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Die guten Freunde bleiben einem

Florian Gass weiß genau, was es für das Privatleben heißt, wenn man unregelmäßige Dienstzeiten hat.

Florian Gass hat durch einen internen Jobwechsel das erste Mal seit 27 Jahren in seiner Karriere beim ORF einen eigenen Schreibtisch. „Plötzlich habe ich regelmäßige Dienstzeiten“, verrät er mit einem Lächeln im Gesicht. „Ich kann jetzt auf einmal Freunde anrufen und ihnen zu 100 Prozent versichern, dass ich beim nächsten Heurigentreffen dabei sein kann“, ergänzt er. Ein richtiger Meilenstein für Gass, denn er kann ein Lied davon singen, wie es ist unregelmäßige Dienstzeiten zu haben.

1996 hat er als freier Mitarbeiter beim ORF als Kabelträger begonnen. Danach war er freischaffender Kameraassistent und hat daneben sein Studium der Biologie fertig gemacht. „Ich wollte eigentlich Naturfilmer werden“, erinnert er sich. Irgendwann wurde dann ein Bildtechniker gesucht und Gass hat sich beworben. „Mein damaliger Chef meinte nur, was ich als Biologe in der Branche will“, erzählt er und erklärte ihm, dass Biologie ein naturwissenschaftliches Studium ist und sich darin viel Technik versteckt. Nachdem der Familienvater den Aufnahmetest bestanden hat, begann seine fixe Anstellung. Nach acht Jahren folgte der Sprung zum Bildmeister.

JOB UND FAMILIE ALS HERAUSFORDERUNG

Die unregelmäßigen Dienstzeiten sind eine immense Belastung für die Familie. „Viele meiner Kolleg:innen sind geschieden. Ich habe das Glück, dass meine Frau ebenfalls beim gleichen Arbeitgeber ist und sie die Umstände somit sehr gut kennt“, weiß Gass zu schätzen. Wer in der Fernsehproduktion arbeitet, hat etwa einmal Dienstbeginn um 6 Uhr Früh, startet am Folgetag um 14 Uhr und am darauffolgenden wiederum um 10 Uhr Früh. „Mit einer Familie ist das ein riesen Problem. Denn man richtet sich das Leben nach dem Job“, weiß der Bildmeister. Doch: „Meine Kinder sind es gewohnt, die kennen das nicht anders.“ Der Bildmeister sagt seinen drei Kindern, dass sie nicht auf ihn warten müssen, wenn sie ins Bett gehen. „Wenn ich nach dem Spätdienst heimkomme, wecken sie mich halt dann in der Früh auf. Das ist etwas sehr Schönes, auch wenn sie keine Rücksicht nehmen, wenn man erst sechs Stunden Schlaf hinter sich hat“, scherzt er.

Auch der Freundeskreis leidet darunter, „du kannst dir kaum etwas ausmachen“. Die wenigsten Freunde haben unter der Woche Zeit, um etwa am Mittwochabend im Ersatzwochenende noch zum Heurigen zu gehen. „Da muss man sagen, dass die guten Freunde einem bleiben, die vielleicht dann auch spontan sind.“ Das Problem ist für Gass eindeutig klar: Je weniger Personal es gibt, desto weniger Spielraum bleibt für den Diensttausch. „Wir spüren es extrem, dass in den vorigen Jahren so viel Personal reduziert wurde. Die unregelmäßigen Dienste und kurzfristigen Dienstplanänderungen sind noch unerträglicher, was zu einer großen Anzahl an Burn-outs führt.“

Was ebenso dazu kommt ist das Essverhalten, welches genauso unregelmäßig ist wie die Dienstzeiten. Gass erinnert sich, dass er oft nach seinem Spätdienst mit dem Auto nach Hause gefahren ist und noch so munter war, dass er statt ins Bett zu gehen sich vor den Fernseher gesetzt hat. „Dann isst du vielleicht noch eine Kleinigkeit und kannst erst nicht schlafen oder eher unruhiger. Das geht an die Substanz“, betont er. Damit es nicht so weit kommt, sollte man unbedingt mit jemanden darüber reden.

AUS DEM (ERSATZ-)WOCHENENDE GEHOLT

Wer bei einer Show eingeteilt wird, kann sich nicht frei nehmen. „Du bist dann für die ganze Produktion dabei“, erklärt der Familienvater. Beim Fernsehen gibt es zwei Schichtdienste sowie eine gesetzliche Ruhezeit von elf Stunden. Das heißt aber auch, wenn eine Person von 6 bis 14 Uhr arbeitet, die andere von 16 bis 0.00 Uhr, kann die zweite Person nicht am nächsten Tag um 6 Uhr einspringen.

Die Ruhezeit von elf Stunden ist damit nicht gewährt. Genau für solche Fälle fehlt es an Ressourcen. Bei Ausfall durch Krankenstand kommt es dann häufig vor, dass Personal für Überstunden aus dem (Ersatz-) Wochenende geholt wird. „Das führt aber auch dazu, dass die Leute nicht mehr am Telefon abheben, weil sie die Zeit zum Erholen, nach zum Beispiel neun Tage durchgehendem Dienst, brauchen.“

Ob Florian Gass im Nachhinein etwas anders machen würde? „Nein, ich liebe meine Arbeit und habe mir das Leben so gerichtet, denn es hat auch viele Vorteile. Wer kann schon zwei Tage lang unter der Woche im Ersatzwochenende auf seiner privaten Baustelle arbeiten oder unter der Woche ohne Menschenmassen einkaufen gehen.“ Als Ausgleich zu seinem Berufsalltag unternimmt er viel mit seiner Familie, wie Heurigenbesuche. „Das genieße ich in den vergangenen Jahren sehr. Denn die Kinder können spielen, und ich mich mit meinen Freunden in Ruhe unterhalten. Sofern sie so kurzfristig für mich Zeit haben“, lacht er.

Tipp für Kolleg:innen mit unregelmäßigen Dienstzeiten:
Frühzeitig mit Arbeitgeber:in und Personalvertreter:in oder Betriebsrätin Kontakt aufnehmen. Höchstes Ziel ist es, Mitarbeiter:innen schon vor einem Burn-out abzufangen. Auch mit Kolleg:innen reden und gegebenenfalls Dienste tauschen, damit ausreichend Erholung und das Privatleben nicht zu kurz kommen.

Text: Sophie Brandl