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„Baue ein Iglu und schlafe ein paar Stunden“

Der Physiker Werner Gruber gibt Tipps, was in einer Krise zu tun ist. Und erzählt von seiner ganz persönlichen.

younited: Physiker können fast alles erklären – auch wie man Katastrophen verhindert? Was mache ich zum Beispiel, wenn mein Flugzeug abstürzt?

Werner Gruber: Da muss man schon von vorne beginnen. Denn vor einer Katastrophe steht eine Krise. In die schlitterst du hinein, da kannst du meistens nichts dafür. Die treten einfach im Leben auf. Aber egal was für eine Krise es ist, es gibt immer ein Grundproblem mit ihnen: mangelnde Information. Das ist das ganz große Dilemma in einer Krise. Denn wenn ich keine Informationen habe, dann treffe ich falsche Entscheidungen.

Also der erste Schritt, um eine persönliche Flugzeugkatastrophe zu verhindern, ist Informationen zu sammeln, schon im Vorfeld. Flieg einfach nicht mit Fliegern, die schlecht gewartet sind.

younited: Aber im Flieger? Sitze ich besser vorne oder hinten?

Werner Gruber: Ich würde mich vorne hinsetzen, weil der Vorteil ist, wenn der Flieger abstürzt, kommt noch einmal der Trolley und du kannst dir noch ein Getränk nehmen. Nein, der Punkt ist der: Es gibt tatsächlich Untersuchungen dazu, wo es sicherer ist oder nicht. Das Problem ist, dass es dann von sehr vielen Details abhängt, wo und wie du runterkommst, und was der Pilot noch machen kann. Wenn er es schafft zu landen und der Flieger bricht in zwei Teile, dann ist es sinnvoller, im hinteren Bereich zu sitzen.

younited: Und wenn ich aus dem Flugzeug falle?

Werner Gruber: Es gibt dokumentierte Fälle, bei denen Menschen einen 6.000 Meter-Absturz überlebt haben. Der erste bekannte Fall war im Zweiten Weltkrieg. Da ist ein Bomber abgeschossen worden über dem Himalaya-Gebiet. Der Pilot hatte keinen Fallschirm und ist auf einem sehr steilen Berghang aufgeschlagen, wo sehr viel Schnee war. Die Impulserhaltung hat dazu geführt, dass er von dem Berghang abgeprallt ist, er hat dabei stetig 10–20 km/h Geschwindigkeit verloren, das hält der Körper locker aus, holter di polter di bumm.

Unten am Berghang ist er aufgestanden, hat sich nur mit ein paar Prellungen abgeputzt, kein einziger Knochenbruch, gar nichts.

Das Schöne ist, wenn du aus 6.000 m Höhe runterfällst, erreichst du als normale Person maximal 200 km/h, ich vielleicht ein bisschen mehr. 200 km/h ist irre viel, du musst stückchenweise auf 40 km/h runterbremsen, das ist der Schmäh dahinter. Wenn du keinen Berg in der Nähe hast, dann lass dich in einen Baum oder in eine Hecke fallen, mit den Beinen voran. Ich behaupte jetzt nicht, dass es eine Garantie auf Überleben gibt, aber du kannst mit kühlem Kopf nach Möglichkeiten suchen.

younited: Ist es Ihnen wurscht, wo sie im Flieger sitzen?

Werner Gruber: Nein, ich sitze immer dort, wo ich meine Ruhe habe, möglichst weit weg von Leuten. Die meisten Krisen werden von Menschen verursacht.

younited: Hochwasser eher nicht.

Naja. Schauen wir uns die letzten 20 Jahre Klimapolitik an. Das Hochwasser wäre gekommen, aber nicht in der Stärke. Sagen Sie mir eine Krise, die nicht von Menschen verursacht wird.

younited: Erdbeben.

Werner Gruber: Erdbeben ist richtig. Ein Asteroideneinschlag kommt noch dazu. Das sind genau die zwei Sachen, wo du echt sagst, ok, da kannst du dich als Mensch nur darauf vorbereiten. Reden wir gleich über Erdbeben. Japan ist auf Erdbeben vorbereitet. Die trainieren ständig, bauen erdbebensicher. Als es in der Türkei gebebt hat, sind die Häuser der Reihe nach umgefallen, weil die Bauordnung falsch war. Die waren nicht vorbereitet.

Es gibt Katastrophen, die abwendbar sind, und welche, die nicht abwendbar sind. Alles, was ich vor einer Katastrophe machen kann, bringt mir was. Ein schönes Beispiel ist Wien mit der Donauinsel. Sie hat der Stadt auch dieses Mal den A… gerettet.

younited: Lassen wir weiter die Erde beben. Ich habe immer gehört, man soll sich unter den Türstock stellen.

Werner Gruber: Ein Erdbeben zeichnet sich dadurch aus, dass der zweite Hauptsatz der Mechanik aktiv wird. Normalerweise bewegt sich die Erde langsam, die Objekte oben bewegen sich mit der Erde. Wenn die Erde sich sehr ruckartig bewegt, bleiben die Objekte dort, wo sie eigentlich normalerweise sind. Sprich in der Küche fällt das ganze Geschirr runter, inklusive Messer.

Es ist also klug, sich sofort Schutz zu suchen, am besten unter einem Tisch. Ein Türstock ist bei einem mittleren oder schweren Erdbeben nicht so ideal, da es auf die Bauart des Hauses ankommt, ob er schützt. Ein Tisch kann auch dann helfen, wenn das Haus einstürzt, indem er im Idealfall eine Luftblase bildet.

younited: Gibt es eine goldene Regel im Krisenfall?

Werner Gruber: Die Inuit hatten früher eine Regel. Wenn dir eine kritische Situation passiert, baue ein Iglu und schlafe ein paar Stunden. Die größten Katastrophen passieren, wenn in Krisen durch Hektik die falschen Maßnahmen gesetzt werden. Beispiel Tschernobyl: Es kam zur Krise und die Zuständigen haben 21-mal das Falsche gemacht. Wenn sie sich erst einmal zurückgelehnt hätten, würden wir Tschernobyl nicht kennen.

Die einzige Krise, wo du sofort reagieren musst, ist Reanimation, wenn es wirklich um Leben und Tod geht. Und das zweite ist beim Christbaumbrand. Du hast genau einen Versuch, den Christbaumbrand zu löschen, keinen zweiten. Setze die Löschmaßnahmen, die du dir schon vorher überlegt hast. Ansonsten: Schnell raus der Wohnung – am besten mit der griffbereiten Dokumentenmappe.

younited: Ihre persönliche Katastrophe geschah im Jahr 2015, Herzstillstand. Martin Puntigam hat sie wiederbelebt. Machen Sie sich Sorgen, dass es wieder passiert?

Werner Gruber: Nein. Ich habe einen Defi eingebaut, ich vertraue auf Technik. Aber natürlich denkst du über das Leben und den Tod nach. Ich glaube, dass ich alles relativ gut mit einem Testament geregelt habe.

Natürlich stellt sich auch die Frage nach Pech und Glück. Das ist etwas, was im Leben total unterschätzt wird. Ja, du kannst durch Fleiß viele Dinge erreichen. Aber das ist eventuell auch eine Krise, die manche Leute haben – Selbstüberschätzung. Dass ihnen nicht klar ist, dass manche Erfolge nicht durch Leistung, sondern einfach durch Glück kommen. Genauso wie du auch Pech haben kannst.

Über Werner Gruber

Werner Gruber (54) wuchs in Ansfelden (Oberösterreich) auf. Große Bekanntheit erlangte er durch die „Science Busters“, bei der er gemeinsam mit Physiker Heinz Oberhummer und dem Kabarettisten Martin Puntigam Naturwissenschaft mit einer großen Portion „Schmäh“ erklärte. Seit dem Wintersemester 2023 lehrt Gruber an der Fakultät für Informatik der Universität Wien.

Interview: Marcus Eibensteiner