Erfolge – und viele Aufgaben
Zuletzt gab es auf EU-Ebene einige aus gewerkschaftlicher Sicht positive Entwicklungen. Es bleibt aber noch viel zu tun.
Die Arbeitswelt ändert sich rasch. Damit verbunden sind Chancen und Gefahren. Die großen Treiber für Veränderung sind Digitalisierung, Klimawandel und fortschreitende internationale Arbeitsteilung. Anpassungen des rechtlichen Rahmens an die neue Arbeitswelt werden auf unterschiedlichen Ebenen ausgehandelt. Eine davon ist die Europäische Union. Zuletzt waren dabei aus gewerkschaftlicher Sicht positive Entwicklungen zu verzeichnen – wenn auch nicht uneingeschränkt. Für mediale Aufmerksamkeit sorgte zuletzt das EU-Lieferkettengesetz. Nach jahrelangen Verhandlungen wurde am 15. März 2024 ein Kompromisstext beschlossen. Künftig sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren oder mit ihren Produktionsmethoden die Umwelt zerstören. Der Gesetzestext wurde durch Zugeständnisse an die Unternehmen verwässert. So sind nicht mehr wie ursprünglich geplant Unternehmen ab 500 Mitarbeiter:innen betroffen, sondern erst solche ab 1.000 Mitarbeiter:innen und mit einem Jahresumsatz ab 450 Millionen Euro. Trotzdem ist das Lieferkettengesetz ein Schritt hin zu mehr Fairness und Einhaltung von Menschenrechten. Thomas Kattnig, Mitglied des younion-Bundespräsidiums und younion Spitzenkandidat für die EU-Wahl, spricht von einem „wichtigen Schritt für den Schutz von Menschen und Umwelt“. Die Einigung sei „ein großer gewerkschaftlicher Erfolg – wenn auch mit Beigeschmack“.
VIEL ZU TUN
Ähnliches gilt für EU-Richtlinien über angemessene Mindestlöhne oder die Mindestbesteuerung von großen Unternehmen. Beide Initiativen sollen zu mehr sozialer Gerechtigkeit beitragen – ebenso wie die im März beschlossene Richtlinie zur Plattformarbeit. Fast 30 Millionen Menschen in der EU arbeiten bereits für Onlineplattformen, viele von ihnen als Scheinselbstständige – verbunden mit Nachteilen bei Lohn, Urlaubsanspruch und Sozialversicherungsschutz. Künftig sollen Unternehmer:innen beweisen müssen, dass ihre Mitarbeiter:innen „Selbstständige“ sind. Auch hier wurde ein Kompromiss beschlossen, nachdem Plattformbetreiber:innen lobbyiert hatten. So wird es in der Verantwortung der Mitgliedsstaaten liegen, die Richtlinie so umzusetzen, dass eine Neueinstufung für Arbeitnehmer:innen einfacher wird. Thomas Kattnig spricht von einem „bittersüßen Erfolg“. Angesichts der Verwässerungen der Richtlinie sei es umso wichtiger, dass durch die Umsetzung in Österreich der „Ausbeutung und Scheinselbstständigkeit ein Ende bereitet wird“.
Trotz positiver Entwicklungen bleibt noch viel zu tun. Viele Menschen erwarten, dass die Inflationsbekämpfung bei der EU-Wahl im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Beschäftigte und Pensionist:innen haben in den vergangenen Jahren viel an Kaufkraft verloren. Auf der anderen Seite stehen Gewinner:innen der Teuerung wie zum Beispiel Energiekonzerne oder Banken. Im Bereich Energie etwa muss die Versorgungssicherheit und in Zeiten der Teuerung vor allem auch die Leistbarkeit von Strom und Heizung im Vordergrund stehen. „Die EU muss es sich zum erklärten Ziel machen, die Energiemärkte zu reformieren, die Lebenshaltungskosten zu senken und Konzerne zur Kasse zu bitten“, so younion-Bundespräsidiumsmitglied Kattnig.