Gewerkschaften bekämpfen Benachteiligung des Gesundheitswesens bei Schwerarbeitsregelung
Bundesweite Aktionen und Versammlungen der Beschäftigten des öffentlichen Gesundheitswesens
Gewerkschaften fordern Nationalrat mit symbolischen „Care-Paketen“ zum Arbeiten auf
Morgen, Mittwoch, 08.05.2024, halten die Gewerkschaften aller Bundes-, Landes- und Gemeindebediensteten im Gesundheitsbereich, GÖD-Gesundheitsgewerkschaft und younion – Team Gesundheit, einen bundesweiten Aktionstag ab. Im Mittelpunkt steht dabei die Forderung nach einer besseren Schwerarbeitsregelung im Gesundheitswesen, der anlässlich des bevorstehenden internationalen „Tags der Pflegenden“ am 12. Mai Nachdruck verliehen werden soll.
In ganz Österreich versammeln sich dazu Beschäftigte in und vor Krankenhäusern, Kliniken, Pflege- und Betreuungszentren. Gewerkschaften und Personalvertretungen wollen damit auf die hohen physischen und psychischen Belastungen im Gesundheitswesen aufmerksam machen. „Es kann nicht sein, dass die Arbeit schwerer wird, aber immer seltener als Schwerarbeit gilt. Die Schwerarbeitsregelung muss daher auf alle Gesundheitsberufe ausgeweitet werden – wir brauchen zeitgemäße Regeln für gute Arbeitsbedingungen und eine gute Gesundheitsversorgung“, so Edgar Martin, Vorsitzender der younion – Team Gesundheit.
Parallel dazu verschicken die Gewerkschaften „Care-Pakete“ an die Abgeordneten des zuständigen Nationalrats-Ausschusses für Arbeit und Soziales, mit denen der Nationalrat auf den Handlungsbedarf aufmerksam gemacht werden soll. Befüllt sind die Pakete mit Infomaterialien und Gegenständen, die symbolisch für die Belastungen im Gesundheitswesen stehen, etwa Schlafmasken (Übermüdung), Rücken-Wärmepflaster (körperliche Abnutzung) oder Taschentücher (psychische Belastungen). „Eine bessere Schwerarbeitsregelung schützt nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten, sondern ist auch ein deutliches Zeichen der Wertschätzung für harte Arbeit. Das trägt auch wesentlich zur Entspannung der dramatischen Personalsituation im Gesundheitswesen bei“, so Reinhard Waldhör, Vorsitzender der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft.
Studien: Immer weniger Beschäftigte halten Belastungen bis zum Regelpensionsalter aus
Dass viele Beschäftigte aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zum Regelpensionsalter arbeiten werden können, zeigen auch mehre Studien. Laut einer Umfrage der Arbeiterkammer Niederösterreich unter Pflegepersonen aus dem Jahr 2023 gehen 41 Prozent davon aus, ihren Beruf unter den derzeitigen Bedingungen frühzeitig verlassen zu müssen. Etwa 30 Prozent leiden unter Rückenschmerzen und psychischer Erschöpfung, jede und jeder Fünfte hat Schwierigkeiten, nachts einzuschlafen.
Bei einer internen Erhebung des Wiener Gesundheitsverbunds (WIGEV) unter allen Beschäftigten berichteten im Vorjahr ebenfalls viele von Muskel-Skelett-Beschwerden, Erschöpfung sowie Stresssymptomen. Von den Befragten waren sich 27 Prozent unsicher, ob sie ihren Beruf die nächsten Jahre gesund bewältigen können (2018: 22 Prozent), fünf Prozent hielten es für unwahrscheinlich (2018: drei Prozent). Nach allen Parametern dieser und anderer Studien hat sich die Situation zwischen 2018 und 2023 verschlechtert.
„Die Bundesregierung hat uns Entlastungen versprochen, doch davon spüren wir nichts. Die Politik will die Gesundheitsberufe angeblich attraktiver machen, ignoriert aber, wie unattraktiv die Perspektive ist, chronisch krank in Pension zu gehen. Darum schauen gerade auch die jüngeren Kolleginnen und Kollegen sehr genau hin, ob sich hier etwas zum Besseren entwickelt“, so Martin.
Aktuelle Schwerarbeitsregelung benachteiligt Gesundheitswesen
Inzwischen werden Schwerarbeits-Anträge im Gesundheitswesen beinahe immer abgelehnt, was unter anderem an Details der aktuellen Rechtslage liegt. Für eine Schwerarbeitspension müssen – neben 540 Versicherungsmonaten – 120 Schwerarbeitsmonate in den letzten 20 Jahren nachgewiesen werden, wobei die Berechnungskriterien die Belastungen im Gesundheitswesen nur unzureichend erfassen.
So werden beispielsweise Mehrfachbelastungen nicht berücksichtigt. Es kommt im Gesundheitsbereich etwa regelmäßig vor, dass Beschäftigte – wenn sie zum Beispiel einen Nachtdienst leisten und dabei schwere körperliche Tätigkeiten verrichten – gleich zwei der möglichen Kriterien für Schwerarbeit zu 80 Prozent erfüllen, ihre Tätigkeit aber trotzdem nicht als Schwerarbeit gerechnet wird, weil 2 x 80 Prozent bei der Berechnung von Schwerarbeit weniger gilt als 1 x 100 Prozent. Auch die Definition körperlicher Schwerarbeitszeit ist nachteilig für das Gesundheitswesen, wie Edgar Martin erklärt: „Aktuell wird ein Schwerarbeitsmonat nach dem Kriterium körperlicher Arbeit nur dann berücksichtigt, wenn der entsprechende Kalorienverbrauch an mindestens 15 Tagen vorliegt. Da Beschäftigte im Gesundheitswesen die Schwerarbeit aber oft in – besonders belastenden – 12-Stunden-Schichten leisten müssen, kommen sie nicht auf die erforderlichen Tage. Das ist eine skandalöse Benachteiligung.“ Darum fordern die Gewerkschaften neben der Ausweitung der Schwerarbeitsregelung auf alle Beschäftigten im Gesundheitsbereich auch eine Ermittlung der monatlichen Schwerarbeitszeiten auf Stundenbasis.
„Wir haben Kolleginnen und Kollegen, die 45 Jahre lang hart gearbeitet haben, die unser Gesundheitssystem auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit aufrechterhalten haben und jetzt vor Gericht die eigene Schwerarbeit für Jahrzehnte anhand von Kalorientabellen und anderen Aufzeichnungen mühsam nachweisen müssen. Das ist für viele Kolleginnen und Kollegen eine entwürdigende Erfahrung und jedenfalls das komplette Gegenteil von Wertschätzung. Das vorgeschobene Argument der Politik, die meisten Beschäftigten würden die nötigen 540 Versicherungsmonate gar nicht mehr erreichen, ist nicht nur objektiv falsch, sondern eine zynische Ausrede. Das lassen wir uns nicht mehr gefallen. Ohne eine Verbesserung der Schwerarbeitsregelung wird es Brösel geben“, so Reinhard Waldhör, Vorsitzender der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft.