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younion

Christian Meidlinger im Interview

„Es geht um Existenzen“

Der wiedergewählte younion-Vorsitzende Christian Meidlinger im Gespräch über Kulturschaffende, die Pensionswelle und die Verdoppelung des Kindergarten-Personals.

Sie sind in einer besonders schwierigen Zeit erneut zum Vorsitzenden der younion _ Die Daseinsgewerkschaft gewählt worden - mit überwältigender Mehrheit. Auf was konzentrieren Sie sich in den kommenden Monaten?

Mein Team und ich haben einen großen Vertrauensvorschuss erhalten, dafür möchte ich mich bedanken. Gestärkt werden wir uns weiter für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen. Da gibt es coronabedingt allerdings unterschiedliche Ausgangssituationen. Wir haben Kulturschaffende, die jetzt wieder in Kurzarbeit sind oder keinerlei Aufträge mehr haben. Da geht es teilweise um Existenzen, ums Überleben.

Auf der anderen Seite haben wir zum Beispiel die Bereiche Gesundheit, Soziales und Kinderbildung. Da herrscht eine völlige Überlastung, es gibt viel zu wenig Personal. Da muss die Bundesregierung endlich handeln und in die Ausbildung investieren. Die tut ja momentan gar nichts.
Es muss aber auch bei den Regelungen rund ums Homeoffice nachgeschärft werden. Zum Beispiel was die technische Ausstattung betrifft.

Sie haben die Ausbildung angesprochen. Auch ohne Corona stehen wir vor einem großen Problem. In den kommenden Jahren werden sehr, sehr viele Beschäftigte in Pension gehen. Was muss getan werden, damit ausreichend Personal nachkommt?

Der demografische Wandel ist ein Riesenthema, eine sehr große Herausforderung. Wir wissen, dass rund 40 Prozent der Beschäftigten in den nächsten acht Jahren in den Ruhestand treten oder in Pension gehen. Da besteht die große Gefahr, dass sehr viel Wissen verloren geht. Man muss also rechtzeitig mit der Nachbesetzung beginnen. Die Jungen brauchen Zeit zum Lernen.

Was wir uns von den Gemeinden wünschen würden, wäre eine attraktive Bewerbung der freien Stellen. Ich glaube, dass die Arbeit in einer Gemeinde, in der Daseinsvorsorge, spannend und herausfordernd ist. Allerdings mit einer Ausschreibung eines freien Dienstpostens im Amtsblatt werden wir niemanden bewegen. Da müssen die Kommunen einfach moderner und beweglicher werden im Recruiting.

Was muss speziell bei der Pflege-Ausbildung passieren?

Da braucht‘s endlich eine Bundesregierung, die Verantwortung übernimmt und Ideen aufgreift. In einigen Bundesländern gibt es Schulversuche, die eine Pflegeausbildung mit Matura ermöglicht. Solche AHS mit Pflegeausbildung müssen rasch in das reguläre Schulsystem übernommen werden. Und es braucht natürlich mehr Budgetmittel für die Ausbildung. Wien erweitert zum Beispiel gerade den FH-Campus, wo zum Beispiel 1.500 Pflegefachkräfte in Ausbildung gehen können. Aber einzelne Bundesländer alleine können das Problem nicht lösen, auch wenn sie sich noch so sehr anstrengen. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Ausbildung von Elementar-Pädagog*innen oder anderen Fachkräften.

Den Städten und Gemeinden gehen mittelfristig auch die Mittel aus, um die Versäumnisse der Bundesregierung auszubessern. Was muss bei den Gemeindefinanzen getan werden?

Durch die Coronakrise werden den Gemeinden am Ende des Tages 2,5 bis 3 Milliarden Euro fehlen. Die Bundesregierung hat zwar viel Propaganda für ihr kommunales Investitionsgesetz betrieben, tatsächlich handelt es sich aber nur um eine Milliarde Anschubfinanzierung. Viele Gemeinden können das aber gar nicht nutzen, weil sie jetzt schon in Wirklichkeit zahlungsunfähig sind. Wir haben schon jetzt mehr als 300 dieser sogenannten Abgangsgemeinden. Expert*innen schätzen, dass es nach der Krise 600 bis 900 Gemeinden sein werden.

Es wurde zwar noch ein zweites Investitionspaket beschlossen, doch dieses Geld müssen die Gemeinden großteils zurückzahlen. Und da fordern wir als ersten Schritt, dass diese Milliarde nicht zurückgefordert wird. Denn bei den Gemeindefinanzen geht es nicht nur um das soziale Leben in einem Ort mit einer guten Kinderbildung oder der bestmöglichen Senior*innenbetreuung, sondern auch um gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen für unsere Kolleg*innen.
Wir sollten aber gerade bei den Gemeinden nicht über das aller Notwendigste reden, sondern über Ideen und Investitionen in die Zukunft.

Was für Investitionen wären das?

Wir haben zum Beispiel 42.000 Pädagog*innen in den Kindergärten und Horten, die wertvolle Bildungsarbeit leisten. Wir könnten noch mehr in die Bildung unserer Kinder investieren und die Gruppengröße halbieren. Damit würden wir das Potential unserer Kinder tatsächlich freilegen und so könnten auch weitere 42.000 Beschäftigte in ihrer Region Arbeit finden und müssten nicht mehr pendeln. Das hätte dem einem gewissen Umwelteffekt auch positive Auswirkungen auf die regionale Bauwirtschaft, weil ja auch mehr Raum benötigt wird. Das Ganze geht aber natürlich nur schrittweise.

Was sind weitere Zukunftsthemen?

Da wäre zum Beispiel die Transformation der Jobs in Richtung Klimaschutz und Klimawandel. Wobei das auch stark mit der Digitalisierung zusammenhängt. Gerade da müssen wir der Politik aber klar machen, dass Digitalisierung nicht einfach ein Online-Formular bedeutet. Auch der Arbeitsprozess dahinter muss digital und einfacher für die unsere Kolleg*innen werden, sonst bringt das nichts. Auch nicht für die Bürger*innen.

Wie wird sich die Arbeit an sich verändern?

Wir müssen über neue Arbeitsformen nachdenken. Da gehört das Thema Altersteilzeit genauso dazu, wie das Thema Arbeitszeitverkürzung. Da werden wir jetzt in Befragungen die Kolleginnen und Kollegen mit einbeziehen. Dementsprechend werden auch unsere Forderungen sein.

younion entwickelt sich auch zu einer Sportgewerkschaft – was sind da die großen Ziele?

Wir brauchen vor allem auch im Bereich Eishockey eine kollektivvertragliche Lösung oder zumindest eine Vertragsschablone. Und längst überfällig ist ein Bundessportgesetz. Die Minister*innen wechseln aber so schnell, dass uns immer wieder die Ansprechpartner*innen abhandenkommen. Wir lassen aber nicht locker, denn es geht hier um die rechtliche Absicherung hunderter Berufssportler*innen.