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30 Tonnen Wäsche pro Tag

Ohne die Kolleg:innen in der Großwäscherei bricht das Wiener Gesundheitssystem zusammen. Wir halfen eine Schicht mit.

„Kann ich dir weiterhelfen?“ Eine Frau in Kobaltblau zieht neugierig an ihrer Zigarette. Sie sieht wohl, dass ich hier ein wenig verloren wirke. „Ich darf heute einen Tag bei euch mitarbeiten“, antworte ich und schiebe mich dabei zwischen zwei Lkws hindurch, die gerade beladen werden. Es ist 6.15 Uhr – Dienstbeginn in der Serviceeinheit Wäsche und Reinigung (SWR).

Immer mehr Arbeiter:innen trudeln auf dem Gelände in Wien-Penzing ein. Ich folge ihnen in den 60er-Jahre-Bau, das gelb geflieste Stiegenhaus führt hinunter in die Garderobe. Die blaue Arbeitskleidung liegt schon ordentlich nach Größen sortiert bereit. Schnell umziehen, Hände desinfizieren, dann wieder hinauf in die riesige Halle. Das Licht fällt durch hohe Fenster und bricht sich im Nebel aus Dampf.

Meine Schicht beginnt in einem Ameisenhaufen aus Bewegung. Rund 150 Menschen arbeiten hier, jede und jeder an einem festen Platz. Gewaschen wird für mehrere Wiener Spitäler, das meiste kommt aus dem AKH.

Federbogenwagen mit feuchten Handtüchern rollen an mir vorbei, von der Decke hängen riesige blaue Wäschesäcke. Auf Schienen gleiten sie über die Köpfe der Beschäftigten, Hemdchen sausen auf Bügeln dazwischen. Auf dem Weg zur ersten Station tanze ich Limbo unter einem Bettlaken.

Station 1: Anlieferung

In Schutzkleidung, mit Handschuhen und Atemmasken sortieren Mitarbeitende die angelieferte Wäsche der Kliniken und Pflegewohnhäuser. Die Luft ist stickig. Jeder hier ist gegen Hepatitis und Tetanus geimpft. Der Grund? In nicht geleerten Taschen werden nicht nur Schlüssel vergessen, ab und zu landen auch Spritzen oder Nadeln in den Wäschebergen. Mir fehlt eine Impfung, ich darf deshalb nur zusehen. Nach dem Sortieren wird die Schmutzwäsche mit Spezialwaschmittel vorgewaschen, desinfiziert und neutralisiert. Der gesamte Waschgang: gerade einmal 91 Sekunden pro Kammer.

Station 2: Finisher

Als nächstes landet die Wäsche in der sogenannten Finisher-Abteilung. Dienstbekleidung wird hier händisch eingespannt, mit Dampf behandelt und durch heiße Luft getrocknet. Ich werde vor die Maschine gestellt. „Erst sortieren, den Hosenbund nach unten, einspannen und mit dem Sensor weiterschicken“, so die Anweisungen. Theoretisch simpel, praktisch gar nicht so einfach. Schon nach ein paar Minuten werden meine Arme schwer. Der Finisher arbeitet vollautomatisiert, die Sortieranlage erkennt die einzelnen Kleidungsstücke am Barcode. Die flinken Hände der Beschäftigten braucht es trotzdem. Andrei, seit vier Jahren in der SWR, schaut mir über die Schulter. „Ich schaffe ca. 1.900 Teile pro Tag“, sagt er. Ich bin bei Teil 5.

Arbeitsalltag Großwäscherei

Die Arbeit in der Großwäscherei ist anstrengend: acht Stunden stehen, monotone Bewegungen, brummende Maschinen. Besonders im Sommer wird es in der Halle drückend heiß. „Viel trinken hilft“, erzählen mir Angestellte. Aber eine Entlastung sei es nicht.

Die erste Pause ist um 8.45 Uhr, Mittagessen gibt es in drei Schichten. Im Speisesaal scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, sowohl bei der Einrichtung als auch bei den Preisen. Holzvertäfelung, grüne Fliesen, drei Menüs gibt es zur Auswahl. Kostenpunkt: Maximal 2,60 Euro. Viele schätzen die Sicherheit ihres Jobs hier, mögen die übersichtliche Arbeit und ihre Kolleg:innen. Die Arbeitszeiten sind geregelt, die Schicht endet spätestens um 15.30 Uhr. „Das ist echt ein Pluspunkt“, höre ich oft. Viele wollen hier bis zur Pension bleiben, einige sind bereits seit 20 Jahren Teil der Wäscherei.

Station 3: Mangel

Zurück in der Halle werde ich in die Mangel genommen – wortwörtlich. In dieser Abteilung landen größere Wäschestücke, oft verknotet. Erst entwirren, dann einspannen. Die Maschine schickt die schweren Bettlaken dann in die Luft. Abwechslung bringt das Einlegen von Geschirrtüchern in die Bügelwalze. Ich finde Gefallen an den gleichmäßigen Abläufen. Dazwischen Zehner-Stapel schichten, von vorne beginnen. Eine hypnotische Ordnung.

Unverzichtbare Leistung

Denkt man an Krankenhäuser, erscheinen Ärzt:innen und Pflegepersonal vor dem inneren Auge. Doch ohne die insgesamt 190 Beschäftigten der SWR würden viele Wiener Gesundheitseinrichtungen stillstehen. Mehr als 30 Tonnen Wäsche verarbeiten sie hier täglich, jährlich sind es über sieben Millionen Kilogramm. Auch wenn in den vergangenen Jahren vieles automatisiert wurde – am Ende stehen an jeder Maschine echte Menschen, die sortieren, falten, verpacken. Schwere körperliche Arbeit, die kaum jemand sieht, aber ohne die ein Spitalsbetrieb nicht möglich wäre.

Station 4: Kommissionierung

Bei der letzten Station bekomme ich eine Bestellliste für ein Pflegeheim in die Hand gedrückt: 20 Handtücher, 20 Bettlaken, 10 Wäschesäcke usw. Wo ist nochmal der Wagen mit den Kissenbezügen? Ich verliere den Überblick in diesem dampfenden Labyrinth aus hygienisch einwandfreier Wäsche. Mein Rücken schmerzt, meine Hände sind trocken von den Textilien – und mein Respekt vor den Kolleg:innen und ihrer täglichen Arbeit ist riesengroß.

Text: Katrin Kastenmeier
Bilder: Mila Zytka