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Rede von Kommissions-Präsidentin von der Leyen zur Lage der Union

Am 14. September 2022 hielt Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, ihre dritte Rede zur Lage der Union (SOTEU) vor den Mitgliedern des Europäischen Parlaments in Straßburg, Frankreich. Sie zog Bilanz über die Errungenschaften des vergangenen Jahres und stellte die politischen Prioritäten für das kommende Jahr vor:

  • die Ukraine und ihre Bevölkerung weiterhin nachdrücklich zu unterstützen, auch durch die Mobilisierung der gesamten Kraft des EU-Binnenmarktes,
  • Einführung von Maßnahmen zur Unterstützung der Europäer*innen bei der Bewältigung der Energiekrise,
  • Unterstützung des Unternehmensumfelds, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen, um die künftige Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken,
  • Verringerung der Abhängigkeit der EU von russischen fossilen Brennstoffen und enge Zusammenarbeit mit zuverlässigen Lieferanten,
  • weitere Investitionen in erneuerbare Energien und insbesondere in Wasserstoff,
  • globale Führungsrolle bei der Anpassung an den Klimawandel und beim Schutz der Natur und
  • weiteres Eintreten für die Demokratie im eigenen Land und in der ganzen Welt sowie für die Rechtsstaatlichkeit.

Vor dem Hintergrund des anhaltenden Krieges in der Ukraine brachte Ursula von der Leyen ihre Vision zum Ausdruck, dass die Europäische Union Kurs halten, sich auf die Zukunft vorbereiten, gemeinsam stark sein und die Demokratie verteidigen muss. In diesem Zusammenhang erläuterte die Präsidentin den Vorschlag für eine Sofortmaßnahme zur Bekämpfung der hohen Energiepreise. Sie schlug vor, das Jahr 2023 zum Europäischen Jahr der Kompetenzen zu machen und sprach sich für den Europäischen Green Deal, NextGenerationEU, sowie für eine tiefgreifende und umfassende Reform der Elektrizitätswirtschaft und insbesondere des Wasserstoffs aus. In diesem Zusammenhang kündigte sie auch die Gründung einer neuen Europäischen Wasserstoffbank und unter anderem die Sanierung beschädigter ukrainischer Schulen an.

Energiepolitische Initiativen

  • Einführung einer Übergewinnsteuer für Unternehmen
  • Entkoppelung des Strom- vom Gaspreis (Änderung des Merit-Order-Prinzips)
  • NextGenerationEU wird für einen konstanten Investitionsstrom sorgen, um Arbeitsplätze und Wachstum zu erhalten
  • befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen wird geändert werden, um staatliche Garantien zu ermöglichen und gleichzeitig gleiche Wettbewerbsbedingungen zu wahren

Vor allem die Energiekrise spricht von der Leyen konkret an: „Unsere Freunde im Baltikum haben hart daran gearbeitet, ihre Abhängigkeit von Russland zu beenden. Sie haben in erneuerbare Energien, in LNG-Terminals und in Verbindungsleitungen investiert. Dies kostet eine Menge. Doch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland kommt uns viel teurer zu stehen. Wir müssen uns in ganz Europa von dieser Abhängigkeit befreien. Aus diesem Grund haben wir uns auf eine gemeinsame Speicherung geeinigt. Wir stehen jetzt bei 84 %. Wir übertreffen damit unser Ziel.“

So hält sie auch deutlich fest, dass der Energiemarkt, so wie er jetzt ist, nicht mehr funktioniert. Auch die gravierenden Liquiditätsprobleme der Energieunternehmen europaweit führen zu massiven Problemen auf den Strommärkten. Sie kündigte auch an, im Verbund mit den Marktregulierungsbehörden diese Probleme zu lösen, indem die Regeln für Sicherheiten geändert und die Preisvolatilität innerhalb eines Tages begrenzt werde. Weiters schlägt sie nicht nur eine Entkoppelung von Strom- und Gaspreis vor, sondern auch die Einführung einer Übergewinnsteuer für Unternehmen, die in der Krise profitiert haben.

Weiterführende Informationen und die Rede im Wortlaut.

Kurzbewertung der energiepolitischen Maßnahmen

Wir befinden uns bereits seit Monaten in einer massiven Energiekrise. Die Leistbarkeit von Energie und die Versorgungssicherheit sind in Gefahr. Bereits jetzt sind die enorm hohen Energiepreise eine Belastung für Konsument*innen, Gewerbe und Industrie. Gleichzeitig sind die Strompreise der wesentliche Treiber der Inflation. Eine wirksame Senkung der Energiepreise für private Haushalte, aber auch für Gewerbe und Industrie kann nur dann gelingen, wenn der Großhandelspreis für Strom gesenkt wird. Eine Halbierung des Strompreises auf Großhandelsebene führt laut AK-Berechnungen in Österreich zu einer Reduktion der Inflationsrate um 2,2 Prozentpunkte.

Aus gewerkschaftlicher Sicht sind die Ankündigungen der Präsidentin der Kommission durchaus positiv zu bewerten, wiewohl sie doch reichlich spät erfolgen. Dies liegt auch daran, dass die österreichische Bundesregierung keinen Druck ausübte und bisher meist nur „beobachtete“.

Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft stellt fest: „Positiv ist, dass die EU-Kommission endlich in den Markt eingreifen will und die sogenannten Windfall-Profits der Erdöl- und Erdgasunternehmen im Fokus hat und von ihnen einen ‚Solidaritätsbeitrag‘ in Form einer Übergewinnsteuer einfordert. Der kolportierte Steuersatz von 33 % ist allerdings zu gering, außerdem ist nicht die gesamte Wertschöpfungskette des fossilen Sektors umfasst. Hier gilt es, noch nachzubessern. Erfreulich ist auch, dass die Präsidentin für Regeln für Sicherheiten und eine Begrenzung der Preisvolatilität innerhalb eines Tages sorgen wird, um damit die Liquiditätsprobleme von Energieunternehmen zu beheben. Wichtig ist auch, dass unsere Kernforderung bezüglich einer Entkoppelung von Strom- und Gaspreis angekündigt wurde. Damit kann auch die Inflation gedämpft werden.“

Die konkreten Beschlüsse und Vorlagen der Kommission sind in den nächsten Wochen zu erwarten und werden einer eingehenden Bewertung unterzogen.

„Wie immer offenbaren Krisen die Schwächen unseres Systems, sie zeigen aber auch auf, was konkret zu tun ist. Daher gilt es jetzt die Sozialpolitik zu stärken, den Energiemarkt zu reformieren, die Besteuerung und die wirtschaftspolitische Steuerung in der EU zu reformieren“, schließt Kattnig.

Quellen:
Europäische Kommission, younion _ Die Daseinsgewerkschaft;