Fraueneishockey: Feiern wir unser Nationalteam!
Das österreichische Fraueneishockey-Nationalteam hat Geschichte geschrieben und gehört nun zu den zehn besten Mannschaften der Welt.
Im Gespräch blickt Torfrau Selma Luggin auf eine herausfordernde Zeit zurück – und spricht offen über die großen Erfolge, den außergewöhnlichen Teamgeist, aber auch über strukturelle Ungleichheiten und fehlende Wertschätzung.
„Es war wirklich ein sehr turbulentes Jahr“, erzählt Selma Luggin gleich zu Beginn. Die Vorbereitung sei nicht so verlaufen, wie man sich das vorgestellt hatte. Nach der verpatzten Olympia-Qualifikation im Februar war klar: So wird es nicht für den Aufstieg reichen. „Wir haben nicht so gut gespielt, wie wir es eigentlich können.“
Auch in der Vorbereitung in St. Pölten lief nicht alles rund. Einige Spielerinnen waren verletzt, es kam zu Ausfällen, insgesamt sei das ganze Team nicht in der gewünschten Form gewesen. „Die Vorzeichen standen nicht gut“, erzählt Luggin.
Nicht in Topform
Doch dann folgte trotzdem die Reise zur IIHF-Weltmeisterschaft nach China – und dort passierte etwas, das den Unterschied machte. „Wir sind als Mannschaft ganz eng zusammengerückt. Wir wollten das Turnier genießen, wir wollten es uns gemeinsam beweisen. Und es hat funktioniert.“ Der Druck, aufsteigen zu müssen, sei intern nicht groß gewesen. „Es war eher eine Chance für uns. Weil objektiv betrachtet hat uns eigentlich noch einiges zur Topform gefehlt.“
Das Turnier selbst begann vielversprechend. Die ersten beiden Spiele gewann das Team klar und ohne Gegentor. Dann kam die Partie gegen die Slowakei – das Spiel, das über alles entscheiden sollte. Österreich ging in Führung, doch postwendend fiel der Ausgleich.
Der Rückstand
„In der Vergangenheit kippte nach einem Gegentor oft das Momentum“, erzählt Luggin. Die Slowakei ging wenig später mit 2:1 in Führung. „Es war bislang nicht unsere Stärke Rückstände zu drehen. Doch diesmal hatte ich das Gefühl, dass wir einander vertraut haben dieses Spiel noch gemeinsam zu gewinnen.“
In dieser Phase habe sich das Team als echte Einheit gezeigt. „Wir sind mit einem Rückstand in die letzte Drittelpause gegangen, aber wir waren so überzeugt davon, dass wir das noch drehen können.“
Teamgeist
Zwei Tore im Schlussabschnitt, am Ende der Sieg – und der erste entscheidende Schritt zum Aufstieg war gemacht. „Wir wussten einfach: Wir sind besser. Und wir können das.“ Die Mannschaft sei gereift, sagt Luggin. „Wir hatten mehr mentale Stärke, mehr Teamgeist und mehr Willen als in den vergangenen Jahren. Und wir haben gezeigt, dass wir als Team auch in schwierigen Momenten bestehen können.“
Diese enge Bindung war auch der Grund, warum das Team im letzten Spiel gegen Frankreich noch einmal alles gab – obwohl der Aufstieg bereits fixiert war. Luggin selbst hatte sich im Spiel gegen die Niederlande leicht verletzt, auch andere Spielerinnen waren angeschlagen. „Aber wir wollten unbedingt noch einmal gewinnen. Wir wollten die Goldmedaille. Wir wollten nicht mit einer Silbermedaille aufsteigen.“ Der Anspruch war, alle Spiele zu gewinnen, das Turnier für Österreich souverän zu beenden. „Wir haben gesagt: Jetzt sind alle Wehwehchen egal. Keiner schont sich. Wir hauen noch einmal alles raus. Wir fahren als Gewinnerinnen nachhause - das zeigt, wie groß der Wille und der Teamgeist in diesem Kader war.“
Zwanzig Freundinnen
Für viele Spielerinnen war das der wichtigste Moment ihrer Karriere. Für manche die letzte Chance, je in der Top-Division zu spielen. Für andere – die Jüngeren – der Beginn von etwas Großem. Luggin: „So eine Gruppe wie jetzt in China hatte ich noch nie. Und ich war zwei Jahre in Schweden und zwei Jahre in Deutschland. Aber diesen Zusammenhalt, den wir dort erlebt haben, den hab ich noch nie gespürt – und das, obwohl wir nur eine kurze Vorbereitung hatten. Wir waren zwanzig Freundinnen. Nicht nur Teamkameradinnen.“
„Für mich war es ein Kindheitstraum der wahr geworden ist. Es waren einige Spielerinnen dabei, für die war das wirklich die letzte Möglichkeit, diesen Sprung noch zu schaffen. Und es ist umso schöner, dass wir es für sie geschafft haben.“ Gleichzeitig sieht Luggin großes Potenzial in der nächsten Generation: „Wir haben ein paar ganz junge Spielerinnen im Kader, die erst in den kommenden Jahren ihr Leistungsmaximum erreichen werden. Das ist eine sehr gute Ausgangslage.“
Gemeinsam noch mehr erreichen
Sie spricht von einem Core-Team, das zusammenbleiben wird, von einer positiven Stimmung, die langfristig trägt. Die Zukunft sei vielversprechend, sagt sie. Und der Glaube, dass dieses Team noch mehr erreichen kann, ist spürbar.
Durch den Aufstieg wächst auch das öffentliche Interesse– und damit ergeben sich Chancen für Fraueneishockey. „Es gibt kaum Sponsoren, und trotzdem sind wir schon so weit gekommen“, sagt Selma Luggin. „Wir können – und werden – Zuschauerrekorde aufstellen. Da ist noch so viel möglich.“ Beim letzten Top-Division-Turnier in Tschechien kamen über 120.000 Zuschauer:innen in die Hallen – eine Zahl, die deutlich macht, welches Potenzial im internationalen Fraueneishockey steckt. Für Österreich bedeutet das: mehr Sichtbarkeit, mehr Aufmerksamkeit, mehr mediale Präsenz. Luggin ist überzeugt: „Wir haben gezeigt, dass wir sportlich dazugehören – Beim nächsten Turnier wird hoffentlich auch die Berichterstattung eine andere sein.“
Die kritischen Punkte
Trotz der sportlichen Euphorie spricht Selma Luggin zum Ende des Gesprächs auch kritische Punkte an. „Wir haben zweieinhalb Wochen in dieses Turnier investiert. Manche haben sich Urlaub genommen, andere haben Prüfungen versäumt. Ich selbst studiere Jus.“
Geld gab es für den Triumph keines. „Vom Verband haben wir dafür nichts bekommen. Kein Taggeld und bislang noch keine Prämie für den Aufstieg.“ Die einzige Motivation sei gewesen, das Land zu vertreten und Geschichte zu schreiben. „Für uns war der Aufstieg auch deswegen wichtig, weil wir hoffen, dass sich jetzt endlich etwas ändert. Immerhin sind wir jetzt Teil der besten 10 Teams der Welt.“
Keine Prämie
Luggin betont, dass es nicht um übertriebene Forderungen geht. „Ich verlange kein Gehalt von den Vereinen. Aber wenn wir für Österreich mit dem Nationalteam etwas erreichen, dürfen wir schon ein bisschen mehr erwarten.“ Sie vergleicht die Situation offen mit der bei den Männern. „Wenn bei uns, wie bei den Männern, 16 Nationen in der Top-Division wären, wären wir schon lange dabei. Die bekommen für Aufstieg oder Klassenerhalt eine Prämie. Wir Frauen nicht.“ Beim Empfang am Flughafen Schwechat war Verbands-Vizepräsidentin Yasmin Sarina Stepina, aber kein männliches Mitglied des Präsidiums.
Selma Luggin: „Ich hoffe, dass sich durch diesen Aufstieg ein bisschen etwas ändert, dass die Wertschätzung in der Zukunft höher ist.“
Nur eine kurze Hose, kein T-Shirt
Sie erzählt, dass jede im Team in China bei 30 Grad eine einzige offizielle kurze Hose hatte – dieselbe seit 2019 – mit der sie einheitlich auftraten. Nicht einmal T-Shirts gab es. „Das ist jetzt hoffentlich Vergangenheit. Wie schon in der Division 1A wären wir die einzigen in der Top-Division, die unbezahlt sind.“