INFOMAILING VOM 07.09.2022
Interview: „Wir müssen unabhängig werden“!
Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft, über die Energiekrise, Teuerung und Wege aus der Krise
Was sind die Ursachen für die aktuelle Preisexplosion?
Kattnig: Die Energiepreise stiegen ja bereits seit 2021, aber mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine steigen die Preise exorbitant. Wir müssen daher von einer Zeit vor und nach Beginn der Ukraine-Krise sprechen. Davor war in erster Linie die weltweit rasant zunehmende Nachfrage nach Gas ausschlaggebend, die zu einer Verknappung der Lieferungen in die EU führte. Fehlende Investitionen aufgrund der Sparpolitik der letzten Dekade komplettieren das Bild. Mit Beginn des Ukraine-Krieges explodierten die Preise für Gas und Strom regelrecht und befeuern die Inflation.
Die Energieabhängigkeit von Russland spielt da wohl eine besondere Rolle?
Kattnig: Jetzt zeigt sich, wie abhängig die EU-Mitgliedstaaten von der Einfuhr fossiler Brennstoffe sind. Noch dazu, wenn sich bestimmte Länder, wie Russland, diese Abhängigkeit für geopolitische Zwecke zunutze machen. Gerade auch Österreich gehört zu diesen Mitgliedstaaten und hat sich 2018 vollends von Russland abhängig gemacht.
Wie ist das passiert?
Kattnig: Da hat sich die Republik unter BK Kurz über die OMV vollends von Gazprom abhängig gemacht. Wir beziehen immerhin 80 Prozent des österreichischen Gasbedarfs aus Russland. 40 Prozent davon verbraucht die Industrie, rund 30 Prozent Strom- und Heizkraftwerke, rund 30 Prozent die Haushalte und 10 Prozent Sonstige. Das bedeutet, dass Österreich je nach Preislage im Jahr zwischen drei und fünf Milliarden Euro nach Russland überweist.
Hat die Bundesregierung zeitgerecht auf die Preiserhöhungen reagiert?
Kattnig: Die EU-Kommission hat den Mitgliedstaaten bereits im Winter 2021 Werkzeuge in die Hand gegeben, um Energie- und Mobilitätsarmut zu bekämpfen. Sie bestätigte, dass die Mitgliedstaaten unter den derzeitigen außergewöhnlichen Umständen regulierte Preise für benachteiligte Verbraucher*innen, Haushalte und Kleinstunternehmen festlegen können und bestätigt, dass die Mitgliedstaaten befristete steuerliche Maßnahmen zu Zufallsgewinnen (Windfall-Profits) beschließen können. Viele Mitgliedstaaten haben diese Werkzeuge bereits im Interesse ihrer Bürger*innen verwendet und die Last gemindert. Unsere Bundesregierung kommt allerdings erst jetzt in die Gänge, wo die Situation für die Bürger*innen schier unerträglich geworden ist.
Was sagst du zu dem angekündigten Paket?
Kattnig: Der gewerkschaftliche Druck hat jetzt endlich erste Ankündigungen der Bundesregierung gebracht. Auch wenn noch Details fehlen, besteht dieser erste Schritt in seinen kurzfristig wirksamen Aspekten ausschließlich aus Einmalzahlungen, die zwar helfen, aber nicht reichen werden. Verteilungspolitisch sind die Maßnahmen in einigen Punkten fragwürdig. Maßnahmen, um die Inflation einzudämmen und die Krisengewinner an die Kasse zu bitten sucht man vergeblich. Die kurzfristigen Maßnahmen sind okay, die langfristigen Vorhaben sehr einfallslos. Das kann noch nicht alles gewesen sein.
Was ist positiv am Regierungspaket?
Kattnig: Wichtig ist, dass unsere Forderung nach Inflationsanpassung von Sozial- und Familienleistungen angekündigt wurde. Ebenso positiv ist die Erhöhung der Absetzbeträge, denn diese wirken unabhängig vom Einkommen und entlasten daher auch jene, die keine Lohnsteuer zahlen.
Trotzdem wirkt das Paket durch die Einmalzahlungen nur kurzfristig und die Inflation wird damit leider überhaupt nicht bekämpft.
Was sagst du zur Umsetzung der Valorisierung der Sozialleistungen?
Kattnig: Die Valorisierung ist positiv, trotzdem bleiben viele Sozialleistungen wie die Sozialhilfe, das Arbeitslosengeld und der Ausgleichszulagenrichtsatz, also die zentralen Unterstützungen, auf die viele Menschen angewiesen sind, unterhalb der Armutsgrenze. Angesichts der enormen Teuerungen ist das zu wenig.
Die Regierung kündigt auch die Senkung der Lohnnebenkosten an. Hilft das?
Kattnig: Das hilft natürlich. Allerdings nicht den Arbeitnehmer*innen. Die Senkung der Lohnnebenkosten sieht die Reduktion des Unfallversicherungsbeitrages vor. Damit entgehen dem Sozialstaat rund 125 Millionen Euro jährlich. Damit wird das Aufgaben- und Leistungsspektrum für die Versicherten weiter eingeschränkt. Die Senkung von Lohnnebenkosten klingt zwar recht gut, geht aber immer zulasten der Arbeitnehmer*innen.
Sind die Entlastungen fair verteilt?
Kattnig: Also, die Abgeltung des inflationsbedingten Anstiegs des Lohnsteueraufkommens – die kalte Progression – ist zu begrüßen. Allerdings profitieren von der Entlastung vor allem die oberen Einkommen weit stärker, weil niedrigere Einkommen keine oder wenig Lohnsteuer zahlen.
Was fehlt?
Kattnig: Einmalzahlungen helfen einmal. Die Inflation mit all ihren Belastungen wird uns aber leider länger bleiben. Wir brauchen daher Maßnahmen gegen die Inflation wie z. B. einen Gaspreisdeckel für Kraftwerke und Konsument*innen sowie strukturelle Maßnahmen, die für mehr Gerechtigkeit sorgen, wie z. B. die Besteuerung der Übergewinne, die sog. Windfall-Profits, und Steuern für besonders Vermögende, die oftmals in dieser Krise weitere Gewinne schreiben. Die Verschiebung der CO2-Bepreisung ist ebenfalls ein falsches Signal, weil es keine Anreize für die Energiewende und den Klimaschutz gibt.
Es gibt die Forderung nach der Besteuerung von Gewinnen. Aber wieso sollen die jetzt nochmals besteuert werden?
Kattnig: Es geht ja hier nicht um Gewinne aus besonderem unternehmerischem Handeln und kaufmännischem Geschick. Es geht hier um sogenannte Übergewinne, die durch hohe Preise für fossile Brennstoff e für Erdölkonzerne und einige Energieunternehmen aufgrund des Preissetzungssystems entstehen. Der Verbund hat seinen Gewinn verdreifacht, die OMV in nur drei Monaten 2,6 Milliarden Euro Gewinn geschrieben. Die europäische Energieagentur spricht von rund 200 Milliarden an Übergewinnen in der EU. Diese Gewinne gehören besteuert und zweckgebunden zum Ausgleich der Lasten für Haushalte und für den Ausbau erneuerbarer Energien verwendet. Das hilft den Menschen und der Umwelt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Quelle:
younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
„Strompreisbremse“: AK begrüßt Modell, fordert aber Ausweitung
Das kolportierte Modell der Regierung für eine „Strompreisbremse“ zur Abfederung der hohen Energiekosten wird von der Arbeiterkammer (AK) begrüßt. Wichtig wäre der AK aber eine zusätzliche Unterstützung für einkommensschwache Haushalte. „Zu spät, zu wenig“, beurteilte hingegen die SPÖ die „Strompreisbremse“. Scharfe Kritik kam auch von der FPÖ: Die Maßnahme sei ein „Betrug an den Österreichern“, meinte FPÖ-Chef Herbert Kickl. Laute Kritik kam auch aus einigen Bundesländern, allen voran Vorarlberg.
Laut Informationen der Bundesregierung soll jeder Haushalt für jenen Anteil am Stromverbrauch, der 80 Prozent des durchschnittlichen Vorjahresverbrauchs eines österreichischen Haushaltes entspricht, einen geringeren Strompreis zahlen. Die Grenze soll bei 2.900 kWh liegen. Für alles darüber muss der aktuelle Marktpreis bezahlt werden. Details des Modells sollen am Mittwoch präsentiert werden.
Rund die Hälfte der österreichischen Haushalte verbraucht weniger als 2.500 Kilowattstunden (kWh) im Jahr und dürfte zur Gänze von der geplanten Strompreisbremse profitieren, so ein Vertreter der E-Control auf APA-Nachfrage. Der Anteil der Haushalte, die weniger als 2.900 kWh verbrauchen, dürfte klar eine Mehrheit ausmachen. Für diese Verbrauchsmenge liegen der E-Control keine genauen Daten vor.
Vorarlberg fordert Überarbeitung
Vorarlberg verlangte vom Bund eine Überarbeitung der „Strompreisbremse“. Die von der Bundesregierung angedachte Form helfe der Vorarlberger Bevölkerung in der aktuellen Situation nicht. „Vorarlberger Kundinnen und Kunden werden praktisch nicht entlastet“, kritisierte Statthalterin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP). Es könne nicht sein, dass die westlichen Bundesländer für ihre niedrigen Strompreise quasi bestraft würden – mehr dazu vorarlberg.ORF.at.
Auch in Kärnten stieß das Modell nicht auf viel Gegenliebe. Die AK Kärnten kritisierte, dass die Maßnahmen weder sozial treffsicher noch ausreichend seien – mehr dazu in kaernten.ORF.at. Auch steirische Experten forderten in einer ersten Reaktion mehr Treffsicherheit und Gerechtigkeit für alle Haushalte – mehr dazu in steiermark.ORF.at.
AK für Ausweitung
Die AK begrüßte die angekündigte „Strompreisbremse“, die bereits veröffentlichten Eckpunkte würden grundsätzlich dem von AK und ÖGB geforderten Energiepreisdeckel für Haushalte entsprechen, hieß es in einer Aussendung am Montag. Für rund 780.000 einkommensschwache Haushalte forderte die AK aber einen „Strompreisdeckel plus“, indem entweder eine Ausweitung der begünstigten Strommenge oder ein niedrigerer Strompreis vorgesehen wird.
Außerdem will die AK eine Ausweitung auf Erdgas und Fernwärme, um zu verhindern, dass im Winter Wohnungen kalt bleiben. „Für die Gegenfinanzierung dieser Maßnahmen müssen aber die Gewinne jener Unternehmen abgeschöpft werden, die von der Energiekrise enorm profitieren“, bekräftigte Tobias Schweitzer, Bereichsleiter Wirtschaft der AK Wien.
SPÖ: Zu spät, zu wenig
Ganz anders reagierte die SPÖ: „Mit der lange angekündigten und nun in Aussicht gestellten zu spät greifenden ‚Strompreisbremse‘ führt die türkis-grüne Bundesregierung die Fehler der Vergangenheit beim Kampf gegen die Teuerung nahtlos fort“, kritisierte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. „Die Regierung ist weder fähig noch willens, den Menschen und unserem Land in dieser Krise wirksam und nachhaltig zu helfen.“
Die „Strompreisbremse“ werde erst im Winter greifen und sei überdies „viel zu wenig“. SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter bemängelte außerdem, dass es keine Entlastung für die Steigerungen bei Gas gebe. „Was noch schlimmer wiegt“, meinten Leichtfried und Matznetter, „ist die Tatsache, dass sich die Menschen die Strompreisbremse selbst bezahlen“ – notwendig sei ein direkter Eingriff in die Preisbildung bei Energie.
FPÖ fordert Aus für Russland-Sanktionen
Zu spät und zu kompliziert kommt die Strompreisbremse auch für FPÖ-Chef Kickl daher, der einmal mehr einen Ausstieg aus den Sanktionen gegen Russland forderte, die wegen des Angriffs auf die Ukraine verhängt wurden.
„Mit den Sanktionen haben ÖVP, Grüne, SPÖ und NEOS den Keller geflutet, sie lassen immer noch Wasser hineinlaufen, und die Regierung drückt der Bevölkerung zum Ausschöpfen ein Sieb in die Hand, das sie auch noch selbst bezahlen muss. Das ist das System Strompreisbremse und erinnert durch die Kontingentierung eher an die Mangelwirtschaft zu DDR-Zeiten“, so Kickl. Die FPÖ will im Nationalrat den Ausstieg aus den Sanktionen beziehungsweise eine Volksbefragung dazu beantragen – sei man nicht erfolgreich, fasse man auch ein Volksbegehren ins Auge.
NEOS: „Teure Einmalzahlungen mit der Gießkanne“
Der Regierung falle nichts anderes ein, „als teure Einmalzahlungen mit der Gießkanne zu verteilen“, zeigte sich auch NEOS-Wirtschafts- und -Sozialsprecher Gerald Loacker per Aussendung unzufrieden. Er vermisse nachhaltige Entlastungsmaßnahmen und im Gegenzug Einsparungen. „Die hohen Preise werden uns leider noch lange begleiten, aber der Staat kann nicht jahrelang allen die Rechnungen deckeln und bezahlen – und gleichzeitig im System nichts ändern und keinen Cent weniger ausgeben.“
IHS-Chef: „Gar nicht so schlecht“
Aus Sicht von IHS-Direktor Klaus Neusser ist die geplante „Strompreisbremse“ „gar nicht so schlecht“ aufgesetzt. Grundsätzlich sei so eine Maßnahme eine Gratwanderung zwischen rascher, einfacher Auszahlung und sozialer Treffsicherheit. „Eine treffsichere Variante wäre langsam und sehr kompliziert gewesen“, so Neusser im Ö1-Mittagsjournal.
Quellen:
Arbeiterkammer Wien (AK Wien), kaernten.orf.at, orf.at, steiermark.orf.at, vorarlberg.orf.at;
AK ÖGB Modell zur Abschöpfung von Übergewinnen bei Energiekonzernen
Während die Konsument*innen von Energie unter den laufend steigenden Preisen stöhnen, können sich Energiekonzerne wie Verbund oder OMV, aber auch private Ökostrombetreiber freuen. Sie profitieren in der aktuellen Situation von überdurchschnittlich hohen Margen.
AK und ÖGB fordern, diese krisenbedingten Übergewinne mit einer befristeten Sonderabgabe zu belegen. Die Mittel sollen für die Finanzierung von notwendigen Entlastungsmaßnahmen von Konsument*innen zweckgewidmet werden und damit den Spielraum für Ausgleichsmaßnahmen erhöhen. Schließlich sind es auch die Konsument*innen, die durch die überhöhten Preise die Gewinne der Unternehmen bezahlt haben. Auch die EU-Kommission empfiehlt seit Monaten, Übergewinne abzuschöpfen, um preissenkende Maßnahmen zu finanzieren.
Rekordteuerung in Österreich
Und das ist dringend notwendig. Denn laut aktueller WIFO-Prognose vom Juni wird die durchschnittliche Inflationsrate 2022 bei 7,8 Prozent liegen – eine Revision nach oben im Rahmen der Herbstprognose ist wahrscheinlich. Das ist der höchste Wert seit 1975. Das Gros der Teuerung kommt also aus dem Energiesektor. „Viele Energieunternehmen verbuchen enorme Übergewinne, während viele Bürger*innen nicht mehr wissen, wie sie ihre Rechnungen und Einkäufe bezahlen sollen. Das ist eine untragbare Situation”, sagt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Dabei geben die Energieunternehmen nicht nur importierte Preissteigerungen weiter, sondern treiben die Preise auch durch Steigerung der eigenen Gewinnmargen, insbesondere bei Strom und Treibstoffen, in die Höhe.
In EU-Ländern wurden Übergewinnsteuern bereits eingeführt
In den Ländern der Europäischen Union wird deshalb schon länger über die Einführung von Übergewinnsteuern im Energiesektor diskutiert. Viele Mitgliedstaaten wie Rumänien, Italien, Spanien und Ungarn sowie auch Großbritannien haben bereits unterschiedliche Modelle der Besteuerung umgesetzt. In weiteren Staaten wie Belgien oder Deutschland finden intensive Debatten statt. Zuletzt hat die tschechische Regierung angekündigt, eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne einführen zu wollen.
Andere Länder machen es vor und haben längst Modelle zur Abschöpfung von Übergewinnen umgesetzt: „Dass die Regierung in dieser Hinsicht untätig bleibt, ist absolut unverständlich. Energiekosten verursachen einen hohen Teil der Teuerung und daher müssen Energieunternehmen ihren Teil zur Entlastung beitragen, insbesondere wenn massive Gewinne ohne ihr Zutun entstehen”, betont Katzian.
AK ÖGB Modell
Nachdem andere Länder in Europa also schon vorgezeigt haben, wie solche Übergewinne abgeschöpft werden können, liegt nun das AK ÖGB Modell vor, wie diese Sondersteuer verfassungskonform umgesetzt werden könnte – und zwar ohne die notwendigen Investitionen in erneuerbare Energien zu bremsen.
Die Übergewinnsteuer soll einen Teil der Übergewinne zur Finanzierung der Anti-Teuerungsmaßnahmen abschöpfen (Zweckwidmung: z.B. Energiepreisdeckel für Haushalte), unter ausreichendem Spielraum und Anreiz für den klimapolitisch notwendigen Ausbau erneuerbarer Energieträger. „Es gibt keine sachliche Rechtfertigung für Übergewinne, daher braucht es diese Steuer, die Menschen in dieser besonderen ökonomischen Krise und der Rekordinflation langfristig unterstützt. Selbstverständlich berücksichtigt und unterstützt das ÖGB/AK Modell auch den dringend notwendigen verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energie.”, sagt der ÖGB-Präsident.
Hier die Eckpunkte des AK ÖGB Modells:
- AK und ÖGB wollen Übergewinne im Energiesektor zu 60 % bis 90% abschöpfen.
- Pro Jahr liegen diese Übergewinne bei 4 bis 5 Milliarden Euro.
- Das Modell ist befristet: von 2022 bis 2024.
- Investitionen in Erneuerbare Energieträger sind sofort und vollständig abzugsfähig.
- Durch das Modell bleiben Anreize, in Erneuerbare Energieträger zu investieren.
- Zu erwarten ist, dass rund 1 bis 1,5 Milliarden Euro in Investitionen für erneuerbare Energieträger geltend gemacht werden (und damit nicht unter die Sondersteuer fallen).
- Durch die Sondersteuer können zwischen 1,5 und 2,2 Milliarden Euro zur Finanzierung der Anti-Teuerungsmaßnahmen verwendet werden.
- Das Modell ist verfassungskonform (der Energiesektor treibt Rekordteuerung, ein Sektorbeitrag zur Finanzierung der dadurch notwendigen Hilfsmaßnahmen ist daher sachlich gerechtfertigt – wie auch Bankenabgabe nach Finanzkrise).
- Besteuert werden Energieunternehmen in Österreich (Ausnahmen für kleine Unternehmen).
- Übergewinne sind Gewinne des jeweiligen Jahres gegenüber dem Referenzgewinn (Durchschnitt der Gewinne 2019 bis 2021) (Gewinnbasis EBITDA, d.h. Unternehmensgewinn vor Abschreibungen, Finanzergebnis und Steuern).
- Besteuert wird erst, wenn der Gewinn für die betroffenen Jahre bei mehr als 110 Prozent des Referenzgewinns liegt.
„Mit dem Modell wird es in Österreich, wie in anderen europäischen Ländern auch, die Möglichkeit geben, die Übergewinne der Energiekonzerne abzuschöpfen, damit sie tatsächlich den Vielen zugutekommen“, sagt AK Präsidentin Renate Anderl. „Es liegt ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch. Es gibt jetzt keine Ausreden mehr, noch länger zuzuwarten.“ Und weiter: „Die Rekordteuerung ist wesentlich durch die Übergewinne im Energiesektor bedingt. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass wir diese Gewinne abschöpfen und zur Finanzierung der sozialen Abfederung heranziehen.“
Zum Factsheet „Übergewinne besteuern“.
Quellen:
Arbeiterkammer (AK), Arbeiterkammer Wien (AK Wien), Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB);
Energiepreiskrise: Finanzhilfen in Deutschland, Schweden und Finnland
Mit diversen Finanzhilfen versuchen Regierungen in Europa angesichts steigender Inflation und Energiekosten den Haushalten unter die Arme zu greifen.
Die deutsche Bundesregierung hat ein drittes, rund 65 Milliarden Euro schweres Entlastungspaket verabschiedet, das unter anderem Direktzahlungen für Pensionist*innen und Studierende, Steuererleichterungen und auch eine Strompreisbremse für einen gewissen Basisverbrauch vorsieht.
Durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 fließt nach wie vor kein Gas. Russland hat die Lieferung nach Sanktionen wegen des Angriffs auf die Ukraine gekappt.
Warnung vor Finanzkrise in nordischen und baltischen Ländern
Mit Konsequenzen auch für Schweden und Finnland: Die Regierung in Stockholm will deshalb mit Milliarden-Garantien für Energieunternehmen in nordischen und baltischen Ländern eine Finanzkrise verhindern.
Ministerpräsidentin Magdalena Andersson warnte, dem Land stehe ein „Kriegswinter“ bevor. Werde nicht rasch gehandelt, könnte dies zu ernsthaften Störungen im Finanzsystem der nordischen und baltischen Länder führen. Es bestehe die Gefahr, dass die Stromerzeuger nicht über die notwendige Liquidität verfügten, um den Ausfall von Nord Stream 1 abzufedern.
Die Finanzierungsgarantien sollen bereits an diesem Montag vor Schließung der Börsen in Kraft treten und Laufe der nächsten zwei Wochen dann alle nordischen und baltischen Energieunternehmen abdecken.
Die schwedische Regierung will dafür umgerechnet etwa 23 Milliarden Euro bereitstellen, die finnische rund zehn Milliarden Euro, wie Ministerpräsidentin Sanna Marin ankündigte. Dies solle dazu dienen, den akuten Liquiditätsbedarf der in der Stromerzeugung tätigen Unternehmen zu decken.
Die jüngsten starken Preisschwankungen auf dem Stromterminmarkt machten es erforderlich, dass die Regierung schnell Maßnahmen ergreife, um die Marktstabilität zu gewährleisten.
Auch über eine Übergewinnsteuer für Stromerzeuger, die von den hohen Energiepreisen profitieren, wird in Finnland diskutiert – bislang allerdings ohne konkrete Maßnahmen.
Auch in Deutschland leiden insbesondere die kommunalen Versorgungsunternehmen unter den enormen Preisanstiegen im Energiebereich. Angesichts der Liquiditätsrisiken, die selbst bei gut aufgestellten Stadtwerken entstehen können, „brauchen wir einen Schutzschirm für Stadtwerke“, betonte ein VKU-Sprecher.
„Dass diese Unterstützungen in Milliardenhöhe angesichts der momentanen Volatilität des Strommarktes nun für zahlreiche Unternehmen in mehreren europäischen Ländern notwendig werden, zeigt auch, dass die österreichische Wien Energie kein Einzelfall ist. Durch die irrsinnigen Preissprünge im Zusammenspiel mit geringen Verfügbarkeiten am Energiemarkt haben Energieversorger in ganz Europa mit denselben Problemen zu kämpfen“, so Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft.
Quellen:
bundesregierung.de, de.euronews.com, euractiv.de, younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
EU will Reformen für Energiemarkt beschließen – erste Vorschläge greifen deutlich zu kurz
Der Energiemarkt hat in den Worten der tschechischen Ratspräsidentschaft „zu funktionieren aufgehört“ – europaweiter Gaspreisdeckel und Entkoppelung des Strompreises stehen bei der außerordentlichen Tagung des Rates „Verkehr, Telekommunikation und Energie“ am 9. September zur Debatte.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat angesichts der hohen Energiepreise eine Reform des Strommarktes in der EU angekündigt. „Die in die Höhe schießenden Strompreise zeigen gerade aus verschiedenen Gründen die Grenzen unseres jetzigen Strommarktdesigns auf“, sagte sie bei einer Konferenz in Slowenien Ende August. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz und der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala haben indes ebenso EU-Maßnahmen gegen die hohen Strompreise angekündigt.
Das System sei für andere Umstände entwickelt worden und nicht mehr zweckmäßig. „Deshalb arbeiten wir jetzt an einer Notfallmaßnahme und an einer Strukturreform des Strommarktes“, sagte von der Leyen. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft hat ein Sondertreffen am 9. September zur Erörterung von Maßnahmen angesetzt.
Am europäischen Strommarkt werden die Preise zur Zeit vor allem von Gaskraftwerken vorgegeben. Da der Gaspreis vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine stark angestiegen ist, ist daher auch Strom teurer geworden. Eine Reform des europäischen Strommarktes könnte diesen Mechanismus überarbeiten, sodass Verbraucher*innen etwa für günstigen Strom aus Sonne und Wind weniger bezahlen. Deutschlands Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte zuletzt ebenfalls eine grundlegende Reform angekündigt, um die Entwicklung der Endkund*innenpreise für Strom vom steigenden Gaspreis zu entkoppeln. Das Thema soll auch bei einem Sondertreffen der für Energie zuständigen EU-Minister*innen am 9. September besprochen werden.
Das sogenannte Merit-Order-System in der EU bestimmt die Preisentwicklung über die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke. Kraftwerke, die billig Strom produzieren können, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind zum Beispiel Windkraftanlagen. Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem zuletzt geschalteten und somit teuersten Kraftwerk, um die Nachfrage zu decken – derzeit sind dies die Gaskraftwerke. Da die Preise besonders hoch sind, erzielen Anbieter erneuerbarer Energien dadurch sehr hohe Gewinne. Das System sollte ursprünglich einen Anreiz für Investitionen in erneuerbare Energien schaffen.
Der deutsche Bundeskanzler Scholz und der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala haben indes EU-Maßnahmen gegen die hohen Strompreise angekündigt. Nach solchen hatte etwa auch Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer gerufen. Es sei nicht nötig, dass Länder national vorgehen müssten, sagte Scholz Ende August bei einem Besuch in Prag. Es sei offensichtlich, dass die Strompreise nicht mehr die Erzeugungskosten abbildeten, deshalb müsse man die Strukturen reformieren. Tschechien hat vorgeschlagen, die Strompreise vom Gaspreis zu entkoppeln und will auch einen europäischen Gaspreisdeckel vorschlagen.
Auch für Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft, steht fest, dass es jetzt eine europäische Lösung der aktuellen Energiemarktkrise braucht: „Beim Energieminister*innenrat am 9. September wird hoffentlich eine Trennung der Gas- und Strommärkte beschlossen und das Energiemarktdesign angepasst. Es muss endlich in den Markt eingegriffen werden – denn er reguliert sich gerade in der jetzigen Situation nicht von selbst. Das ist für uns übrigens keine Überraschung, denn Leistungen der Daseinsvorsorge dürfen nicht dem Markt überlassen werden. Diese Trennung würde auch sofort eine Dämpfung der Inflation und damit eine Entlastung für die Bürger*innen mit sich bringen.“
Maßnahmenvorschläge greifen viel zu kurz
Ein erstes Konzept der Generaldirektion der Europäischen Kommission für Energie, bei dem es sich allerdings um keine innerhalb der Europäischen Kommission abgestimmte Position handelt, sieht jedoch keinen Markteingriff vor, stattdessen soll auf Energieeinsparungen gesetzt werden. In der Unterlage wird von einem „price cap“ gesprochen, tatsächlich handelt es sich dabei um die geplante Festlegung eines Referenzwerts für den Großhandelspreis für Strom. Die Differenz zwischen Referenzwert und Großhandelspreis soll ggf. vom Staat abgeschöpft werden. Nach Einschätzung des volkswirtschaftlichen Referats des ÖGB greifen diese Vorschläge viel zu kurz.
Konkret sieht das Konzept folgende drei Eckpunkte vor:
- Reduktion der Nachfrage nach Strom in koordinierter Form – Bidding Verfahren für Unternehmen und Haushalte (!)
Unternehmen, aber auch Konsument*innen insgesamt reduzieren ihren Stromverbrauch (es wird eine Verbrauchsmenge festgelegt und im Rahmen eines Bieterverfahrens verteilt) und erhalten im Gegenzug eine staatliche Kompensation. Möglich wäre z.B. ein Bonussystem (Verbrauchsreduktion bei Strom gegenüber dem Vorjahr wird belohnt). Verbrauchsreduktion für Strom wichtig, weil im Zuge des steigenden Gaspreises Konsument*innen auf Elektroheizungen umsteigen könnten, wodurch die Nachfrage und somit die Preise steigen würden. - Festlegung eines Referenzwerts (wird irreführenderweise ‚price cap‘ genannt) für den Großhandelspreis für Strom – Differenz zwischen Referenzwert und Großhandelspreis wird vom Staat abgeschöpft (Alternative zur Übergewinnsteuer). Dies gilt für Unternehmen, die niedrige Gestehungskosten haben (Erneuerbare, Atomstrom, Kohle, Wind, Solar) und nur für den Day-Ahead Market. Mit den budgetären Mitteln soll die Stromrechnung subventioniert werden. Bestehende Übergewinnsteuern müssen sistiert und durch dieses System der Abschöpfung ersetzt werden.
- EU-Ländern wird gestattet – für einen begrenzen Zeitraum – über regulierte Preise Energiekonsument*innen zu entlasten (Haushalte und Unternehmen); der Energiepreisdeckel des ÖGB wäre damit EU-konform;
Bewertung
Nachdem die Gaspreise bereits ab Sommer 2021 angestiegen sind, ist das Thema Strommarktdesign der EU auf dem Tapet. Dass ein Jahr danach dieser Vorschlag, wenngleich innerhalb der Europäischen Kommission nicht akkordiert, präsentiert wird, ist enttäuschen.
- Beschreibung des Vorschlags: de facto eine abgespeckte Variante einer Übergewinnbesteuerung von Energieunternehmen, die aufgrund ihres Energiemixes von der Kopplung des Strom- and den Gaspreis enorm profitieren.
- Das Aufkommen aus diesem Abschöpfungsbetrag ist vermutlich sehr gering, weil nur die am Day-Ahead Markt gehandelten Transaktionen für die Abgabe herangezogen werden (Großhandelspreis, z.B. 500, minus Referenzwert: z.B. 100).
- Die Futureskontrakte werden nicht erfasst (die aber in der Regel das Gros der Transaktionen ausmachen), ebenso werden die Over-the-Counter Transaktionen nicht erfasst. Letztere sind zwar zuletzt rückläufig gewesen, aber es könnte dann Ausweichreaktionen dorthin geben. - Die Marktmechanismen sowie die merit order bleiben in der derzeitigen Form bestehen. Es gibt – mit Ausnahme der Möglichkeit, für Konsument*innen und Unternehmen Energiepreisdeckel festzulegen – keine preissenkenden Maßnahmen. Die Verbrauchsreduktion bei Strom würde, so die Europäische Kommission, die Nachfrage nach Strom senken und somit den Großhandelspreis für Strom. Gerade der ‚Black Friday‘ hat aber gezeigt, dass sich die Preise nicht nach Angebot und Nachfrage richten, sondern oft Ergebnis spekulativer Übertreibungen sind. Der Vorschlag ist somit nicht resilient gegenüber den weiter zu erwartenden Anstiegen bzw. Schwankungen (‚Black Friday‘) der Großhandelsenergiepreise. Der Fokus auf Verbrauchsreduzierung (Bidding Verfahren) könnte als Alternative zu dringend notwendigen Energieeffizienzmaßnahmen gesehen werden.
- Fazit: Dieser Vorschlag ist als unzureichend abzulehnen. Die Europäische Kommission muss bis zum EU-Ministerrat ein wirksames Modell vorlegen und die österreichische Bundesregierung muss sich dafür einsetzen. Andernfalls sind nationale Lösung der scheinbar einzige Ausweg (oder in Kooperation mit anderen Ländern)
Quellen:
derstandard.at, euractiv.com, Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) – Volkswirtschaftliches Referat, younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
Aktuelles vom EGÖD: Heißer Herbst steht bevor
Jan Willem Goudriaan, EGÖD-Generalsekretär
Der Sommer in Europa hat den Arbeitnehmer*innen und unseren Gemeinden keine Pause von den steigenden Preisen für Energie, Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs beschert. Die Inflation lag im Juli in den meisten EU-Ländern bei oder über 10 % und in den baltischen Staaten bei über 20 %. Beispiele von außerhalb der EU sind Nordmazedonien (über 16 %), Moldawien (über 30 %) und die Türkei (offiziell über 80 %, inoffiziell aber doppelt so hoch). Der Hauptgrund sind die hohen Energie- und Lebensmittelpreise, die natürlich eine Folge der russischen Aggression in der Ukraine sind. Arbeitnehmer*innen in ganz Europa stehen auf und fordern Lohnerhöhungen, Obergrenzen für die Energiepreise und eine Umverteilung des Reichtums. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Regierungen es weiterhin zulassen, dass Unternehmen und Leute wie Amazon-Chef Jeff Bezos mit riesigen Gewinnen auf Kosten des Rests von uns davonkommen.
Viele Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und andere Gewerkschaften in ganz Europa planen eine Mobilisierung. Die Streiks der Beschäftigten im Eisenbahnsektor, der Müllabfuhr und sogar der Anwält*innen im Vereinigten Königreich erregen große Aufmerksamkeit. Viele britische Mitgliedsorganisationen, einschließlich derer im Gesundheits- und Pflegesektor, führen derzeit Abstimmungen über Löhne durch. Feuerwehrleute im Vereinigten Königreich haben miserable Lohnangebote abgelehnt, und wie so viele Feuerwehrleute in ganz Europa sind sie mit einer Zunahme von Waldbränden und oft extrem gefährlichen Umständen konfrontiert, wie sie in den vergangenen Wochen in Frankreich und Portugal zu beobachten waren. In anderen Ländern sind nationale Demonstrationen geplant, unter anderem in Prag am 5. September. In Finnland sind für den 6. September Streiks der Krankenpflegepersonals vorgesehen, in Griechenland für den 10. September ein Generalstreik des öffentlichen und privaten Sektors.
Unser Twitter-Kanal entwickelt sich rasch zu einer Informationsquelle für all diese Aktionen und wird von den Medien aufgegriffen. Wir berichten über die Ergebnisse der Aktionen unserer Mitgliedsorganisationen, z.B. über den Sieg von ver.di in Deutschland, die nach elf Wochen Streik mehr Personal in den großen Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen durchgesetzt hat, oder über die Aktionen unserer spanischen Kolleg*innen von CCOO-Habitat, die dafür gesorgt haben, dass die Reinigungskräfte in den Krankenhäusern in Toledo die richtige Bezahlung erhalten. Es zahlt sich aus, gewerkschaftlich zu sein.
Die Arbeitnehmer*innen in ganz Europa haben eine Lohnerhöhung verdient und sind bereit, dafür zu kämpfen. Gemeinsam sind wir stark. Solidarität und Erfolg für alle.
Quellen:
Europäischer Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD), twitter.com;