Zum Hauptinhalt wechseln

Immer an alles denken

Die Gedanken einer Mutter sind überall – nur nicht bei sich selbst. Ein Bericht über die Care-Arbeit von Frauen.

Die Stimme von Karoline Wahl klingt angespannt: „Ein Interview? Zu welchem Th...“ Wahl wird von Kinderlärm unterbrochen. Ihre zwei Söhne, 11 und 1 ½ machen sich mal wieder laut bemerkbar.


 

Karoline Wahl ist Mutter von zwei Söhnen. Ursprünglich wollte sie Kindergartenpädagogin werden, machte aber schließlich eine Ausbildung zur Sozialpädagogin. Sie engagiert sich in unterschiedlichen sozialen Bereichen für das Wohl von Menschen. Sie hat in ihrer Berufslaufbahn unter anderem mit marginalisierten Gruppen gearbeitet und in Finnland eine Kindergruppe gegründet. „Ich wollte immer schon mit und für Menschen arbeiten. Schon als kleines Kind habe ich alles  hergeschenkt. Meinem Papa war da schon klar, dass ich sicher keine Geschäftsfrau werde.“


Beim Interview selbst erklärt die Sozialpädagogin mit ruhigerer Stimme, warum sie zum Thema Care-Arbeit von Frauen sehr viel erzählen kann: „Was alles auf meiner To-do-Liste steht? Die verschiedensten Termine organisieren und wahrnehmen, mit der Schule kooperieren, bei den Hausaufgaben unterstützen und vieles mehr. Ich muss als Mutter immer parat sein und das kostet natürlich viel Kraft.“

Viel Zeit für sich hat Karoline Wahl nicht. Für dieses gängige Phänomen einer (berufstätigen) Mutter gibt es bereits einen Begriff, man spricht vom „Mental Load“, also so etwas wie völlige geistige Belastung durch Alltagsdinge.

Unbezahlte Care-Arbeit

Aber zurück zur Care-Arbeit, also jenen Tätigkeiten, die so oft Frauen in die Schuhe geschoben werden. Wahls Mann arbeitet Vollzeit, sie ist in Elternkarenz. Auch ohne Berufsalltag leistet Wahl viel, nur wird sie dafür nicht bezahlt: „Ich arbeite weitaus mehr als 40 Stunden in der Woche – von morgens bis abends.“

Betroffen sind nicht nur Mütter. Auch bei der Pflege Angehöriger sind es oft Frauen, die übrig bleiben. Nicole Tuschak, Mitarbeiterin im younion-Bundessekretariate, schreibt einen Kommentar über ihre Erfahrungen als Angehörige einer pflegebedürftigen Mutter.

„Teilzeit ist kein Privileg“

Wäre die Care-Arbeit bezahlt und/oder gäbe es ausreichend Plätze in Ganztagskindergärten, müssten Frauen nicht in Teilzeit arbeiten. 38,4 Prozent der Frauen arbeiteten 2021 laut Statistik Austria Teilzeit, weil sie Kinder oder Pflegebedürftige betreuten.

Teilzeit arbeiten, bringt Gefahren für Frauen mit sich; in die Pension wird nur wenig Geld eingezahlt und eine finanzielle Abhängigkeit zu ihrem Partner entsteht. Mehr als zwei Drittel der Frauen sind von Altersarmut betroffen. Die Einkommensentwicklung nach der Geburt des 1. Kindes sinkt um 51 %. Auch der Gender Pay Gap steigt ab 30 Jahren zwischen Frauen und Männern, von 20 bis 29 sind es noch 19 %, ab dem 30. Lebensjahr, also genau die Jahre, wo Frauen oftmals Kinder bekommen, sind es bereits 32 %.

Väter würden gerne bei ihren Kindern sein und ihre Entwicklung mitbekommen: die ersten Schritte, die ersten Wörter, der erste Schultag ...

Das System lässt es anders nur nicht zu. Denn oft verdienen Männer mehr als Frauen, weil männlich dominierte Berufe besser bezahlt werden. Bei Karoline Wahl und ihrem Mann ist es nicht anders: „Wir sind immer in Absprache miteinander. Damit wir uns unsere Lebenshaltungskosten leisten können, gab es keine andere Möglichkeit, als dass mein Mann Vollzeit arbeitet und ich in Elternkarenz gehe.“

Wünsche der Frauen

„Es würde viel erleichtern, wenn beide in Teilzeit gehen könnten. Dann könnte die Care-Arbeit tatsächlich aufgeteilt werden“, so Karoline Wahl.

Laut Wahl braucht es familiengerechte Arbeitszeitmodelle für Eltern und Pflegepersonen. Die Arbeitszeiten sollten laut ihr verkürzt werden – und das bei vollem Lohn. Auch für Angehörige von pflegebedürftigen Personen wäre das ein wichtiger Schritt.


Nicole Tuschak
Mitarbeiterin des younion-Bundessekretariats

Kommentar einer Betroffenen

Meine Mama muss 24/7 mit Sauerstoff versorgt werden, da sie an COPD 4 erkrankt ist. Ohne ihren Sauerstoff kann sie nicht überleben, und deshalb kann meine Mama außerhalb ihrer Wohnung keine Erledigungen oder schwierige Dinge im Haushalt selber machen. Für mich als ihre Tochter ist das alles andere als leicht. Man macht sich ständig Sorgen, dass sich ihr Krankheitsbild verschlimmert, und ich selber muss versuchen, körperlich fit zu bleiben, um meine Mama zu versorgen. Ein Dauerstress, den man aber als Angehörige für selbstverständlich wahrnimmt. Es ist nicht immer leicht, die Balance zu finden sich um eine andere Person zu kümmern und auch auf das eigene Leben zu achten.

Leider musste meine Mama vor kurzem wieder in die Klinik. Dabei ist mir aufgefallen, wie unser Pflegepersonal inklusive Ärzt:innen aufgrund der Pandemie in Mitleidenschaft gezogen wurden, und wie sehr sie körperlich, aber auch psychisch von der starken Belastung erschöpft sind. Trotz dieser Situation durfte ich erleben, dass viele Pfleger:innen sehr zuvorkommend waren. Sie haben mich als Angehörige unterstützt und viel Einfühlungsvermögen aufgebracht. Das gab mir in dieser Zeit wieder sehr viel Kraft. Trotz stressigem Arbeitsalltag des Gesundheitspersonals, stand die Gesundheit meiner Mama stets an oberster Stelle. Und genau dafür bin ich den Ärzt:innen und Pfleger:innen sehr dankbar!


 

Text: Celes-Sarah Ilkanaev & Sophie Brandl
Ilustration: Julia Nguyen