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Die Zukunft der Gewerkschaft

Sarah Popernitsch ist die neue younion-Bundesjugendvorsitzende. Christian Meidlinger war mal Bundesjugendvorsitzender. Ein Gespräch der beiden über die Jugend – heute und damals – und die Wichtigkeit in der Gewerkschaft.

Was hat dich für die Gewerkschaftsjugend motiviert?

Sarah: Ich finde es wichtig, dass nicht nur über die Jugend geredet wird, sondern mit der Jugend. Dass sie selbst an ihrer Zukunft arbeiten kann – und nicht andere über sie bestimmen. Dafür bin ich da, dass ich ihre Anliegen durchsetze. Das motiviert mich.

Christian bei dir?

Christian (lacht): Na, das ist schon ein bisschen länger her. Ich war damals Lehrling und in einer Werkstätte. Da hat es ziemliche Missstände gegeben. Wir mussten zum Beispiel den Wochenbericht in der Freizeit schreiben und noch viele andere Dinge, die mich geärgert haben. Wir haben uns damals organisiert und sind gemeinsam mit der Gewerkschaft dagegen aufgetreten. Viele Missstände haben wir beheben können, auch das mit dem Wochenbericht. Das war ein Erfolgsgefühl, dass man gemeinsam was bewegen kann. Und das hat sich dann fortgesetzt. In meiner Freizeit habe ich viel für die Gewerkschaft gemacht und dadurch auch viele Chancen erhalten. Zum Beispiel konnte ich politische und ökonomische Zusammenhänge begreifen. Ich habe auch das Glück gehabt, dass ich immer Leute gefunden habe, die mich begleitet haben. Und so bin ich dann picken geblieben, und ich mache das noch immer sau gern.

Sarah: Das was Christian gesagt hat, ist echt wichtig – dass du Leute hast, die was in dir sehen. Bei mir war das damals auch so. Und jetzt darf ich das selbst machen. Ich kann helfen, die Stärken der jungen Menschen aus ihnen herauszukitzeln.

Wie schaut denn ein Tag von einer:m Bundesjugendvorsitzenden aus?

Sarah: Eigentlich weiß ich nie so genau, was passiert. Klar habe ich auch fixe Termine, aber du bekommst oft Anrufe, die den ganzen Tag ausfüllen. Wenn sich ein Lehrling meldet, der jetzt eine Vertrauensperson zu einem Mediationsverfahren dazuholen will, dann bin ich in zehn Minuten da. Es ist aber ein unfassbares Geschenk, das machen zu dürfen. Wir haben alle irgendwo mal ehrenamtlich begonnen. Und das Hobby zum Beruf machen zu können – das ist schon was sehr Schönes.

Sarah, du bist die erste Bundesjugendvorsitzende.

Sarah: Es bedeutet mir sehr viel, als erste Frau in dieser Position ein sichtbares Zeichen zu setzen. Führung ist keine Frage des Geschlechts, sondern des Engagements. Ich glaube fest daran, dass Mitbestimmung und Gleichstellung keine leeren Begriffe bleiben dürfen. Es treibt mich an, junge Frauen zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen und ihre Stimme einzubringen.

Was hast du von deiner Zeit in der Jugend für deine Aufgabe heute mitgenommen?

Christian: Vieles. Also ich konnte viele Seminare und Ausbildungen besuchen, die einfach Basics mitgegeben haben. Und damals sind wir gefühlt jede zweite Woche auf die Straße gegangen und haben demonstriert – für die Friedensbewegung, gegen Atomkraft und so weiter. Das hat dann auch zu einem entsprechenden Gemeinschaftsgefühl geführt. Was ich auch gelernt habe, ist zuzuhören. Versuchen, auf die Argumente von jeder:m Einzelnen einzugehen. Und dass man als Gemeinschaft doch viel bewegen kann.

Wie gelingt es denn, junge Menschen langfristig für gewerkschaftliche Arbeit zu begeistern?

Christian: Ich versuche, in all meinen Funktionen, die Jugend nach vorne zu stellen. Ich glaube, man muss der Jugend Chancen geben, damit sich was verändern kann. Das ist schon ein Unterschied von damals zu jetzt. Wir sind auf die Straße gegangen zur Befreiung Nelson Mandelas, weil wir daran geglaubt haben, dass wir was erreichen können. Das ist auch einer der Punkte, wie wir die junge Generation an Gewerkschaften binden können, nämlich durch Glaube an Veränderung.

Was für einen Stellenwert hat denn die Jugend in der Gewerkschaft?

Sarah: Verdammt wichtig. Weil wir die Zukunft sind. Wir müssen jetzt anfangen, junge Funktionär:innen aufzubauen – und ihnen das mitgeben, was wir können. Das müssen wir jetzt aufbauen, damit wir in 20 Jahren so weiterarbeiten können. Wenn du heute die Jugend stärkst, dann hast du für die Zukunft eine gesicherte Gewerkschaft. Jugend stärken heißt, Gewerkschaft in Zukunft zu sichern.

Siehst du das auch so?

Christian: In der younion haben wir immer sehr viel Wert auf Jugendarbeit gelegt, weil viele unserer Vorfahr:innen, aber auch ich selbst, aus der Jugendorganisation kommen. Wenn Sarah über die Mitgliederwerbung bei Jugendlichen spricht, bringt sie es auf den Punkt: Wer, wenn nicht Junge selbst, könnte besser andere Junge erreichen? Das müssen die Jugendlichen nicht auch noch von meiner Generation hören. Jugendarbeit ist für mich immer noch etwas ganz Wichtiges, und ich bin froh, dass wir das in unserer Organisation so fortgeführt haben, wie wir es bis jetzt getan haben.

Habt ihr ein Highlight, auf das ihr stolz seid?

Sarah: Ein großes Thema ist psychische Gesundheit. Durch Corona ist der persönliche Aspekt verloren gegangen. Es ist oft schwer, mit Lehrlingen ins Gespräch zu kommen, weil sie eher online chatten, als ein persönliches Miteinander zu haben. Wir versuchen, das zu ändern und ihnen eine Komfortzone zu geben, weil man in diesen persönlichen Gesprächen viel mehr erreichen kann. Wir sind auch dabei, mit den ÖGB-Frauen einen Workshop in Berufsschulen zum Thema häusliche Gewalt anzubieten, weil es hier großen Handlungsbedarf gibt.

Christian, dein Highlight?

Christian: Dass wir es geschafft haben, eine Bundesjugendorganisation aufzubauen – hat es damals noch nicht gegeben. Das, was heute so selbstverständlich ist, wie ein Platz im Vorstand, bei der Vorsitzenden-Konferenz, Delegierte bei Kongressen, war damals ein Kampf. Ganz wichtig auf dem Weg sind auch Einzelgeschichten – bei denen man persönlich helfen kann. Da ist uns auch vieles gelungen. Das sind keine angenehmen Dinge, die einen aber doch freuen, wenn man jemandem geholfen hat. Das ist viel wert.

Interview: Marlene Graf