diesen zentralen Bestandteil der Gewerkschaftsarbeit wollte Tesla unterdrücken.
Vision versteht sich nicht nur als Tarifpartnerin. Die Gewerkschaft mischt sich bewusst in gesellschaftliche Fragen ein – von Digitalisierung und KI bis hin zur Klimakrise. In vielen Betrieben gibt es mittlerweile Klima-Vertrauenspersonen, die die Perspektive der Beschäftigten in die ökologische Transformation einbringen. „Wir müssen dafür sorgen, dass dieser Wandel fair verläuft und niemand zurückgelassen wird“, betont Magnusson.
Erfolgreich gegen Diskriminierung
Besonders sichtbar wurde diese Verantwortung im vergangenen Jahr. Die rechtsgerichtete schwedische Regierung wollte eine Art Spitzelgesetz einführen, das Beschäftigte im öffentlichen Dienst verpflichtet hätte, undokumentierte Menschen zu melden. Gemeinsam mit anderen Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen initiierte Vision landesweite Proteste und stellte sich entschieden dagegen. Die Botschaft: Schweden soll keine Gesellschaft werden, in der Menschen einander verdächtigen.
Der Druck zeigte Wirkung: Die Regierung zog den Vorschlag zurück. „Das war einer der Momente, in denen ich gespürt habe: Hier machen wir einen wirklichen Unterschied“, erinnert sich Magnusson.
Internationale Solidarität als Lernfeld
Auch international ist für Vision klar: Die Kämpfe sind verbunden. „Früher hat man sich in Schweden oft als Vorreiter gesehen“, sagt Magnusson. „Aber in den letzten Jahren haben wir selbst erfahren, wie wichtig internationale Solidarität sein kann.“ Der Blick in andere Länder, etwa in die USA, wo Gewerkschaften massiv unter Druck stehen, sei eine Mahnung, die eigenen Strukturen zu stärken. Ihre Schlussfolgerung ist eindeutig: „Das Wichtigste ist zu organisieren, zu organisieren, zu organisieren. Wenn viele Menschen gemeinsam handeln, wird es viel schwieriger, ihre Rechte zurückzudrehen.“
Junge Mitglieder als Zukunftsgestalter:innen
Vision investiert gezielt in die nächste Generation. Zwar treten die meisten Mitglieder erst mit Mitte 20 in die Gewerkschaft ein, doch Vision macht sie früh zu Mitgestalter:innen. Durch unterschiedliche Programme werden junge Beschäftigte vernetzt, in Führungspositionen gebracht und für Themen wie Klimaschutz, Digitalisierung und Geschlechtergerechtigkeit sensibilisiert. Heute sind bereits drei Mitglieder des nationalen Vorstands unter 35.
Magnusson selbst ist der Beweis, dass Erneuerung funktioniert: Mit Anfang 30 übernahm sie die Führung der Gewerkschaft. Für sie ist klar: „Die Gewerkschaft der Zukunft muss eine Bewegung sein, die vor Ort präsent ist, Menschen verbindet und ihnen das Gefühl gibt, etwas verändern zu können. Gerade in einer zunehmend unsicheren Welt.“
Über 218.000 Mitglieder
Mitgliederstruktur: Studierende und Beschäftigte, die in Gemeinden, Landkreisen, Kirchen oder privaten Unternehmen das Gemeinwohl fördern
Politische Orientierung: unabhängig, angegliedert an den Schwedischen Gewerkschaftsbund der Angestellten VISION