Infomailing 23.02.2023
Verhandlungen zum Finanzausgleich gehen in die nächste Runde
Im Dezember vergangenen Jahres erfolgte der Startschuss für die neuerliche Verhandlung des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Dabei geht es um die Aufteilung der Steuereinnahmen des Bundes und weiterer Einnahmequellen sowie um die Zuweisung von Aufgabenbereichen. Rund 95 Milliarden Euro an gemeinschaftlichen Bundesabgaben wie Einkommenssteuer, Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer werden auf Basis von Verteilungsschlüsseln aufgeteilt. Üblicherweise finden die Verhandlungen alle vier bis sechs Jahre statt, pandemiebedingt wurde in den letzten Jahren jedoch auf eine Neuverhandlung verzichtet. Dies soll nun in diesem Jahr nachgeholt werden. Dabei werden sich in den kommenden Monaten Expert*innen in zahlreichen Untergruppen zu Themen wie Kinderbetreuung, Gesundheit, Pflege oder Klimaschutz austauschen und vermutlich nur leichte Anpassungen vornehmen. Denn: Grundsätzliche Änderungen am System, wie sie von Expert*innen seit vielen Jahren gefordert werden, bleiben traditionell aus. Dabei gäbe es genug Baustellen, die durch eine Neuordnung des Systems behoben werden müssten. Eine langfristige und krisensichere Finanzierung der Gemeinden wäre genauso sicherzustellen wie eine stärkere Berücksichtigung von klimapolitischen Maßnahmen.
Dringender Reformbedarf gegeben
Ein grundsätzliches Problem bei der Verteilung der Mittel ist die fehlende Aufgabenorientierung. So ist in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Soziales und Bildung ein starker Anstieg der Ausgaben zu beobachten, ohne dass Gemeinden dafür eine entsprechende Abgeltung erhalten. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass den Gemeinden kontinuierlich weitere Aufgaben übertragen wurden. So führt beispielsweise der Ausbau von Kinderbildungseinrichtungen und Ganztagsschulen zu deutlich höheren laufenden Kosten auf Gemeindeebene. Gemeinden sehen sich mit einem höheren Personaleinsatz bei gleichzeitigem Personalmangel konfrontiert. „Um ihre für die Daseinsvorsorge so zentrale Rolle weiterhin aufrechterhalten zu können, braucht es eine nachhaltige Finanzierung der Städte und Gemeinden“, so Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft. Nicht ohne Grund wird seit vielen Jahren eine strukturelle Reform des Finanzausgleichssystems gefordert. Neue Herausforderungen wie der Klimawandel sowie die Energie- und Preiskrise erhöhen die Dringlichkeit einer solchen Reform.
Gemeinden als Klimaschützer
Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel werden maßgeblich von den Städten und Gemeinden und ihren Bediensteten realisiert. Gemeinden kommt hier beispielsweise im Bereich des öffentlichen Verkehrs eine Schlüsselrolle zu. Fassadenbegrünungen, Entsiegelungen verbauter Flächen oder Baumpflanzungen in Ortszentren können einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von Hitzeinseln leisten, Hochwasserschutzmaßnahmen wirken präventiv im Falle von Extremwetterereignissen. Um die Gemeindeebene bei der Umsetzung solcher Maßnahmen zu unterstützen, sollten diese beim Finanzausgleich stärker berücksichtigt werden. Zu erwägen wäre etwa ein Klimainvestitionsfonds, der Städten und Gemeinden Mittel für Klimaschutz und Klimawandelanpassung bereitstellt.
Auf dem Weg zur krisenfesten Gemeinde
Nicht zuletzt finden die aktuellen Verhandlungen vor dem Hintergrund einer Energie- und Preiskrise statt, die die Gemeindebudgets stark unter Druck bringt. Expert*innen des KDZ rechneten jüngst vor, dass den Städten und Gemeinden im Jahr 2023 bis zu eine Milliarde Euro fehlen könnte – Geld, das für unbedingt notwendige Investitionen in die Daseinsvorsorge dringend benötigt wird. Das beschlossene Investitionspaket des Bundes schafft hier nur teilweise Abhilfe, da die Gemeinden 50 % der Investitionskosten selbst tragen müssen. Insbesondere in den aktuellen Krisenzeiten stoßen Gemeinden bei der Finanzierung der Investitionen sowie bei der Deckung der laufenden Kosten infolge mangelnder Liquidität an ihre Grenzen. Eine Maßnahme, um Österreichs Gemeinden krisenfester zu machen, wäre die Stärkung konjunkturunabhängiger Einnahmequellen. So wird bereits seit vielen Jahren über eine Reform der Grundsteuer diskutiert. Als ausschließliche Gemeindeabgabe ist sie eine wesentliche Finanzierungsquelle der Kommunen. Eine Anpassung der Berechnungsgrundlage ist längst überfällig, da diese auf Werten aus den 1970er-Jahren basiert und seither nicht mehr angepasst wurde. Die laufenden Finanzausgleichsverhandlungen bieten also auch hier die Chance, die öffentliche Daseinsvorsorge fit für die Zukunft zu machen und langfristig abzusichern.
Im Interesse der Mitarbeiter*innen des öffentlichen Dienstes und der Bürger*innen werden wir uns als younion _ Die Daseinsgewerkschaft weiterhin für eine nachhaltige Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge einsetzen und entsprechende Maßnahmen einfordern – denn eine funktionierende, qualitativ hochwertige öffentliche Grundversorgung ist auch eine Grundvoraussetzung, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt sicherzustellen – gerade in Krisenzeiten.
Quellen:
KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung, Österreichischer Städtebund;
younion beteiligt sich an offenem Brief gegen den Energiecharta-Vertrag
In einem offenen Brief hat sich am Dienstag das Bündnis Anders Handeln, dem neben der younion _ Die Daseinsgewerkschaft u. a. auch die Fachgewerkschaften PRO-GE und vida sowie die Organisationen Global 2000, Südwind und Attac angehören, zu den aktuellen Entwicklungen rund um den Energiecharta-Vertrag (ECV) zu Wort gemeldet. Die österreichische Bundesregierung wird in dem Schreiben dazu aufgefordert, rasch einen koordinierten Ausstieg aller EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Union aus dem klimafeindlichen Vertrag in die Wege zu leiten. Sollte solch ein koordinierter Ausstieg aktuell nicht möglich sein, wird dazu aufgerufen, dass zumindest Österreich den Austritt in die Wege leitet.
Vertrag bevorzugt fossile Konzerne
Der Energiecharta-Vertrag gilt als ein wesentliches Hemmnis im Kampf gegen den Klimawandel und auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft. Es handelt sich dabei um einen Vertrag zwischen 53 Parteien, darunter alle EU-Mitgliedstaaten ausgenommen Italien, die Europäische Union und Euratom. Ursprünglich gedacht als Anreiz für Unternehmen, in den ehemaligen Sowjetrepubliken zu investieren, sind die Regelungen des ECV heute stark veraltet. Größter Kritikpunkt sind die im Vertrag enthaltenen Sonderklagerechte für Konzerne, die mit den Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie unvereinbar sind. Demnach können (fossile) Energiekonzerne Staaten vor privaten Schiedsgerichten verklagen, wenn diese Klimaschutzmaßnahmen, Energiepreisdeckel oder eine Übergewinnsteuer einführen wollen. Mit 157 bekannten Fällen gilt der Energiecharta-Vertrag mittlerweile auch als das Investitionsabkommen mit den meisten Streitfällen weltweit. Insgesamt mussten Staaten dabei bereits mehr als 45 Milliarden Euro an Strafzahlungen leisten. Zwei Drittel der Verfahren betrafen EU-interne Streitfälle. Dabei hat der Europäische Gerichtshof bereits 2021 in einem Urteil festgestellt, dass solche Verfahren nicht mit Unionsrecht vereinbar sind.
Europäisches Parlament für gemeinsamen Ausstieg
Anlass des offenen Briefs ist die im April 2023 stattfindende Energiecharta-Konferenz, bei der die Modernisierung des Vertrages auf der Tagesordnung steht. Nur: Eine Modernisierung des Vertrags scheint politisch immer unwahrscheinlicher. Nachdem im Juni 2022 eine Grundsatzvereinbarung über die Reform des ECV geschlossen wurde, hatten die Vertragsparteien bis zum 22. November 2022 Zeit zu prüfen, ob sie die Ergebnisse annehmen. Der notwendige Beschluss im EU-Ministerrat kam jedoch nicht zustande. Nur zwei Tage später forderte das Europäische Parlament in einer Resolution klar den gemeinsamen und koordinierten Ausstieg aus dem ECV. Mittlerweile hat auch die EU-Kommission eingeräumt, dass ein Ausstieg aus dem Vertrag „unvermeidbar“ sein könne. Italien hat den Austritt bereits 2016 vollzogen, und auch zahlreiche weitere Staaten wie Spanien, Polen und die Niederlande haben ihren Rücktritt bereits bekanntgegeben. Damit schwindet der Rückhalt für den Vertrag zunehmend.
Auch Modernisierung keine Lösung
Eine Schwierigkeit stellt insbesondere die sogenannte „Sunset Clause“ dar, die die Konzernklagerechte auch 20 Jahre nach dem Austritt aus dem Vertrag garantiert. Der reformierte Vertrag bietet hier keine Lösung, da er weiterhin lange Übergangsfristen für Klagen enthält. Die EU-Kommission arbeitet daher bereits an einem für alle EU-Mitgliedstaaten geltenden Abkommen, welches die Ungültigkeit dieser „Sunset Clause“ klar festhält.
Letztlich wäre eine Modernisierung des Vertrages ein fatales Signal an jene, die sich mit aller Kraft für die Einhaltung des im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegten 1,5-Grad-Ziels einsetzen. Nicht nur wären Investitionen in fossile Energieträger weiterhin für viele Jahre geschützt, auch Investitionen in Atomenergie, Biomasse und Wasserstoff könnten weiterhin Gegenstand privater Schiedsverfahren sein. „Es wäre nun endgültig an der Zeit, sich von diesem veralteten Vertragswerk zu verabschieden. Angesichts immer extremerer Wetterereignisse und regelmäßiger Trockenperioden müssen wir unverzüglich die Weichen für eine sozial und ökologisch gerechte Zukunft stellen. Dabei ist kein Platz mehr für solch ein Abkommen, das Investitionen in fossile Energieträger schützt und Konzernen ungerechtfertigte Vorteile verschafft. Was es jetzt braucht ist ein klares Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung zu einem koordinierten Ausstieg“, fordert Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft.
Die österreichische Bundesregierung prüft seit November 2022 einen möglichen Austritt aus dem Vertrag, hat sich bislang aber noch nicht klar geäußert. Der offene Brief soll die Position der younion _ Die Daseinsgewerkschaft und vieler weiterer Akteur*innen nochmals bekräftigen und deutlich machen, dass nur ein rascher Austritt aller EU-Mitgliedstaaten aus dem Vertrag ein gangbarer Weg ist.
Weiterführende Informationen:
Quellen:
Anders Handeln, A&W blog, diepresse.at, Europäisches Parlament, wienerzeitung.at;
Vorschlag zur Überarbeitung des sozialen Dialogs
Ende Jänner hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Stärkung des europäischen und nationalen sozialen Dialogs vorgestellt. Die vorgeschlagenen Verbesserungen sollen die Rolle der Sozialpartner stärken und die Zusammenarbeit mit der Kommission verbessern. Wie wichtig der soziale Dialog und die Zusammenarbeit der Sozialpartner ist, wurde spätestens durch die multiplen Krisen der letzten Jahre nochmals verdeutlicht.
Verbesserungen auf nationaler und europäischer Ebene
Durch die Reform des sozialen Dialogs soll national und auf europäischer Ebene die Rolle der Sozialpartner gestärkt werden. Auf nationaler Ebene sollen dafür die Mitgliedstaaten die Sozialpartner in den Bereichen Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik stärker in wichtige Richtungsentscheidungen einbeziehen. Zudem sollen die Kapazitäten von Arbeitnehmer*innen- und Arbeitgeber*innenorganisationen gestärkt werden, wobei in diesem Zusammenhang insbesondere der Zugang zu relevanten Informationen als essenziell betrachtet wird. Neben diesem besseren Zugang zu Informationen sollen auch die Kapazitäten der Sozialpartner ausgebaut werden. Dazu soll unter anderem die Finanzierung aus dem Europäischen Sozialfonds+ verwendet werden.
Auf europäischer Ebene plant die EU-Kommission in jeder ihrer Generaldirektion die Stelle eines Koordinators bzw. einer Koordinatorin für den sozialen Dialog einzurichten. Bisher fehlt in einigen Generaldirektionen die Expertise im Umgang mit Sozialpartnern – dies soll sich durch diese Neuerung ändern. Zudem sollen die Sozialpartner künftig verstärkt in die Ausarbeitung des Arbeitsprogramms der EU-Kommission eingebunden werden. Auch die technische und finanzielle Unterstützung der Sozialpartner durch die EU soll zielgerichteter gestaltet und modernisiert werden. Dies umfasst auch die Verbesserung der Telearbeit bei Sitzungen der Sozialpartner.
Kritik an fehlenden konkreten Maßnahmen
Obwohl die positiven Ansätze zu begrüßen sind, ist in der Kommunikation der Kommission wenig Konkretes vorgesehen. So behält sich die Kommission beispielsweise weiterhin vor, fallweise darüber zu entscheiden, ob sie sozialpartnerschaftliche Einigungen in europäische Rechtsakte umsetzt. Auch die zu begrüßende Idee der grundsätzlichen Modernisierung der Rahmenbedingungen ist vorerst nicht viel mehr als eine wage Ankündigung.
Vor diesem Hintergrund ist die Kritik führender europäischer Gewerkschafter*innen wenig überraschend. So kritisierte beispielsweise auch Jan Willem Goudriaan, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsverbandes für den öffentlichen Dienst (EPSU) den Vorschlag der Kommission. „Wir sind enttäuscht, dass die Kommission keinen klaren Rahmen dafür vorschlägt, wie Sozialpartnervereinbarungen vorangebracht werden können, um sie in der EU verbindlich zu machen. Das hängt jetzt von den Launen des Tages ab“, so Goudriaan. Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Vorsitzende des Europäischen Gewerkschaftsbundes (ETUC) Claes-Mikael Ståhl in einer Presseaussendung: „Die heute angekündigten Maßnahmen sollten den sozialen Dialog in die Entscheidungsfindung auf europäischer und nationaler Ebene einbeziehen und so zu mehr Demokratie am Arbeitsplatz und einer gerechteren Wirtschaft führen. Dies hängt jedoch davon ab, dass den richtigen Worten auch Taten folgen, um ein wirklich soziales Europa zu schaffen.“
Weiterführende Informationen:
Presseaussendung der Europäischen Kommission zur Stärkung des sozialen Dialogs
Mittelung der EU-Kommission zur Stärkung des sozialen Dialogs
Vorschlag für eine Ratsempfehlung zur Stärkung des sozialen Dialogs
Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), Europäische Kommission, Europäischer Gewerkschaftsbund (ETUC), Europäischer Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EPSU), Europäischer Sozialfonds in Österreich;
Schwerpunkte der EP-Plenartagung vom 13. – 16. Februar 2023
Im Rahmen der Plenartagung des Europäischen Parlaments vom 13. – 16. Februar standen u. a. folgende Themen auf der Tagesordnung:
„Fit für 55“: Neue CO2-Emissionsnormen für Pkw und Kleintransporter
Das Parlament will die Festlegung des Null-Emissionsziels für 2035 für neue Pkw und Kleintransporter endgültig billigen. Die Initiative ist Teil des Pakets „Fit für 55“.
„REPowerEU“: Erweiterung nationaler Aufbaupläne um Energiemaßnahmen
Die neuen Regeln für die nationalen Aufbaupläne sollen die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen aus Russland senken, den grünen Wandel beschleunigen und die Energiearmut bekämpfen.
Ein Jahr Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine: Parlament zieht Bilanz
Die Abgeordneten wollen auf ein Jahr zurückblicken, das von Russlands Angriff auf die Ukraine geprägt war, und darlegen, was die EU zur Unterstützung Kiews tun muss.
Inflation im Mittelpunkt einer Debatte mit EZB-Präsidentin Lagarde
Die Inflation und ihre Bekämpfung stehen im Mittelpunkt einer Plenardebatte mit der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) Christine Lagarde.
Übereinkommen von Istanbul: Beitritt der EU nicht weiter verzögern
Die EU sollte das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen im Hinblick auf das Gutachten des Europäischen Gerichtshofs von 2021 ratifizieren.
Debatte zum neuen Industrieplan für den Grünen Deal
Die Abgeordneten wollen sich zu dem neuen Vorschlag für einen Industrieplan für den Grünen Deal und zu Maßnahmen für eine sichere Versorgung mit kritischen Rohstoffen äußern.
Neues unabhängiges Ethikgremium der EU: Die nächsten Schritte
In einer Debatte mit Rat und Kommission werden die Abgeordneten ihre Forderung nach der Schaffung eines unabhängigen Ethikgremiums für die EU-Institutionen wiederholen.
Reaktion der EU auf die Erdbeben in der Türkei und in Syrien
Die Abgeordneten debattieren mit Kommission und Rat über die humanitäre Soforthilfe der EU im Zusammenhang mit den verheerenden Erdbeben.
Wahlrecht: Erleichterungen für mobile Unionsbürger*innen
Debatte über Vorschläge zur Abschaffung von Hindernissen für EU-Bürger*innen, die ihr passives und aktives Wahlrecht bei EU- und Kommunalwahlen in einem anderen EU-Land ausüben.
Mehr Radwege, bessere Infrastruktur und Unterstützung für das Radfahren
Das Parlament will mehr eigenständige Radwege, Stellplätze für Fahrräder und eine Mehrwertsteuersenkung fordern, um die Fahrradindustrie und den grünen Wandel in der EU zu fördern.
Neues Satellitennetz für strategische Autonomie der EU
Ein neues Netz europäischer Telekommunikationssatelliten soll ab 2024 in Betrieb sein. Dies sieht ein mit den EU-Ländern vereinbartes Programm für sichere Regierungskommunikation vor.
Weitere Themen:
- EU-Erweiterung: Balkanländer – Fragestunde mit EU-Kommissar Olivér Várhelyi
- Angemessenes Mindesteinkommen zur Gewährleistung einer aktiven Inklusion – Anfrage zur mündlichen Beantwortung
- Abstimmung zur Änderung des Beschlusses vom 10. März 2022 über die Einsetzung eines Sonderausschusses zu Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation (INGE 2), und die Änderung seines Titels und seiner Zuständigkeiten
- Abstimmung über die Einsetzung eines Unterausschusses für öffentliche Gesundheit
- EU-Reaktion auf die Lage in Tunesien, Erklärungen von Rat und Kommission
- Erosion der Rechtsstaatlichkeit in Griechenland: der Abhörskandal und Medienfreiheit – Aussprache über ein aktuelles Thema
- Prioritäten der EU für die 67. Tagung der Kommission der Vereinten Nationen für die Rechtsstellung der Frau – mündliche Anfrage an Rat und Kommission
- Europäische Initiative zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements, damit europäische Freiwillige geschützt und besser unterstützt werden – Erklärung der Kommission
Quelle:
Europäisches Parlament;
Plenartagung des Europäischen Parlaments – Wie wurde abgestimmt?
Die vergangene Plenarsitzung des Europäischen Parlaments hat von 13. bis 16. Februar 2023 stattgefunden. Welche Themen dabei auf der Tagesordnung standen, ist hier nachzulesen.
Die namentlichen Abstimmungen behandelten u.a. die folgenden Themen:
- Parlament billigt Null-CO2-Emissionsziel für neue Pkw und Kleintransporter ab 2035
- „REPowerEU“: Erweiterung nationaler Aufbaupläne um Energiemaßnahmen
- Erleichterungen für mobile Unionsbürger*innen bei Europawahlen
- Gewalt gegen Frauen: EU muss Übereinkommen von Istanbul ratifizieren
- Neues Satellitennetz für strategische Autonomie der EU
Parlament billigt Null-CO2-Emissionsziel für neue Pkw und Kleintransporter ab 2035
Das Parlament gab grünes Licht für die neuen CO2-Reduktionsziele für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge im Rahmen des Pakets „Fit für 55“. Demnach sollen neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge bis 2035 emissionsfrei werden, d. h. man will die CO2-Emissionen im Vergleich zu 2021 um 100 % reduzieren. Zwischenziel bis 2030 ist, die Emissionen bei Neuwagen um 55 % und bei leichten Nutzfahrzeugen um 50 % zu senken. Ab Ende 2025 wird die Kommission alle zwei Jahre einen Bericht veröffentlichen, in dem sie die Fortschritte auf dem Weg zum emissionsfreien Straßenverkehr bewertet. Die Verordnung regt einerseits dazu an, emissionsfreie bzw. emissionsarme Fahrzeuge herzustellen. Andererseits wird es für Verbraucher*innen günstiger, emissionsfreie Autos zu kaufen und zu fahren.
„REPowerEU“: Erweiterung nationaler Aufbaupläne um Energiemaßnahme
Das Parlament sprach sich dafür aus, „REPowerEU“-Maßnahmen in nationale Aufbaupläne aufzunehmen, um unabhängiger von Russland zu werden, die Energiewende zu beschleunigen und Energiearmut zu bekämpfen. Demnach müssen die Mitgliedstaaten künftig in ihre Aufbau- und Resilienzpläne Energiesparmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Erzeugung sauberer Energie und zur Diversifizierung der Energieversorgung aufnehmen. Mindestens 30 % ihrer Ausgaben im Rahmen von „REPowerEU“ sollen für länderübergreifende Maßnahmen verwendet werden, die z.B. bestehende Engpässe bei der Energieübertragung, -verteilung und -speicherung beseitigen sollen. Die Abgeordneten setzten auch neue Transparenzregeln für die 100 Endempfänger*innen durch, die am meisten Fördergelder erhalten.
Erleichterungen für mobile Unionsbürger*innen bei Europawahlen
Das Parlament hat zwei eng aufeinander abgestimmte Vorschläge zum Wahlrecht von EU-Bürger*innen verabschiedet, die in einem Mitgliedstaat leben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen. Es geht dabei um Europa- und Kommunalwahlen. Rund elf Millionen Unionsbürger*innen im Wahlalter wohnen in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen Diese Bürger*innen stehen vor mehreren Hindernissen, wenn sie an Europa- und Kommunalwahlen teilnehmen wollen. Um diese Hindernisse zu reduzieren, schlagen die Abgeordneten u.a. die Einführung einer automatischen Registrierung der aktiv Wahlberechtigten zum Zeitpunkt der Anmeldung des Wohnsitzes (bei Einverständnis) vor. Außerdem sollen Informationen über Wahlrechte und Fristen den neu registrierten EU-Bürger*innen in einer offiziellen EU-Sprache, die sie sprechen, angeboten werden.
Gewalt gegen Frauen: EU muss Übereinkommen von Istanbul ratifizieren
Jede dritte Frau in der EU (rund 62 Millionen Frauen) hat in ihrem Leben körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt und mehr als die Hälfte der Frauen (55 %) in der EU hat mindestens einmal seit dem Alter von 15 Jahren sexuelle Belästigung erfahren. Vor diesem Hintergrund fordern die Abgeordneten die EU dazu auf, das vor sechs Jahren unterzeichnete Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (Istanbul-Konvention) endlich zu ratifizieren. Laut einem Gutachten des Europäischen Gerichtshofs von 2021 kann die EU die Istanbul-Konvention auch ohne Einstimmigkeit im Rat ratifizieren. Parallel dazu sollten auch die verbleibenden sechs EU-Länder (Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Lettland, Litauen und die Slowakei) dem Übereinkommen unverzüglich beitreten. Das Parlament verurteilt die Rückschläge in Bezug auf die Rechte der Frauen in einigen Mitgliedstaaten, z. B. Polen. Es fordert die nationalen Behörden auf, Desinformationskampagnen über das Übereinkommen von Istanbul entgegenzuwirken.
Neues Satellitennetz für strategische Autonomie der EU
Das Parlament gab grünes Licht für ein neues Netz europäischer Telekommunikationssatelliten, das ab 2024 einsatzbereit sein soll. Das EU-Programm für sichere Konnektivität 2023-2027 sieht ein Budget von 2,4 Milliarden Euro für den Aufbau dieses ersten europäischen Satellitensystems vor. Die neuen Satelliten werden eine sichere Kommunikationsinfrastruktur für EU-Behörden und
-Agenturen, Notfalldienste und europäische Delegationen in aller Welt bereitstellen. Das System soll die strategische Autonomie der EU im Bereich der sicheren Regierungskommunikation in einer Welt gewährleisten, in der Bedrohungen der Cybersicherheit immer mehr an Bedeutung gewinnen, insbesondere nach der russischen Aggression gegen die Ukraine.
Weitere Höhepunkte
Die Abgeordneten bekräftigten in einer Entschließung ihre Unterstützung für die Bereitstellung militärischer Unterstützung für die Ukraine so lange wie nötig. In diesem Zusammenhang forderten sie die EU-Länder dazu auf, die Lieferung von Kampfflugzeugen und Kampfhubschraubern westlicher Bauart an die Ukraine ernsthaft zu erwägen. Darüber hinaus sollte das zehnte Sanktionspaket gegen Russland bis Ende Februar 2023 angenommen und der Umfang der Sanktionen deutlich ausgeweitet werden. Von der EU eingefrorene russische Vermögenswerte sollen für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden. Das Parlament bekräftigte seine Unterstützung für den Beschluss des Europäischen Rates, der Ukraine den Status eines Bewerberlandes zuzuerkennen. Es forderte die Ukraine, die Kommission und den Rat auf, auf den Beginn der Beitrittsverhandlungen in diesem Jahr hinzuarbeiten.
Die Abgeordneten forderten die Kommission in einer Entschließung dazu auf, eine wirksame Strategie für die Neuausrichtung, Verlagerung und Rückverlagerung der Industrie in Europa auszuarbeiten. Um die Ziele des Grünen Deals zu verwirklichen, muss die EU eine Führungsrolle bei sauberen Technologien übernehmen sowie hochwertige Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum schaffen. Ein zukünftiger Europäischer Souveränitätsfonds sollte darauf abzielen, die durch unkoordinierte Bereitstellung staatlicher Beihilfen hervorgerufene Fragmentierung zu verhindern.
© ÖGfE
Die nächste Plenarsitzung findet von 13. bis 16. März 2023 statt.
Quellen:
Europäisches Parlament, Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE);