Infomailing 10.11.2023
Menschen vor Profit in einer Welt multipler Krisen – 31. IÖD-Weltkongress
Von 14. – 18. Oktober 2023 fand unter dem Motto „Menschen vor Profit in einer Welt multipler Krisen“ der 31. Kongress der Internationale der öffentlichen Dienste (IÖD) in Genf, Schweiz, statt. Mehr als 1.200 Delegierte aus der ganzen Welt nahmen an dem gewerkschaftlichen Großereignis teil, darunter auch eine Delegation der younion _ Die Daseinsgewerkschaft unter der Leitung von Thomas Kattnig, der im Rahmen des Kongresses als IÖD-Vizepräsident wiedergewählt wurde.
Der Kongress stand ganz im Zeichen der Kämpfe der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Die Teilnehmer:innen sprachen über die Unterdrückung von Gewerkschafter:innen in vielen Teilen der Welt und darüber, was getan wird, um sie zu unterstützen und um die Agenda für Gewerkschaftsrechte voranzubringen. Es wurden viele inspirierende Geschichten geteilt – über betriebliche Organisierung, den Aufbau von Gewerkschaften und die Stärkung der Stimme und der Macht der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, um einen besseren Schutz für die Beschäftigten zu erreichen.
Bei der Verabschiedung des IÖD-Aktionsprogramms für die bevorstehende Kongressperiode bis 2028 gab es zahlreiche Debatten darüber, wie Kräfte gebündelt werden können, um bestehende Machtstrukturen aufzubrechen, der Profitgier Einhalt zu gebieten und öffentliche Dienste für eine bessere Welt weiterzuentwickeln. Die Delegierten diskutierten über die Entschlossenheit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst nach der Pandemie, die Auswirkungen von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz auf die Beschäftigten, den öffentlichen Dienst und die Wirtschaft sowie über gewerkschaftliche Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und zur Unterstützung von Entkolonialisierung und Antirassismus. LGBT+-Beschäftigte sprachen über die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, und der Kongress stimmte für die Einrichtung von Strukturen zur Vertretung ihrer Interessen in der IÖD. Es wurde ausführlich über die Klimakrise und einen gerechten Übergang sowie über die Rolle, die wir als Gewerkschafter:innen dabei spielen, diskutiert. Die am Kongress vertretenen Gewerkschaften beteiligten sich sehr aktiv an dieser und vielen weiteren Debatten, und auch junge Arbeitnehmer:innen waren während des gesamten Kongresses sehr präsent.
Verurteilung des Angriffs der Hamas auf Israel
Die brutalen Angriffe der Hamas auf Israel, die mehr als 1.400 Tote zur Folge hatten, die Geiselnahme und der Einsatz von Geiseln als menschliche Schutzschilde sind terroristische Aktionen, die sich auf brutale Art und Weise gegen die Zivilbevölkerung richten. Der Kongress verurteilte den grausamen terroristischen Angriff der Hamas auf Israel und forderte die sofortige Freilassung der Geiseln. Eine entsprechende Entschließung mit dem Titel „Der Krieg in Israel und Palästina“ machte auch deutlich, dass Rache an den zwei Millionen Menschen im Gazastreifen durch die Blockade, die Bombardierung und den zu erwartenden Angriff der israelischen Armee keine Antwort ist, und forderte, dass sich die internationale Gemeinschaft auf der Grundlage der UN-Resolutionen für Frieden und Sicherheit einsetzt. Der Kongress brachte darüber hinaus sein Mitgefühl mit den Patient:innen, dem Gesundheitspersonal und jenen Menschen zum Ausdruck, die bei der jüngsten Zerstörung eines Krankenhauses in Gaza ums Leben kamen oder verletzt wurden. Es wurde klargestellt, dass das in Gefahr bringen von Krankenhäusern und medizinischem Personal durch nichts zu rechtfertigen oder zu entschuldigen ist.
Solidarität mit den Beschäftigten und der Bevölkerung der Ukraine
Hunderte von Delegierten des IÖD-Weltkongresses solidarisierten sich mit der ukrainischen Delegation und würdigten die Tapferkeit der Beschäftigten, die sich nach dem völkerrechtswidrigen Angriff vom 24. Februar 2022 dem russischen Imperialismus entgegenstellen. Die Delegierten verwiesen auf die brutalen Auswirkungen des wahllosen Bombardements auf öffentliche Dienste und Infrastrukturen sowie auf die arbeitende Bevölkerung und forderten den sofortigen Abzug der russischen Truppen. Dies ist eine Voraussetzung für den Beginn des Aufbaus von Frieden und Sicherheit in der europäischen Region. Soziale Gerechtigkeit, die Stärkung der Gewerkschaftsrechte und der Demokratie müssen integraler Bestandteil dieser Agenda sein.
Eine entsprechende Entschließung ruft zur anhaltenden Solidarität mit den ukrainischen Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften auf und schlägt die Organisation einer Mission vor, die sich mit den Gewerkschaften vor Ort trifft. Die Entschließung wurde von einer großen Gruppe von Gewerkschaften aus allen EGÖD-Wahlkreisen, darunter auch younion _ Die Daseinsgewerkschaft, eingebracht und vom EGÖD-Exekutivausschuss sowie dem IÖD-Vorstand unterstützt. Am Kongress gab es für diese Entschließung Standing Ovations und große Unterstützung seitens der Delegierten.
Wahl des neuen Führungsteams
Der Kongress verabschiedete die scheidende Generalsekretärin Rosa Pavanelli sowie den scheidenden Präsidenten Dave Prentis und begrüßte das neue Führungsteam der IÖD – Daniel Bertossa und Britta Lejon.
Der IÖD-Kongress wählte Daniel Bertossa zum neuen Generalsekretär und Britta Lejon zur neuen Präsidentin der IÖD. Die Wahl fiel einstimmig aus. Daniel war zuvor Assistent der Generalsekretärin der IÖD. Er ist bereits seit mehr als zehn Jahren bei der IÖD tätig und kümmert sich um Politik, Interessenvertretung und Governance mit Schwerpunkt auf der wirtschaftspolitischen Arbeit der IÖD in den Bereichen Handel, Steuern, Schulden und die Zukunft qualitativ hochwertiger öffentlicher Dienste. Britta ist ehemalige schwedische Ministerin und seit 2012 Vorsitzende der schwedischen Gewerkschaft ST, wo sie für die Rechte und das Wohlergehen der Staatsbediensteten eintritt. Darüber hinaus wurde Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft, zum Vize-Präsidenten wiedergewählt.
Wir gratulieren herzlich zur Wahl, wünschen viel Erfolg bei der Bewältigung der Herausforderungen, vor denen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes weltweit stehen, und freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit!
Weitere Kongress-Highlights
Die Beschäftigten des georgischen Rettungsdienstes wurden vom Kongress gewürdigt – der Kongress erklärte sich mit ihnen solidarisch und sprach seine Unterstützung ihrer Kampagne für die Wiedereinstellung von Beschäftigten aus, die wegen ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit entlassen worden waren.
Am letzten Kongresstag wurde schließlich das gesamte IÖD-Aktionsprogramm 2023 – 2028 sowie Dringlichkeitsentschließungen zur Unterstützung des Kampfes der indonesischen Arbeitnehmer:innen, zur Lösung des politischen Konflikts in Venezuela und dem Respekt der Arbeitnehmer:innenrechte sowie zu Arbeitnehmer:innenrechten im Iran vom Kongress verabschiedet.
Der 31. IÖD-Weltkongress schloss mit einem emotionalen Abschied für das scheidende Führungsteam, bestehend aus Rosa Pavanelli und Dave Prentis.
Zum Video zum Kongress-Eröffnungstag.
Zum Video zu Kongress-Tag 1.
Zum Video zu Kongress-Tag 2 (nur auf Spanisch verfügbar).
Zum Video zu Kongress-Tag 3.
Zum Tätigkeitsbericht der IÖD während der vergangenen Kongressperiode.
Quellen:
Europäischer Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD), Internationale der Öffentlichen Dienste (IÖD);
Blue Deal für die EU – ein Plan für die Zukunft unseres Wassers
Wasser ist eine unserer wertvollsten Ressourcen. Einerseits ist es für unser Überleben unerlässlich. Andererseits benötigen wir große Mengen davon, um unsere Landwirtschaft, Energie und Wirtschaft zu erhalten. Da dieses „blaue Gold“ jedoch aufgrund der Klimakrise immer knapper wird, müssen wir dringend Lösungen finden, wie wir am besten mit unserem Wasser umgehen. Deshalb brauchen wir einen EU Blue Deal, der die Zukunft unseres Wassers sichert, das Menschenrecht auf Wasser garantiert und die Weichen für den Aufbau einer widerstandsfähigen und nachhaltigen Wasserwirtschaft stellt. Das bedeutet zum einen, dass wir für eine gerechte Verteilung sorgen und den Vorrang der menschlichen Nutzung garantieren müssen. Andererseits bedeutet es auch, unsere Infrastruktur zu verbessern, um Wasserverluste zu verringern und eine integrative und digitalisierte Wasserwirtschaft zu schaffen. Darüber, wie all das gelingen kann, hat ein hochrangiges Panel an Vertreter:innen der Gewerkschaften, der Wasserwirtschaft und der EU-Kommission im Rahmen der von AK EUROPA, das ÖGB Europabüro und younion _ Die Daseinsgewerkschaft in Brüssel organisierten Veranstaltung „Blue Deal für die EU – ein Plan für die Zukunft unseres Wassers“ diskutiert.
Globaler Ansatz für den Umgang mit einer globalen Ressource
Nach einer kurzen Begrüßung durch die Moderatorin Michaela Kauer, Leiterin des EU-Verbindungsbüros der Stadt Wien, eröffnete Marthe Wens mit einer Keynote-Präsentation den Abend. Wens beschäftigt sich in ihrer Forschung mit den Wechselwirkungen zwischen Natur und Mensch sowie mit der Frage, wie sich diese Wechselwirkungen auf Wasserhaushalt und -knappheit auswirken. Vor dem Hintergrund steigenden Wasserverbrauchs und schwindender Ressourcen ging sie auf die Bedeutung der Wassersicherheit, also des Zugangs zu Wasser in hoher Qualität und Quantität, ein. Wens blickte dabei auch über die Grenzen der EU hinaus und wies auf den virtuellen Wasserverbrauch in der EU hin. Darunter versteht man den Wasserverbrauch bei der Produktion von Nahrungsmitteln, Kleidung und Industriegütern. Um auch den globalen Auswirkungen unseres Konsumverhaltens und den damit verbundenen Ungleichheiten in der Wassernutzung Rechnung zu tragen, ist ein proaktives Wassermanagement erforderlich, das auch diesen virtuellen Wasserverbrauch berücksichtigt.
Willen der EU-Bürger:innen respektieren
Es folgte ein Kommentar von Jan Willem Goudriaan, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsverbands für den Öffentlichen Dienst (EGÖD/EPSU). Goudriaan forderte einen ganzheitlichen Ansatz in der nationalen und europäischen Wasserpolitik, bei dem die Gewerkschaften mit am Verhandlungstisch sitzen. Zudem forderte er, den in der erfolgreichen europäischen Bürgerinitiative „Right2Water“ zum Ausdruck gebrachten Willen der EU-Bürger:innen zu respektieren. Dies bedeute, so Goudriaan, Diskussionen über eine mögliche weitere Liberalisierung des Wassersektors zu beenden und die Umsetzung des Menschenrechts auf Wasser voranzutreiben. Wasser ist ein Gemeingut, weshalb es einen EU Blue Deal braucht, um dieses Gut für Mensch und Natur zu erhalten. Der EGÖD-Generalsekretär plädierte darauf, dass der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) als Ideengeber des EU Blue Deals diesen federführend mitgestalten sollte. Instrumente wie eine goldene Investitionsregel seien ein zentraler Teil davon, um ausreichende Investitionen in die öffentliche Wasserinfrastruktur zu fördern.
Dem Green Deal muss ein Blue Deal folgen
Infolge der beiden Redebeiträge startete die Paneldiskussion. Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft, machte als einer der Berichterstatter der Blue Deal-Initiative des EWSA den Anfang. Zu Beginn der Diskussion betonte er noch einmal die hohe Relevanz des Themas Wasser und die zentrale Rolle der öffentlichen Wasserversorgung. Es braucht laut Kattnig eine funktionierende, gut finanzierte öffentliche Infrastruktur, die für die Auswirkungen des Klimawandels gewappnet ist und die Konsument:innen in den Mittelpunkt stellt. Gudrun Winkler (HAMBURG WASSER) pflichtete Kattnig bei und betonte die Notwendigkeit, die Wasserwirtschaft auf die zukünftigen Herausforderungen vorzubereiten. Viele Probleme habe man als Gesellschaft bereits erkannt, jetzt müsse der Gesetzgeber handeln. Oft würden Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen gegeneinander arbeiten. Diese Lücken könnten mit einem EU Blue Deal geschlossen werden, der einen ganzheitlichen Ansatz fördert und ganzheitliche Rahmenbedingungen schafft.
Das Thema Wasser betrifft uns alle
In der weiteren Diskussion sprach sich Ben Lennon, Wasserexperte des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) für eine frühzeitige Einbindung der Gewerkschaften aus. Als Beispiel nannte er die Situation von Feuerwehrleuten, die bei ihrer Arbeit bereits mit dem Dilemma der Wasserknappheit zu kämpfen haben. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, die Arbeitnehmer:innen vor Ort in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Er betonte, dass man aus den Fehlern des Green Deal lernen müsse und richtete sich damit auch an die EU-Kommissionsvertreterin Claudia Olazábal. Diese verwies darauf, wie wir die Auswirkungen des Klimawandels bereits heute spüren und wie diese Auswirkungen auch den Wasserkreislauf und damit die Wasserqualität und -quantität beeinflussen.
Wie geht es weiter mit dem EU Blue Deal?
Thomas Kattnig betonte abschließend, dass wir alle Instrumente von der lokalen bis zur europäischen Ebene nutzen müssen, um einen EU Blue Deal voranzubringen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in ihrer letzten Rede zur Lage der Union eine Initiative zur Resilienz der Wasserversorgung als eine von drei Prioritäten für einen künftigen Green Deal genannt. Dem müssten laut Kattnig jetzt auch konkrete Taten folgen.
Weiterführende Informationen:
EWSA: EU Blue Deal (Nur Englisch)
EU-Kommission: Dank der ersten erfolgreichen Bürgerinitiative Right2Water: Neue Regeln zu Qualität von und Zugang zu Trinkwasser
AK EUROPA: Neufassung der EU-Abwasserrichtlinie: Öffentliche Kontrolle und Leistbarkeit entscheidend
AK EUROPA: Neue Regeln für saubere Luft und sauberes Wasser vorgeschlagen
AK EUROPA: Zugang zu Wasser als Menschenrecht
Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), Europäische Kommission, Europäischer Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD/EPSU), Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA/EESC), right2water.eu;
Einsatz für das Recht auf Wasser
Von 14. bis 16. September 2023 fand in Wien zum sechsten Mal die Konferenz für Alltagsökonomie statt. Dieses Jahr stand die Konferenz unter dem Titel „Exploring the Foundational Economy for a Just Transition“. In zahlreichen wissenschaftlichen aber auch praxisorientierten Workshops wurden die verschiedenen Bereiche der Alltagsökonomie unter dem Blickwinkel der sozial-ökologischen Transformation beleuchtet. Der Bereich der Alltagsökonomie umfasst jenen Teil der Wirtschaft, der alltäglich lebensnotwendige Güter und Dienstleistungen sowie kritische Infrastrukturen bereitstellt, und damit auch wesentliche Teile der Daseinsvorsorge.
Als younion _ Die Daseinsgewerkschaft haben wir im Rahmen der Konferenz gemeinsam mit der Arbeiterkammer Wien einen Workshop zum „Kampf ums Wasser“ organisiert. Dabei standen sowohl die Auswirkungen der fortschreitenden Klimakrise auf unsere Wasserbestände und -versorgung im Mittelpunkt als auch mögliche Nutzungskonflikte in der Zukunft.
Schwindende Wasserbestände weltweit
Zu Beginn brachte Roman Neunteufel, Senior Scientist an der BOKU Wien, den Teilnehmer:innen die Faktenlage zu den Auswirkungen der Klimakrise auf die Wasserbestände näher. Dabei wurde die Dringlichkeit der Lage mehr als deutlich: Die Erderwärmung schreitet schneller voran als noch vor einem Jahrzehnt angenommen und bringt weltweit, aber auch im wasserreichen Österreich die Wasserversorgung unter Druck. Zukünftig ist verstärkt mit Trockenperioden zu rechnen. Zwar sind auch andere Einflussfaktoren zu beobachten wie beispielsweise der Bevölkerungszuwachs, die Modelle schreiben aber eindeutig auch dem Klimawandel eine tragende Rolle zu. Hochrechnungen bis 2050 würden vor allem im Osten Österreichs sehr hohe Nutzungsintensitäten zeigen, der Wasserbedarf wird je nach Region dabei nicht mehr überall gedeckt werden können. Daher rief Neunteufel auch dazu auf, vorrausschauend zu planen, Reserven aufzubauen und die Resilienz der Wasserversorgung mehr in den Fokus zu nehmen.
Europäische Lösung gefordert
In seinem Vortrag betonte Jan Willem Goudriaan, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsverbands für den Öffentlichen Dienst (EGÖD/EPSU), welche Erfolge die Gewerkschaftsbewegung in der Vergangenheit bereits verbuchen konnte. Die auch von younion _ Die Daseinsgewerkschaft mitorganisierte erste erfolgreiche Europäische Bürger:inneninitiative Right2Water konnte im Jahr 2013 fast 1,9 Millionen Unterstützer:innen gewinnen und das Recht aller Bürger:innen auf einen universellen Zugang zu sauberem und leistbarem Trinkwasser sowie zu sanitärer Grundversorgung in die Öffentlichkeit rücken. Diese Initiative ist auch eine der wenigen, die über die Trinkwasser- und Abwasserrichtlinie ganz konkret Eingang in europäisches Recht gefunden hat. So wurden beispielsweise verbesserte Informationen für Verbraucher:innen, niedrigere Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stoffe sowie eine Watchlist für potenziell gesundheitsschädliche Substanzen wie Mikroplastik rechtlich verankert. Goudriaan verwies auch auf die Anstrengungen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, in Anlehnung an den Green Deal einen „Blue Deal“ anzustreben, also eine Gesamtstrategie für eine nachhaltige, effiziente und gerechte Wasserversorgung in Europa.
Auch die Natur braucht eine Stimme
Bettina Urbanek, Gewässerökologin beim WWF, ging auf die oftmals zu wenig berücksichtigten Konflikte zwischen dem Ausbau erneuerbarer Energieträger und dem Schutz der Natur ein. Es brauche strengere und klarere Regeln, um die Interessen des Naturschutzes zu wahren und Wiederherstellung naturnaher Gewässer und Gewässerlandschaften zu ermöglichen. Letztlich wäre eine Möglichkeit, der Natur Rechte ähnlich einer Person zuzuschreiben, wie dies bereits beispielsweise in Neuseeland der Fall sei.
Durmus Ünlü, Geschäftsführer der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) mit Sitz in Berlin, berichtete von seinen Erfahrungen aus Deutschland. Er war eingebunden in den Prozess der Erstellung einer nationalen Wasserstrategie. Eine solche Strategie sei zwar begrüßenswert, in der Praxis habe sich jedoch die mangelnde Verbindlichkeit der Bestimmungen als Problem erwiesen. Einen wichtigen Platz räumte Ünlü auch der öffentlichen Daseinsvorsorge ein. Diese sei durch ihren gemeinwohl- und bedürfnisorientierten Ansatz am besten geeignet, um den universellen Zugang zu Wasser sicherzustellen. Dementsprechend müsse man auch zukünftig Liberalisierungsbestrebungen in diesem Sektor unbedingt verhindern.
Und wie weiter?
Abschließend wurde in Kleingruppen mit den Teilnehmer:innen diskutiert, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um die aktuellen Probleme zu lösen und die Wasserversorgung in Hinblick auf zukünftige Herausforderungen zu wappnen. Dazu gehören neben dem aktiven Kampf gegen die Klimakrise auch die gezielte Wiederherstellung von Landschaftsbildern. Mögliche zukünftige Konflikte sollten auf Grundlage einer verbesserten Datenbasis proaktiv mit allen relevanten Akteur:innen diskutiert werden, um Verwerfungen zuvorzukommen. Städte und Gemeinden könnten dabei eine wichtige Rolle spielen und Räume für diese Dialoge schaffen.
Auch wenn vorrangig strukturelle Veränderungen notwendig sind, könnte man über gezielte Bewusstseinsbildung auch dazu beitragen, den eigenen Konsum kritisch zu hinterfragen. Wenn zukünftig das Wasser knapper wird, wird man unter Umständen auch über die Einschränkung oder Bepreisung gewisser Nutzungsarten wie Poolbefüllungen nachdenken müssen. Dabei darf die soziale Dimension jedoch niemals außer Acht gelassen werden, sodass alle Bürger:innen ihren notwendigen Bedarf decken können.
Quellen:
Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW), Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (Deutschland), Europäischer Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD/EPSU), right2water.eu, younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
US-Gewerkschaften: Erfolgreiche Streik-Strategie mit Überraschungseffekt
Der sechs Wochen lang andauernde und als historisch geltende Streik in der US-amerikanischen Autoindustrie konnte vergangene Woche beendet werden – und das mit einem großen Erfolg für die Gewerkschaften. Die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW), die die Automobilkonzerne mit einer neuen Strategie überraschte, erzielte dabei – nach einer Einigung mit Ford und Stellantis – nun auch eine vorläufige Einigung mit General Motors (GM). Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage feiern Gewerkschaften in den USA derzeit generell ein für US-Verhältnisse unerwartet großes Comeback.
Bis zu neun Betriebe der auch als „Detroit Three“ bezeichneten drei Konzerne Ford, Stellantis und General Motors (GM) bestreikte die UAW erstmals in der Geschichte gleichzeitig und handelte damit Rekordzahlungen für ihre Mitglieder aus: Um nicht weniger als 33 Prozent steigt das Gehalt für erfahrene Arbeiter:innen in der höchsten Gruppe über die nächsten fünf Jahre, zudem werden in Zukunft mehr Arbeiter:innen von diesem Kollektivvertrag profitieren. Darüber hinaus konnte eine Wiedereinführung einiger Unterstützungen erzielt werden, auf die die Gewerkschaft im Lichte der Finanzkrise zugunsten des Erhalts der Auto-Großkonzerne verzichtet hatte.
„Seit Monaten haben wir gesagt, dass Rekordgewinne Rekordverträge bedeuten“, kommentierte der UAW-Vorsitzende Shawn Fain, der in einem Livestream etwa wöchentlich über den aktuellen Verhandlungsstand informierte, die erzielte Einigung. „Wir haben das erreicht, von dem man uns noch vor wenigen Wochen gesagt hatte, es sei unmöglich.“
Ungewöhnliche Erfolgsstrategie
Neben der für US-Verhältnisse und für diese Branche extrem langen Dauer des Streiks waren auch das schrittweise Bestreiken immer weiterer Fabrikstandorte sowie die nur kurzfristige Ankündigung dieser Ausweitungen Teil der neuen Erfolgstaktik. Mit Unterstützung u.a. von Jonah Furman, ehemaliger Pressesprecher für US-Senator Bernie Sanders und der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, bettete die UAW viel stärker als bei früheren Arbeitsniederlegungen den Streik auch in eine öffentliche Debatte über Lohngerechtigkeit und das besonders in den USA extrem weite Lohngefälle ein. Die Automobilkonzerne beklagten die noch nie dagewesene Aggressivität, mit der die UAW den Streik geführt hätte und fühlten sich vom neuen Kommunikationsstil der Gewerkschaft überrumpelt.
Unterstützung von oben
US-Präsident Joe Biden – im Gegensatz zu all seinen Vorgängern der letzten Jahrzehnte ein großer Unterstützer der Gewerkschaften – solidarisierte sich mit den Streikenden und zeigte sich erfreut über die „historische Einigung“: „Diese Rekordvereinbarungen sind eine Belohnung für die Beschäftigten in der Automobilindustrie, die während der Finanzkrise vor mehr als einem Jahrzehnt viel aufgegeben haben, um die Branche am Leben zu erhalten.“ Dieses Ergebnis mache deutlich, woran er immer geglaubt habe – dass die Arbeiter:innen entscheidend dafür sind, die Wirtschaft von unten herauf aufzubauen.
Comeback und Erfolge der US-Gewerkschaften
Der von der UAW erzielte Verhandlungserfolg kann als vorläufiger Höhepunkt des seit einiger Zeit anhaltenden Comebacks der US-amerikanischen Gewerkschaften gesehen werden. Diesem Aufschwung liegt nicht nur der in zahlreichen Branchen und Regionen des Landes herrschende Arbeitskräftemangel zugrunde, sondern auch die relativ hohe (wenn auch verglichen mit Europa niedrige) Inflation, die den Druck auf die Gewerkschaften erhöht, entsprechend hohe Forderungen zu stellen.
Bedeutende Erfolge erzielten die Gewerkschaften beispielsweise auch beim Paketzusteller UPS sowie dem Krankenversicherer und Spitalsbetreiber Kaiser Permanente. Hinzu kommt der historische gemeinsame Streik von über 11.000 Drehbuchautor:innen und mehr als 100.000 Hollywood-Schauspieler:innen, der Mitte Juli dieses Jahres begonnen hatte. Während für die Drehbuchautor:innen im September eine Einigung ausgehandelt werden konnte, hält der Streik der Schauspieler:innen weiterhin an. Es handelt sich dabei um die längste Unterbrechung in der Film- und Fernsehbranche seit der COVID-19-Pandemie. Die letzte Arbeitsniederlegung der Drehbuchautor:innen und Schauspieler:innen fand im Jahr 1960 statt und liegt damit bereits mehr als 60 Jahre zurück.
Ein Trend?
Ausgelöst durch den drastischen Anstieg der Lebenshaltungskosten und gleichzeitigen Rekordgewinnen der Konzerne zeigen sich ähnliche Trends auch in zahlreichen anderen, darunter auch europäischen Ländern. Sollte der Aufschwung anhalten, würde dies die Möglichkeit eröffnen, multinationale Großkonzerne wie Starbucks oder Amazon, die gewerkschaftliche Organisation bisher ebenso aggressiv wie erfolgreich weitgehend verhindert haben, erneut ins Visier zu nehmen.
Für mehr Informationen zum Streik der UAW.
Quellen:
IndustriALL Global Union, orf.at, United Auto Workers (UAW);