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Die Dosis macht das Gift

Was ist die ideale Arbeitszeit? Und wie wirkt sich Nachtarbeit aus?

Fragen an Evelyne Wohlschläger-Krenn, Ärztliche Direktorin beim Arbeitsmedizinischen Zentrum der KFA.

younited: Wie viele Stunden kann ein Mensch arbeiten?
Wohlschläger-Krenn:
Das hängt von vielen Faktoren ab, einerseits der Arbeitsdichte, der physischen und psychischen Beanspruchung bei der Arbeit, den individuellen Gegebenheiten. In der Arbeitsmedizin gibt es das Belastungs-Beanspruchungskonzept, welches auf der Erkenntnis beruht, dass gleiche Belastungen zu individuell unterschiedlichen Beanspruchungen führen können. Der gestiegene Leistungsdruck führt zu längeren Arbeitszeiten und in Folge zu einer Zunahme stressbedingter Gesundheitsstörungen, vor allem den psychischen Bereich betreffend, einer Erhöhung der Frühpensionierungen, aber auch zu einer Erhöhung des Unfallrisikos.

younited: Welche Auswirkungen kann ständige Nachtarbeit haben?
Wohlschläger-Krenn:
Durch permanentes Arbeiten in der Nacht wird unser Tag-Nacht-Rhythmus gestört. Licht-Dunkel-Signale lösen hormonelle und nervale Signale im Körper aus. So hält unsere innere Uhr unseren Körper mit der Umwelt synchronisiert. Gerät dieses System aus dem Takt, dann kann dies Schlafstörungen, Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Magen-DarmErkrankungen und Herz-KreislaufErkrankungen verursachen. Aber auch psychische Folgen wie z. B. Depressionen können die Folge sein.

younited: Wie viele Stunden am Tag Arbeit sind ideal?
Wohlschläger-Krenn:
Ich denke, nicht nur die Stundenanzahl, sondern auch die individuelle Arbeitswelt sollte hier mit beurteilt werden. Am besten ist es, autonom und selbstbestimmt an einem Arbeitsplatz zu arbeiten, an dem auch das soziale Umfeld, die Unternehmenskultur und Struktur passen. Generell ist wohl bei zehn Stunden Arbeit eine physische und psychische Grenze erreicht.

younited: Wie viele Stunden sollten der Erholung dienen?
Wohlschläger-Krenn:
Dies hängt vom individuellen Spielraum innerhalb der Arbeit ab und der Tätigkeit selbst. Bei hoher Arbeitsbelastung und geringen Entscheidungsspielräumen sind die Möglichkeiten interner Erholung beschränkt, dies muss durch verstärkte externe Erholung aufgeholt werden. Ist die externe Erholung ebenfalls durch lange Arbeitszeiten eingeschränkt, wirkt sich dies ungünstig aus. Zusätzlich erwähnt sollte noch werden, dass Frauen durch den Haushalt und die Kinderbetreuung einer Mehrfachbelastung ausgesetzt sind, die leider sehr häufig in der Erholungszeit nicht entsprechend ausgeglichen werden kann.

younited: Was bewirken unregelmäßige Arbeitszeiten?
Wohlschläger-Krenn:
Sie bringen die innere Uhr – unseren Tag-NachtRhythmus durcheinander, vor allem Herz-Kreislauferkrankungen und psychische Erkrankungen nehmen zu. Unterforderung kann aber genauso wie Überforderung krankmachen. Die Dosis macht also das Gift.

Text: David Hofer