
Infomailing vom 22.6.2022
Internationaler Tag der öffentlichen Dienste 2022
EGÖD: Arbeitnehmer*innen sind bereit für Veränderungen
Der 23. Juni ist der Welttag der öffentlichen Dienste. Dieses Jahr kann dieser Tag ohne die rigiden Einschränkungen begangen werden, die am Höhepunkt der Pandemie zu beachten waren. Allerdings vergessen wir nicht, was diese Pandemie für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst für Folgen hatte, denn sie haben dafür gesorgt, dass unsere Gesellschaft weiter funktioniert hat. Wir feiern die Arbeitnehmer*innen, die ihr Leben der Aufgabe widmen, öffentliche Dienste zu erbringen und für die Achtung der Menschenrechte zu sorgen. Arbeitskräfte in der Entsorgungswirtschaft, Pflegepersonal, Büchereiangestellte, Beamt*innen, Personal im Strafvollzug, Feuerwehrleute, Personal in Steuerbehörden und statistischen Ämtern, Ingenieur*innen, Sozialarbeiter*innen, Geburtshelfer*innen, Empfangspersonal, Reinigungskräfte – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Gemeinsam sind wir 24 Stunden täglich und an 7 Tagen in der Woche im Einsatz. Der internationale Tag der öffentlichen Dienste ist ein Tag der Anerkennung für diese Beschäftigten.
Am Beginn der COVID-19-Pandemie gab es von den Menschen aus ihren Wohnungen weltweit viel Applaus und Wertschätzung für diejenigen, die an vorderster Front im Einsatz waren. Es war eine willkommene Anerkennung, aber das ist nicht ausreichend. Der Europäische Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD) fordert einen Wandel. Applaus und freundliche Worte sind kein Ersatz für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und sichere Personalbemessung. Wir müssen unsere öffentlichen Dienste stärken. Sie sind der Schlüssel für die Bekämpfung des Klimawandels, für sozialen Fortschritt und soziale Gerechtigkeit.
Beschäftigte im öffentlichen Dienst bekommen den Druck der Inflation auf die Löhne besonders hart zu spüren. Eine mehr als zehn Jahre währende Austeritätspolitik mit Entlassungen, Lohn-Nullrunden und Einstellungsstopps hat dazu geführt, dass viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst abgehängt wurden. Bei einer Inflation von prognostizierten 6,8 % dieses Jahr in der Europäischen Union, die im Vereinigten Königreich auf 9 %, in Serbien auf 9,6 % und in der Türkei auf 69,9 % steigen kann, sind es wieder einmal die Arbeitnehmer*innen, die am stärksten davon betroffen sind.
Der EGÖD warnt seit langem vor den Folgen der Liberalisierung und der Kommerzialisierung öffentlicher Dienste. Diese Maßnahmen bringen der arbeitenden Bevölkerung keinerlei Vorteile und demontieren eine wichtige Säule der Stabilität für unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften. Diese Praktiken leiten öffentliche Mittel und Ressourcen zugunsten gewinnorientierter Unternehmen um. Ein hervorragendes Beispiel für die Folgen dieser Politik ist das im Sozialsektor tätige französische multinationale Unternehmen Orpea.
Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst wollen Veränderungen. Seit einigen Wochen fordern wir auf Demonstrationen und mit Arbeitskampfmaßnahmen höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal. Wenn diese Rahmenbedingungen nicht schnellstens geändert werden, wird es den Beschäftigten im öffentlichen Dienst kaum möglich sein, qualitativ hochwertige Dienstleistungen nach ihren Zielvorstellungen zu erbringen.
Wir können etwas Positives bewirken. Die Gewerkschaften in Europa beweisen, dass Veränderungen möglich sind. Im Entsorgungssektor im Vereinigten Königreich hat es in letzter Zeit landesweite Auseinandersetzungen und Aktionen gegeben – und Arbeitnehmer*innen haben erfolgreich höhere Löhne durchgesetzt. Norwegische Gewerkschaften haben umfassende Lohnerhöhungen für kommunale und staatliche Beschäftigte erreicht. Unsere deutsche Mitgliedsorganisation ver.di hat einen bemerkenswerten Erfolg für 330.000 Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst erzielt, die jetzt mehr Entlastungstage und höhere Zulagen bekommen. Solche Beispiele sind eine Inspiration für die Beschäftigten, die sich in Europa und überall auf der Welt für eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingung einsetzen.
Am 23. Juni feiern wir die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die sich inmitten eines bewaffneten Konflikts wie z. B. in der Ukraine für ihre Belange einsetzen. Sie kämpfen jeden Tag und riskieren ihr Leben, um die Energie- und Wasserversorgung, die Gesundheitsversorgung und andere Dienstleistungen für ihre Gemeinschaften sicherzustellen. Es leben die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes!
Quellen:
Europäischer Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD);
570. Plenartagung des EWSA
Die 570. Plenartagung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) fand von 15. – 16. Juni 2022 statt.
EWSA weist den Weg in die europäische Zukunft der Ukraine
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hat nur eine Woche vor dem EU-Ratsgipfel seine zweite Entschließung zur Ukraine angenommen, in der er den bedingungslosen Kandidatenstatus des Landes für den Beitritt zur EU nachdrücklich unterstützt. Die europäische Zivilgesellschaft wird Hand in Hand mit der Ukraine für die Ukraine am Wiederaufbau des Landes arbeiten, um einen stärkeren, grüneren, widerstandsfähigeren und nachhaltigeren europäischen Partner zu schaffen.
Der EWSA hat heute die zweite EWSA-Entschließung zur Ukraine verabschiedet: „Von der Nothilfe zum Wiederaufbau – Vorschläge der europäischen Zivilgesellschaft“, in der der Schwerpunkt auf dem EU-Beitritt des Landes auf der Grundlage der Erfüllung des gemeinschaftlichen Besitzstandes (acquis communautaire) liegt. In der Entschließung wird deutlich gemacht, dass die Kandidatur der Ukraine nicht zu Lasten des laufenden Beitrittsprozesses der westlichen Balkanstaaten gehen darf.
EWSA-Präsidentin Christa Schweng unterstrich: „Unsere Entschließung sendet eine klare Botschaft an die Kommission und den Rat, der Ukraine den Kandidatenstatus zu gewähren. Die Ukraine hat es verdient, und ihrem Volk muss eine klare europäische Perspektive geboten werden.“
Der Vorsitzende der Arbeitnehmer*innengruppe und einer der Berichterstatter der Entschließung, Oliver Röpke, betonte, dass die EU zusammen mit den Organisationen der Zivilgesellschaft (CSO) die Rolle der wichtigsten institutionellen Unterstützer des Wiederaufbaus der Ukraine nach dem Krieg übernehmen müsse: „Wir werden gemeinsam mit der Ukraine darauf hinarbeiten, dass die Ukraine schrittweise die in den europäischen Verträgen geforderten Standards für den Beitritt zur Union erfüllt.“
Im Hinblick auf den Wiederaufbau des Landes wird in der Entschließung die unmittelbare Notwendigkeit einer europäischen und internationalen Finanzhilfe hervorgehoben, um die ukrainische Wirtschaft vor dem völligen Untergang zu bewahren.
Zu diesem Zweck erklärte Stefano Mallia, Mitberichterstatter und Vorsitzender der Gruppe der Arbeitgeber*innen im EWSA: „Wir fordern die EU-Institutionen auf, spezielle Soforthilfemittel für KMU bereitzustellen, die zunächst für den Erhalt und dann für das Wachstum der KMU eingesetzt werden sollten.“
Da die Zivilgesellschaft seit Beginn des Krieges einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung der Ukraine geleistet hat, wird ihre Rolle bei der Erholung des Landes nach dem Krieg von größter Bedeutung sein. Die Zivilgesellschaft der EU, die mit den ukrainischen zivilgesellschaftlichen Organisationen verbunden ist, muss eng in den Wiederaufbauprozess eingebunden werden, um sicherzustellen, dass rechtsstaatliche Reformen, die Korruptionsbekämpfung sowie der grüne und digitale Wandel erreicht werden können.
Wie Séamus Boland, Vorsitzender der Gruppe der Organisationen der Zivilgesellschaft, es ausdrückte: „Zivilgesellschaftliche Akteure müssen im Mittelpunkt der Programmierung, Umsetzung und Überwachung der humanitären Hilfe der EU und der Mitgliedstaaten für die Ukraine stehen – sowohl während des Krieges als auch beim Wiederaufbau des Landes.“
Botschafter Vsevolod Chentsov, Leiter der ukrainischen Mission bei der EU, ergriff das Wort und bedankte sich für die Solidarität der EU-Mitgliedstaaten, wobei er betonte, dass der EU-Kandidatenstatus ein „existenzieller Moment für uns“ sei.
Im diesem Sinne fügte auch Marta Barandiy, Vorsitzende der NGO Promote Ukraine, hinzu, dass die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Unterstützung von Flüchtlingen zum jetzigen Zeitpunkt von entscheidender Bedeutung sei, dass sie aber im Wiederaufbauprozess noch wichtiger sein werde. Mariya Korolchuk, Vertreterin von CORE und der NGO Funky Citizens, betonte in einem emotionalen Ton, dass das ukrainische Volk stark und entschlossen sei, sein Land im Hinblick auf eine europäische Zukunft zu gewinnen und wiederaufzubauen.
Konferenz über die Zukunft Europas – ein einzigartiges demokratisches Ereignis, das gründlich nachbereitet werden muss
Auf der Juni-Plenartagung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses waren sich EWSA-Präsidentin Christa Schweng und die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Dubravka Šuica, einig, dass es nach einem Jahr der Debatte über die Zukunft der EU nun darauf ankomme, den Menschen in Europa konkrete Folgemaßnahmen zu bieten.
Die kollektiven Anstrengungen der Organisationen der Zivilgesellschaft im vergangenen Jahr haben sich gelohnt, und die Konferenz über die Zukunft Europas hat zu bedeutenden Ergebnissen in Fragen geführt, die den Europäer*innen am Herzen liegen. Mit dieser Botschaft begrüßte EWSA-Präsidentin Christa Schweng Dubravka Šuica, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für Demokratie und Demografie, auf der EWSA-Plenartagung am 15. Juni 2022.
„Auf der Grundlage von Empfehlungen der Bürger*innen und nach Beiträgen aller Interessenträger wurden 49 Vorschläge angenommen. Sie enthalten viele zukunftsweisende Ziele, wie z.B. die ausdrückliche Ermächtigung des EWSA als Vermittler und Garant für Aktivitäten der partizipativen Demokratie“, sagte Schweng.
Sie fügte hinzu, dass die Herausforderung nun eine doppelte sei. Zum einen gelte es, dieser Aufforderung nachzukommen und den bestmöglichen Weg zur Unterstützung des strukturierten Dialogs mit den Organisationen der Zivilgesellschaft zu finden. Zweitens, die Konferenz weiterzuverfolgen und dafür zu sorgen, dass diese Übung nicht nach hinten losgeht und zu Ressentiments gegenüber der EU und ihren Institutionen führt. Zu diesem Punkt hat der EWSA konkrete Vorschläge gemacht: Das Feedback sollte gründlich, einfach und transparent sein und in Form eines Online-Dashboards sowie eines öffentlichen Screenings erfolgen.
Šuica betonte, dass „der Ausschuss ein wesentlicher Bestandteil des demokratischen Ökosystems ist, das für die Zukunft gerüstet ist. Ihre Arbeit stärkt das Vertrauen und verringert die Kluft zwischen Bürger*innen und Institutionen. Jetzt kommt es darauf an, dass wir den Europäer*innen Feedback zu diesem einzigartigen demokratischen Prozess geben. Die Kommission wird immer auf der Seite derjenigen stehen, die die Europäische Union reformieren wollen, damit sie besser funktioniert. Eine Vertragsänderung sollte jedoch kein Selbstzweck sein; es gibt viel, was im Rahmen der bestehenden Verträge getan werden kann und muss.“
Bei der Ankündigung der Folgekonferenz, die im Herbst 2022 stattfinden soll, sagte sie, „dass diese Veranstaltung dem gesamten Prozess ein Siegel der Legitimität verleihen werde, denn die Demokratie sei kostbar, und wir dürften sie niemals als selbstverständlich ansehen, wie uns die tragischen Ereignisse in der Ukraine in Erinnerung rufen. Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Demokratie weiterzuentwickeln, und jetzt machen wir unsere Demokratie fit für die Zukunft“.
In der anschließenden Debatte betonte der Vorsitzende der Gruppe der Arbeitgeber*innen im EWSA, Stefano Mallia, dass die Konferenz über die Zukunft Europas zeige, wie partizipative und repräsentative Demokratie gut zusammenarbeiten könnten.
Oliver Röpke, Vorsitzender der Gruppe Arbeitnehmer*innen des EWSA, stellte mit Genugtuung fest, dass die Konferenz trotz unterschiedlicher politischer Auffassungen Einigkeit in Bezug auf die Idee gezeigt habe, Europa zu stärken und sicherzustellen, dass es die anstehenden Krisen bewältigen könne.
Im Namen der Gruppe der Organisationen der Zivilgesellschaft des EWSA wies deren Vorsitzender Séamus Boland darauf hin, dass die abschließenden Empfehlungen der Konferenz echte Folgemaßnahmen erfordern, die zu greifbaren politischen Ergebnissen führen, und dass die Kommission die Ergebnisse in ihr Arbeitsprogramm 2023 aufnehmen sollte.
Während der gesamten Dauer der Konferenz vom 9. Mai 2021 bis zum 9. Mai 2022 hat der EWSA in allen Konferenzgremien als Hüter und Träger der Stimme der europäischen organisierten Zivilgesellschaft hart gearbeitet. Der Ausschuss unterstützte die Durchführung von 75 Veranstaltungen, davon 33 auf nationaler und 42 auf zentraler Ebene, von denen 60 % Berichte auf der Konferenzplattform veröffentlichten, so dass mehr als 7.600 Teilnehmer*innen zusammenkamen und 60 neue Ideen auf der Konferenzplattform kodiert werden konnten.
EWSA bewertet „dritten Weg“ Europas zur Digitalisierung
Mit der Erklärung zu digitalen Rechten und Grundsätzen sowie dem Datengesetz unternimmt die EU zwei weitere Schritte zur Schaffung eines digitalen Raums, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt, wie eine Debatte auf der Juni-Plenartagung des EWSA deutlich machte.
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) veranstaltete auf seiner Plenartagung am 15. Juni eine Debatte über digitale Rechte und Grundsätze mit Prof. Andrea Renda, Senior Research Fellow und Leiter des Bereichs Global Governance, Regulierung, Innovation und digitale Wirtschaft am Centre for European Policy Studies (CEPS). Die Debatte stand im Zusammenhang mit der Verabschiedung der EWSA-Stellungnahmen zu dem Entwurf der Europäischen Erklärung zu digitalen Rechten und Grundsätzen und dem Datengesetz.
Zu Beginn der Debatte wies EWSA-Präsidentin Christa Schweng auf das rasante Wachstum der Datenwirtschaft hin, die nach Prognosen der Europäischen Kommission bis 2025 in der EU-27 ein Volumen von 829 Milliarden Euro erreichen wird. Deshalb seien die beiden zur Debatte stehenden Rechtsakte so wichtig, wenn Europa weltweit wettbewerbsfähig bleiben und gleichzeitig seine Demokratie und die Privatsphäre der Bürger*innen schützen wolle.
„Digitale Grundsätze wie Internetzugang für alle, ein sicherer Online-Raum und die Schaffung von Algorithmen, die den Menschen respektieren, sind von entscheidender Bedeutung“, sagte sie. „Unsere oberste Priorität ist die Förderung und Wahrung der EU-Werte im digitalen Raum. Wir müssen die digitalen Rechte und Grundsätze als eine Chance für Europa und für Unternehmen aller Größenordnungen sehen. Es ist in der Tat unsere Chance, unsere Vision einer fairen und ethischen digitalen Transformation zu verteidigen und zu fördern.“
Prof. Renda brachte seine Unterstützung für die Erklärung der digitalen Rechte und Grundsätze sowie für den Data Act als zwei Teile des Puzzles des EU-Regulierungssystems (das unter anderem den AI Act, den Digital Services Act, den Digital Markets Act und den Data Governance Act umfasst) zum Ausdruck, das gerade zusammengesetzt wird. Dieses System stelle eine Alternative sowohl zum US-amerikanischen System dar, das von privater Governance in den Händen riesiger Konzerne dominiert werde, als auch zum staatlich kontrollierten chinesischen System, in dem die von großen Tech-Giganten erworbenen Daten zu einem Instrument der staatlichen Massenüberwachung geworden seien.
Prof. Renda erläuterte, dass dieses Modell des „dritten Weges“ auf Ideen wie nutzer*innenzentrierten digitalen Diensten, einem integrativen digitalen Umfeld, das Fähigkeiten, Befähigung und Zugang zu Konnektivität erfordert, Wahlfreiheit, Pluralismus, Partizipation und der Verhinderung von Manipulationen durch Einzelpersonen beruht.
„Wir haben diese Vorstellungen von Sicherheit, die nicht nur verantwortungsbewusstere Einzelpersonen und Privatunternehmen erfordern, sondern auch schärfere und mächtigere Regierungen, die über die Instrumente verfügen, um zu prüfen, was sicher ist und was sich zu etwas entwickeln könnte, das es nicht ist“, sagte er. „Und wir sprechen von Nachhaltigkeit – nicht nur von ökologischer, sondern zunehmend auch von wirtschaftlicher und sozialer Nachhaltigkeit, denn das bisherige Modell ist wirtschaftlich und sozial nicht tragfähig.“
Digitale Rechte und Grundsätze: ein großer Schritt nach vorn
„Das Bekenntnis der Europäischen Union zu digitalen Rechten und Grundsätzen ist von großer Bedeutung, um die immer noch bestehende digitale Kluft zu überwinden, insbesondere wenn es um den Zugang zu öffentlichen Online-Diensten und privaten Dienstleistungen für die alternde und ländliche Bevölkerung geht“, so Philip von Brockdorff, Berichterstatter der EWSA-Stellungnahme zum Entwurf der Erklärung zu digitalen Rechten und Grundsätzen.
Er betonte außerdem, dass die Erklärung die nachhaltige Entwicklung in ihrer Gesamtheit unterstützen sollte, und zwar nicht nur in Bezug auf Umweltziele, sondern auch im Hinblick auf die soziale Nachhaltigkeit, die Minimierung der schädlichen Auswirkungen der digitalen Technologien und die Maximierung ihres Potenzials und ihrer positiven Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft.
Datengesetz: Berücksichtigung berechtigter Anliegen der Bürger*innen
Bei der Vorstellung der EWSA-Stellungnahme zum Datengesetz verglich der Berichterstatter Marinel Dănuț Muresan die Auswirkungen des Datengesetzes mit denen von Bodengesetzen auf die Art und Weise, wie Menschen Land besitzen und nutzen. Er betonte die Notwendigkeit, auf die legitimen Bedenken der Zivilgesellschaft einzugehen: „Die Sicherheit der EU-Bürger*innen ist sehr wichtig. Jede*r Beteiligte muss Zugang haben. Wir müssen Datenzentren entwickeln, die die Regeln der Cybersicherheit befolgen, und sicherstellen, dass alle, die Daten verarbeiten, kontinuierlich geschult werden und dass alle Beteiligten, insbesondere KMU, fairen Zugang erhalten.“
Für mehr Information.
Quellen:
Europäische Kommission, Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA);
EU-Parlament möchte Produkte aus Zwangsarbeit vom EU-Markt verbannen
Mit einer neuen Entschließung forderte das EU-Parlament die EU-Kommission am 9. Juni 2022 dazu auf, Produkte vom EU-Markt zu verbannen, die unter Zwangsarbeit und menschenunwürdigen Bedingungen entstehen. Aus Sicht der Arbeiterkammer ist dieser Vorstoß des EU-Parlaments sehr zu begrüßen.
Ob in den Zuckerplantagen in Pakistan, im Kobalt-Bergbau in der Demokratischen Republik Kongo oder in den Einweghandschuh-Fabriken in Malaysia: Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen stehen leider immer noch auf der Tagesordnung. Zuletzt verhängten die US-amerikanischen Zollbehörden wegen des Verdachts auf Zwangsarbeit einen Einfuhrstopp für Einweghandschuhe des malaysischen Produzenten WRP Asia Pacific. Laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) sind weltweit etwa 25 Millionen Menschen in einer Situation der Zwangsarbeit. Schon lange forderte das EU-Parlament, NGOs, Gewerkschaften und die Arbeiterkammer die EU-Kommission auf, gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen tätig zu werden.
Im Februar 2022 präsentierte die EU-Kommission schließlich ihren Vorschlag für ein EU-Lieferkettengesetz. Ein Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit ist im EU-Lieferkettengesetz jedoch nicht enthalten. Der Vorsitzende des Handelsausschusses des EU-Parlaments, Bernd Lange (S&D), legte am 22. März 2022 einen Entschließungsantrag vor, der die EU-Kommission auffordert, rasch eine effektive Regelung zur Zwangsarbeit auszuarbeiten. Das EU-Parlament stimmte dieser Resolution am 9. Juni 2022 nach einer Aussprache fast einstimmig zu. „Um Zwangsarbeit wirksam zu bekämpfen, brauchen wir ein echtes Importverbot für den europäischen Binnenmarkt, welches den Behörden erlaubt, Produkte bei Verdacht an der Grenze zu stoppen“, so Anna Cavazzini, Mitglied des EU-Parlaments (Grüne).
Menschen, die Zwangsarbeit verrichten, sind unterschiedlichen Formen von Zwang ausgesetzt, z.B. (angedrohter) Gewalt, Vorenthaltung des Lohns, übermäßige Überstunden oder Drohungen gegen die Familie. Zur Feststellung von Zwangsarbeit sollten laut EU-Parlament die von der IAO definierten elf Indikatoren herangezogen werden. Das zukünftige Instrument soll WTO-konform und nach dem Vorbild der USA und Kanadas konstruiert sein, welche seit 2020 laut dem Handelsabkommen USA-Mexiko-Kanada (USMCA) verpflichtet sind, Waren aus Zwangsarbeit zu verbieten. Der Rechtsakt soll sich zum Ziel setzen, Waren an der EU-Grenze zu stoppen, wenn es den begründeten Verdacht gibt, dass sie unter Zwangsarbeit hergestellt wurden. Das EU-Parlament fordert weiters, dass ein öffentliches Verzeichnis der mit Sanktionen belegten Einrichtungen, Gebiete und Produkte erstellt wird, damit die Zollbehörden die Produkte schnell aus dem Verkehr ziehen können. Eine weitere wichtige Forderung des EU-Parlaments ist, dass Unternehmen, deren Produkte unter Zwangsarbeit hergestellt wurden, Wiedergutmachung an die betroffenen Arbeitnehmer*innen leisten müssen. Außerdem muss es zivilgesellschaftlichen Akteuren oder Gewerkschaften möglich sein, auf potenzielle Verstöße hinzuweisen und Nachforschungen anzustoßen. Als Koordinierungs- und Informationssystem soll eine öffentliche Datenbank eingerichtet werden, welche Informationen zu einzelnen Lieferanten und dem mit ihnen verbundenen Risiko enthält (Supply-Chain Mapping).
Forderungen der Arbeiterkammer
Die Arbeiterkammer tritt dafür ein, dass die EU ihre Marktmacht dafür nutzt, um Zwangsarbeit effektiv zu bekämpfen. „Ausbeuterische Arbeit bedeutet auch, dass Gewerkschaften und Tarifverhandlungen verhindert werden. Nur wenn sich Arbeiter*innen vereinigen können, haben sie die Möglichkeit, gemeinsam für existenzsichernde Löhne zu kämpfen“, so Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl. Die handelsbasierte Maßnahme soll – so die Forderung der Arbeiterkammer – sicherstellen, dass nicht nach geographischer Herkunft diskriminiert wird, sondern die Import- und Exportverbote evidenzbasiert passieren. Weiters muss auf Kohärenz mit dem Aktionsplan zu Nachhaltigkeitskapiteln und deren Verankerung in Freihandelsabkommen geachtet werden. Die EU-Kommission hat nun bereits auf den öffentlichen Druck reagiert und angekündigt, einen Rechtsvorschlag im September 2022 vorzulegen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: Richtlinie über unternehmerische Sorgfaltspflichten
Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), annacavazzini.eu, Arbeiterkammer Wien, Europäisches Parlament, gibsondumm.com, Internationale Arbeitsorganisation (IAO), LabourNet Germany, table.media, taz.de;