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"Zoom-Fatigue": Phänomen Videokonferenzmüdigkeit

Die Müdigkeit in Folge langer und zahlreicher virtueller Meetings (die sogenannte „Zoom-Fatigue“) ist für viele Beschäftigte zum Arbeitsalltag geworden. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability. Sie liefert Gründe und Handlungsoptionen.

Während sich in der Covid-19-Pandemie der Anteil der Arbeit im Homeoffice verdreifachte, hat die Zeit der weltweiten Lockdowns ein neues Phänomen hervorgebracht: "Zoom-Fatigue"- Die Müdigkeit, die sich nach zahlreichen Videokonferenzen einstellt. Viele sprechen sogar von Erschöpfung. Das Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen hat sich mit diesem Thema mittels einer Befragung näher befasst. Das Ergebnis der bereits zweiten Phase: 62,4 Prozent der Befragten gaben an, Videokonferenzmüdigkeit zu verspüren – rund 83,8 Prozent sind regelmäßig und circa zwölf Prozent permanent hiervon betroffen.

Körpersprache wird auf ein Minimum reduziert

Während früher ein Meeting nach dem anderen im Kalender eingetragen waren, reihen sich jetzt Online-Besprechungen aneinander. Die Anmeldung erfolgt per Klick auf der Tastatur und der Bildschirm ist voll mit Köpfen der Video-Teilnehmer*innen, aufgereiht wie in einem Amphitheater. Im Hintergrund Bücherregale, Küchenmöbel, virtuelle Bilder von Sonnenuntergängen oder Waldlichtungen. Alle beobachten sich gegenseitig, aber niemand schaut jemanden an. Die Interaktion ist ungewohnt unnatürlich. Besprechungen finden nicht mehr in realen Räumen mit realen Menschen statt, man kommuniziert mit verpixelten Kacheln. Gewöhnlich helfen uns in Konversationen auch nonverbale Hinweise, wie Mimik, Stimmlage oder Körpersprache, damit wir die Situation besser einschätzen können. Darauf stärker achten zu müssen, verbraucht viel mehr Energie und macht müde. Gleichzeitig ist das unangenehme Gefühl permanenter Beobachtung auszuhalten. Nach Gianpiero Petriglieri, einem Verhaltensforscher an der Wirtschaftshochschule Insead, ist eine Videokonferenz mit vielen Leuten „wie fernzusehen, und der Fernseher schaut zurück“.

Die Dosis macht das Gift

„Zoom-Fatigue“ zeigt sich in unterschiedlicher Form, wie durch eingeschränkte Konzentration, Ungeduld, erhöhte Reizbarkeit oder fehlende Balance, aber auch durch Beschwerden wie Kopf- und Rückenschmerzen sowie Schlaf- oder Sehstörungen. Wie die kürzlich veröffentlichte Stanford-Studie zeigt, sind Frauen durch die aufeinanderfolgenden virtuellen Meetings stärker gestresst als Männer. Eine von sieben Frauen, aber nur einer von 20 Männern gibt an, sich nach Videokonferenzen "sehr" bis "extrem" geschlaucht zu fühlen. Und jüngere Personen, egal welchen Geschlechts, fühlten sich schneller müde als ältere. Die Forscher fanden heraus, dass Frauen zwar die gleiche Anzahl von Besprechungen pro Tag haben wie Männer, ihre Meetings jedoch tendenziell länger dauern. Sie machten dazwischen auch seltener Pausen – alles Faktoren, die zu erhöhter Müdigkeit beitrugen.

Aber Videokonferenzen haben auch positive Seiten. Besonders in Zeiten harter Lockdowns waren sie für viele die einzige Möglichkeit, einen halbwegs persönlichen Kontakt mit Kolleg*innen zu pflegen. Gleichzeitig schonen sie die Umwelt und sind in den meisten Fällen deutlich zeiteffizienter als physische Meetings im Büro. Die Dosis macht eben das Gift!

Belastungstreiber und Gegenmaßnahmen

Laut der IBE-Studie sind die Belastungstreiber vielfältig: Genannt werden etwa die fehlende Möglichkeit zu Netzwerken oder zur Wahrnehmung von Gestik/Mimik, die starke Belastung der Augen durch mangelnde Bildqualität, fehlende Pausen, weniger Gesprächsfluss durch die verzögerte Kommunikation oder Frust durch instabile Verbindungen. Um eine Reduktion der Belastungen herbeizuführen, bedarf es einer genauen Analyse von Belastungsfaktoren und -treibern sowie die Entwicklung von Gegenstrategien, wie ausreichende Pausen in und zwischen den Meetings, die Begrenzung der Meeting-Dauer oder eine humorvolle Moderation, die alle TeilnehmerInnen miteinbezieht.

Unbestritten ist „Zoom-Fatigue“ eine Entwicklung, der die Führungsebene aktiv begegnen muss. Wenn dies nicht geschieht, besteht eine sehr große Gefahr, dass die psychische und physische Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigt wird. Die Folgen wären steigende Krankenstände, eingeschränkte Leistungsfähigkeit sowie sinkende Motivation.

Weiterführende Links

IBE-Studie „Zoom-Fatigue“

https://news.stanford.edu/2021/04/13/zoom-fatigue-worse-women/