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Offener Brief zur Sorgfaltspflicht

Die Nachrichten über schreckliche Unfälle in Textilfabriken im globalen Süden haben sich in den letzten Jahren gehäuft. Nach allzu langer Untätigkeit seitens der EU wird die EU-Kommission im Oktober 2021 einen Legislativvorschlag zur Sorgfaltspflicht zum Schutz von Menschenrechten und der Umwelt in der Lieferkette vorlegen. Gemeinsam mit 14 anderen Menschenrechts- und Arbeitnehmer*innenorganisationen hat AK EUROPA ihre Forderungen in einem offenen Brief dargestellt.

Mehr als 250 Menschenleben forderte das Feuer in der Ali Enterprises Fabrik vor genau neun Jahren, 1.138 Menschen fielen dem Einsturz des neunstöckigen Gebäudes Rana Plaza im Jahr 2013 zum Opfer. Solche Katastrophen zeigen die desolaten Arbeits- und Sicherheitsbedingungen in der Textilindustrie auf. Anlässlich dieses traurigen Jahrestages veröffentlichten 15 Menschenrechts- und Arbeitnehmer*innenorganisationen einen offenen Brief, welcher die Entscheidungsträger*innen der EU dazu auffordert, sich mit den grundlegenden Problemen von Sozialaudits auseinanderzusetzen. Unter Sozialaudits versteht man die formale Überprüfung sozialer Standards eines Unternehmens wie Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und Umweltmanagement. Die Ausführung solcher Audits ist jedoch oft mangelhaft: Nur wenige Wochen vor dem tödlichen Brand hatte ein Sozialprüfungsunternehmen die Fabrik als sicher zertifiziert. Dies geschah trotz ernsthafter und offensichtlicher Risiken. Dabei handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall: Täglich werden Prüfbescheinigungen über die Sicherheit von Fabriken ausgestellt, obwohl es an den betreffenden Standorten zu schwerwiegenden Risiken und Verstößen kommt.

Daher fordern AK EUROPA und die Mitunterzeichner*innen des Schreibens Justizkommissar Didier Reynders und Binnenmarktkommissar Thierry Breton, die Mitglieder des Europäischen Parlaments und die Mitgliedstaaten dazu auf, folgende Punkte in der bevorstehenden Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht für Unternehmen in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt sicherzustellen:

  • Haftung der Sozialprüfer*innen: Dies ist entscheidend, damit Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können.
  • Ende der Straffreiheit für Unternehmen im Globalen Norden: Es ist inakzeptabel, dass Unternehmen, die sich Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zu Schulden kommen lassen, straffrei davonkommen oder aufgrund von Verjährung die Klage abgewiesen wird wie im Fall der Textilkette „Kik“ bei Ali Enterprises.
  • Klare Haftungsregelungen: Diese sollen den Opfern von Unternehmensmissbrauch Zugang zu Recht und Rechtsmitteln verschaffen. Das gilt auch für Situationen, bei denen Opfer durch fahrlässige und fehlerhafte Prüfungen Schaden erleiden.
  • Sozialaudits und private Zertifizierungen: Diese dürfen nicht als adäquater Nachweis für die Einhaltung der Sorgfaltspflicht vor Gericht oder bei anderen relevanten Durchsetzungsmaßnahmen gelten. Stattdessen ist die Einführung von Risikomanagementprozessen notwendig. Die UN-Leitlinie für Wirtschaft und Menschrechte ist hier maßgebend.

Neben AK EUROPA haben, z.B. der Europäische Gewerkschaftsbund (ETUC), das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR), die Kampagne für Saubere Kleidung und industriAll Europe den offenen Brief unterzeichnet.

Unterstütze jetzt die Petition für ein Lieferkettengesetz im Rahmen der Kampagne „Menschenrechte brauchen Gesetze!“.

Weiterführende Informationen: 
A&W Blog: EU-Lieferkettengesetz - Meilenstein oder Etikettenschwindel? 
AK EUROPA: Start der Kampagne zu Unternehmensverantwortung 
Business & Human Rights Resource Centre: Wer prüft die Prüfer? Gestaltung von Rechenschaftsstrategien angesichts von Sozialaudit-Defiziten

Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), Arbeit & Wirtschaft Blog, Bundesministerium Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, Business & Human Rights Resource Centre, Europäisches Parlament, Kampagne für Saubere Kleidung, Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe), nytimes.com, publiceye.ch;