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Das Klima und die Psyche

Klimapsychologe Tobias Schabetsberger über die Auswirkungen der Krise auf die mentale Gesundheit.

younited: Hitzeperioden wirken sich negativ auf den menschlichen Körper aus. Aber wie steht’s eigentlich um die Psyche?

Tobias Schabetsberger: Abgesehen von körperlichen Symptomen, die bei Hitzewellen auftreten, steigt die Wut und Aggression und gleichzeitig lässt die Konzentration nach. Genauer gesagt kann man von vier Themenbereichen reden: Angst, Anspannung, Traurigkeit und mitunter Depression, Scham und Schuldgefühle.

younited: Das sind sehr starke Gefühle. Gibt es eine Methode, diese Emotionen zu überwinden?

Tobias Schabetsberger: Wir hören immer wieder, dass der Klimawandel vom Mensch gemacht ist, daraus resultieren eben Schuldgefühle. Das muss aber nicht unbedingt etwas Negatives sein. Sie treiben Menschen dazu an, etwas zu ändern. Einige meiner Patientinnen und Patienten schließen sich Initiativen an, ändern ihr Konsumund Essverhalten oder steigen komplett auf öffentliche Verkehrsmittel um.

younited: Das fällt vielen Menschen nicht leicht. Wie kann ich also meine Familie oder den Freundes- und Bekanntenkreis davon überzeugen, ihren Lebensstil für ein besseres Klima zu ändern?

Tobias Schabetsberger: Zum Beispiel eignet sich ein vegetarischer oder veganer Brunch gut dafür. Hier kommen Menschen zusammen, was positive Gefühle von Verbundenheit auslöst, und man kann über das Thema reden. Es geht wie bei den meisten Sachen darum, einen guten Mittelweg zu finden. Wenn sich im Kopf alles um das Thema Klima dreht, ist das auch nicht richtig. Ignorieren ist aber auch keine Lösung.

younited: Angst, Wut, Hilflosigkeit oder Resignation sind sehr negative Gefühle. Gibt es auch positive?

Tobias Schabetsberger: Definitiv, etwa Interesse und Neugier. Viele empfinden auch Freude und sind stolz, wenn sie etwas erreicht haben.

younited: Sie sind auch Mitbegründer von Psychologists For Future. Was genau ist das?

Tobias Schabetsberger: Psychologists For Future ist ein Verein, der psychische Klimaresilienz steigern will. Also die Fähigkeit, mit Klimawandel besser umzugehen. Es geht hier um die Wahrnehmung, also ein Bewusstsein zu schaffen, wie man mit seinen eigenen Gefühlen umgeht, wie man ins Handeln kommt und ganz wichtig ist auch die Klimakommunikation. Wir sind in Österreich ungefähr 50 Personen aus dem Bereich Psychologie und Psychotherapie. Wir bieten verschiedene kostenlose Beratungen oder auch Workshops und Vorträge an.

younited: Ab welchem Zeitpunkt kam Ihr Interesse für Klimapsychologie? Gab es einen Auslöser?

Tobias Schabetsberger: Ich war schon immer ein politisch und gesellschaftlich interessierter Mensch. Als ich von Oberösterreich nach Wien gekommen bin, habe ich etwas Ehrenamtliches gesucht, mit dem ich auch mein politisches Interesse verbinden konnte. Ein gutes Beispiel dafür, wie man aus einer Bedrohung etwas Positives machen kann. Ich habe dann in der Pandemiezeit in einer Zeitschrift von Psychologists For Future Deutschland gelesen und war sofort begeistert.

younited: Wie kann man der Bevölkerung die Klimaangst nehmen?

Tobias Schabetsberger: Angst ist ein berechtigtes Gefühl. Die Angst an sich ist nicht gefährlich. Es gibt auch eine gesunde Angst, die uns ins Handeln bringt. Man muss jedoch unterscheiden, ob die Angst lähmend auf einen wirkt und zu einer Angsterkrankung oder psychischen Erkrankung führt. Hier muss man den Betroffenen spezielle Hilfe zur Verfügung stellen. Betrachtet man die Klimaangst aus gesellschaftlicher oder journalistischer Ebene rate ich allen dazu, Mut und Zuversicht zu transportieren. Aufzuzeigen, dass es Handlungsmöglichkeiten gibt ist besonders wichtig, wenn es um Bedrohung geht und man darüber berichtet. Es gilt, den Leser:innen mitzuteilen, was sie persönlich machen können. Darüber hinaus hat das politische Wahlverhalten auch Auswirkungen auf die Klimaschutzmaßnahmen.

younited: Gibt es denn bestimmte Praktiken bei den Handlungsmöglichkeiten?

Tobias Schabetsberger: Zu handeln hilft nicht nur Umwelt, Mitmenschen, Tieren und dem Ökosystem, sondern auch der eigenen Psyche. Es hilft, wenn ich verstehe wie meine Psyche, mein Organismus und mein Körper funktionieren. Das Angstsystem funktioniert auf Bedrohung und Verlustmeidung. Unser Antriebssystem funktioniert gut mit Dopamin und bringt uns ins Handeln. Und unser Fürsorgesystem schlägt an, wenn ich mich sicher und entspannt fühle. Dadurch kann ich mich besser auf Mitmenschen einlassen und bin mit mir im Einklang. In diesem dritten System sind wir zu wenig drinnen, da wir mehr angstgetrieben sind. Meist lassen sich schwierige Themen im Fürsorgesystem besser bewältigen.

younited: Wie kann man also der Bevölkerung Mut machen in Zeiten der Klimakrise?

Tobias Schabetsberger: Es macht einfach Freude, wenn man gemeinsam etwas dagegen tun kann und an einem Strang zieht. Jede Person sollte sich fragen, was er oder sie gut kann, egal in welchem Bereich. Das ist ein hoher Motivator weiterzumachen, im Leben etwas zu bewirken und andere vielleicht auch zu ermutigen.

Über Tobias Schabetsberger
Tobias Schabetsberger hat mehr als zehn Jahre Berufserfahrung als Klinischer Psychologe und Gesundheitspsychologe sowohl in Kliniken als auch in seiner eigenen Praxis gesammelt. www.praxis-schabetsberger.at

Text: Sophie Brandl