Bei jedem Wetter unterwegs
Klimakrise heißt auch mehr Regen und Unwetter. Christiane und Christian bekommen das zu spüren.
Dicke Regentropfen wandeln sich in leichten Nieselregen, die Gehsteige glänzen wie frisch gewischt. Ein kühler Wind fährt unter die Jacken und lässt die Reflektoren auf den dunkelblauen Uniformen blitzen. „Heute ist es eh noch angenehm“, schmunzelt Christiane Martinek, während sie ihre Baseballkappe tiefer ins Gesicht zieht.
Neben ihrem Kollegen Christian Seiclener scannt sie zügig einen Straßenzug im 20. Bezirk. Eine links, einer rechts – kein Fahrzeug bleibt dabei unbeachtet. Die meisten Kennzeichen erscheinen Grün auf dem Display.
Lieblingsdienst: Außendienst
1.000 Mitarbeitende hat die MA 67 in Wien. Sie sind täglich in allen Bezirken unterwegs – zu Fuß, mit E-Bikes oder in Zukunft vermehrt auch mit Scan-Autos. Christian und Christiane kontrollieren die Gebührenentrichtung in Kurzparkzonen von vier Wiener Stadtteilen und checken die Einhaltung der StVO.
Christiane ist seit fast vier Jahren Kontrollorgan der Wiener Parkraumüberwachung, nach Jahren im Einzelhandel genießt sie den Tapetenwechsel – wortwörtlich. „Wir sind jeden Tag draußen. Das ist das Schönste – aber eben auch das Anspruchsvollste.“
Auch Christian, seit neun Jahren im Dienst, lacht über den Gedanken an ein Büro. „Ich bin mittlerweile Naturmensch, selbst wenn es nur ein Straßenbaum ist.“ Vorher war er im Management eines Gastronomiekonzerns – jetzt geht er lieber jeden Abend mit 15 bis 20 Kilometern in den Beinen heim.
Dass sich das Stadtklima verändert, spüren beide täglich. „Die Winter werden kürzer, Hitzetage dafür mehr und immer früher im Jahr“, sagt Christian. Die Kontrollorgane bewegen sich dort, wo es am heißesten ist: auf Asphalt, zwischen Motorhauben, Beton und Glasscheiben. „Bei über 30 Grad wechselt man freilich lieber auf die Schattenseite der Straße“, geben beide zu.
Wärme- und Kältepausen
Ab 30 Grad gibt es Kappenbefreiung, Sonnencreme wird von der Stadt Wien gestellt, ebenso die Möglichkeit zu Kälte- oder Wärmepausen und Trinkunterbrechungen. Im Winter schützt Thermokleidung, bei Starkregen darf man auf Bus oder Bim umsteigen. „Aber an den meisten Tagen gehst du einfach. Bei Wind, bei Sonne, bei allem“, sagt Christian.
Nicht nur zum Strafen da
Für die beiden ist ihr Arbeitsalltag aber deutlich mehr als Pickerl kontrollieren. „Wir strafen nicht nur, wir helfen auch“, betont Christiane. Gemeinsam mit dem Verein Puls.at sind die Parkraumüberwachungsorgane Teil des „Lebensretter-Netzwerks“ und können mittels App als Ersthelfer:innen kontaktiert werden. Dabei sind sie oft schneller als Rettung oder Polizei vor Ort.
Christian erinnert sich an Situationen, die ihn geprägt haben: Ein Mädchen vor einem Übergriff bewahrt oder einen Suizid verhindert. „Sowas bleibt und macht stolz.“
Ihm sei wichtig, dass Außenstehende die MA 67 auch als Helfer:innen sehen. Trotzdem: Vorurteile halten sich hartnäckig. „Viele reden uns nach wie vor mit Begriffen aus dem Wilden Westen an oder denken, wir machen Provision pro Strafe.“
Besonders in Wahlzeiten, erzählen beide, spitze sich die Stimmung zu. „Du bekommst einen Strafzettel und plötzlich ist Politik im Spiel – oder Herkunft. Das ist oft unangenehm.“ Gleichzeitig wissen sie um die Relevanz ihrer Tätigkeit. „Wenn wir nicht wären, wären Parkplätze für Menschen mit Behinderung vollgestellt, Ladezonen blockiert und Straßenbahnen
gestoppt“, sagt Christiane. Knapp 2.500 „Verparkungen“ gibt es monatlich in Wien. „Wir wissen, dass unser Ruf nicht der Beste ist. Aber wenn wir mal nicht da wären – dann würdet ihr uns vermissen.“
Wetterfest und Konfliktgeschult
Zwischenmenschlich ist der Job demnach ein Spagat: Vor allem weiblichen Organen wird weniger Respekt entgegengebracht. Die Dienstgeberin reagiert mit Schulungen – etwa Antikonfliktseminaren. „Man bekommt Werkzeuge, wie man Gespräche lenkt.“ Aber letztlich helfe nur Routine.
Auch die körperliche Belastung ist Teil des Berufs. Zum einen durch klimabedingte Extreme, zum anderen durch die Ausrüstung. Christiane zeigt auf den schwarzen Hüftgurt, ihr wichtigster Begleiter: Scanner, Drucker, Warnweste, Taschenlampe, Wasserflasche. Knapp vier Kilo schwer. „Früher hatte ich auch noch mein großes Börserl mit“, lacht Christiane. „Heute bin ich Minimalistin.“
Ein Blick genügt
Zurück im 20. Bezirk deutet Christian auf ein Auto, das gerade in zweiter Reihe parkt. „Schau, ein Blick genügt meistens.“ Der Fahrer sitzt noch drin, tippt auf seinem Handy. Als er die beiden sieht, startet er wortlos den Motor und rollt weiter. Kein Streit, keine Diskussion. Heute zumindest.
Vielleicht genügt auch ein Blick auf diese Reportage, um zu erkennen: Hinter dem Uniformblau der Parkraumüberwachung steckt mehr als Paragraphen der Verkehrsordnung. Nämlich Menschen, die bei Wind, Wetter und menschlichem Gegenwind jeden Tag unterwegs sind, um Wiens Straßenverkehr am Laufen zu halten.