Infomailing 09.03.2023
EU-Lateinamerika-Gipfel als Chance für eine soziale und ökologische Wirtschaftspolitik
Im Vorfeld des Lateinamerikagipfels, der von 17. bis 18. Juli 2023 in Brüssel stattfinden wird, soll seitens der Europäischen Kommission als Teil des Arbeitsprogramms 2023 eine modernisierte Agenda für die Beziehung zwischen der EU und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) vorgelegt werden. Ziel ist es, die Zusammenarbeit auf multilateraler, aber auch bilateraler und biregionaler Ebene zu stärken.
Der Versuch der Kommission, die Zusammenarbeit zu erneuern, erscheint vor dem Hintergrund einer Welt multipler Krisen angebracht. Das neoliberale Wachstumsmodell hat sich als ungeeignet erwiesen, um den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Dass eine grundlegende Transformation unseres Wirtschaftssystems notwendig ist, wurde auch jüngst in einem Bericht des Forschungsinstituts der Vereinten Nationen für soziale Entwicklung (UNRISD) festgestellt. Die neue geplante Agenda sowie der Lateinamerikagipfel sollten daher genutzt werden, um die grundlegende Ausrichtung der Handelspolitik mit Lateinamerika und der Karibik zu überdenken. Es braucht einen globalen, sozial gerechten Grünen Deal zwischen den beiden Regionen, wie auch kürzlich in einer Stellungnahme der Bundesarbeiterkammer festgehalten wurde.
Handelsabkommen überdenken
Mit dem Amtsantritt des neuen brasilianischen Präsententen Lula da Silva bekam die Diskussion um das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) neuen Schwung. Die in diesem Zusammenhang geforderte Flexibilität seitens der Europäischen Union und Brasiliens darf jedenfalls in den Verhandlungen zu keiner Reduktion oder Aufweichung von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards führen. Auch wenn die österreichische Bundesregierung zum Mercosur-Abkommen weiterhin eine eher ablehnende Haltung einnimmt scheint es geboten, die weitere Entwicklung im Auge zu behalten. Die Europäische Kommission plant ein sogenanntes „Splitting“ des Vertrags, indem der handelspolitische Teil des Vertrags herausgelöst wird und nicht mehr der Einstimmigkeit des EU-Rats unterliegt. Dies würde den Handlungsspielraum der österreichischen Regierung massiv einschränken.
Die Freihandelsabkommen der EU werden seit langem für ihre negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen kritisiert. Das Mercosur-Abkommen, aber auch die geplanten Abkommen mit Chile und Mexiko würden dazu führen, dass die Rolle der lateinamerikanischen Staaten als Rohstofflieferanten einzementiert würde. Diese Staaten spielen mit ihrem Rohstoffreichtum eine wichtige Rolle für die Strategie der EU hin zu einer grünen Wende. Rohstoffe wie Lithium sind wesentliche Bestandteile von Technologien, die eine Abkehr von fossilen Energieträgern ermöglichen. Der Rohstoffabbau ist in diesen Ländern jedoch oftmals mit massiven Menschenrechtsverletzungen verbunden und geht mit Umweltkatastrophen einher. Auch indigene Lebensräume werden durch die Ausweitung der Abbaugebiete systematisch zerstört.
Gewerkschaftsrechte schützen
Im Rahmen des Lateinamerikagipfels sollte jedenfalls auch die beunruhigende Situation für Mitglieder von Gewerkschaften in der Region thematisiert werden. Denn in zahlreichen Ländern der Region werden regelmäßig Menschenrechtsverletzungen gegen Gewerkschafter*innen dokumentiert. Einige der Länder weisen die höchsten Mordraten an Gewerkschaftsvertreter*innen weltweit auf. Viele Unternehmen schränken gezielt Grundrechte ein, indem sie beispielsweise die Gründung von Gewerkschaften verhindern. Es braucht daher Abkommen mit den CELAC-Staaten, die ein klares Bekenntnis zur Einhaltung aller Grundrechte inklusive gewerkschaftlicher Rechte enthalten. Denn viel zu oft spiegeln die Abkommen die Interessen transnationaler Konzerne wider, untergraben Arbeitnehmer*innenrechte und bieten keinen Schutz für Ökosysteme.
Eine zukünftige Kooperation zwischen den beiden Regionen sollte eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe sein und auch die regionale Wertschöpfung in Lateinamerika stärken. Die Einhaltung der Pariser Klimaziele muss dabei oberste Priorität haben. Dies kann nur erreicht werden, wenn der Ausstieg aus fossiler Energie und der Ausbau erneuerbarer Energie vorangetrieben wird. Die beiden Regionen könnten hier wirksam zusammenarbeiten, mit gemeinsamen Strategien für nachhaltigen Handel, zur Förderung erneuerbarer Energien und Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe.
Auf internationaler Ebene wäre es geboten, sich gemeinsam für eine Umstrukturierung der Welthandelsorganisation (WTO) einzusetzen, damit diese einen sozial und ökologisch gerechten Übergang unterstützt und nicht weitere Liberalisierung zugunsten transnationaler Unternehmen vorantreibt.
Als younion _ Die Daseinsgewerkschaft werden wir die weitere Entwicklung genau beobachten und uns tatkräftig einbringen, um die Rechte von Arbeitnehmer*innen zu wahren.
Quellen:
Bundesarbeiterkammer, derstandard.at, Europäische Kommission, Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für soziale Entwicklung (UNRISD), orf.at;
Menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der Kunst- und Kulturbranche
Nach mehreren Tagen der Verhandlung wurde nun ein zwischen der internationalen Arbeitsorganisation (IAO), Gewerkschaften, Regierungsvertreter*innen und Arbeitgeber*innenverbänden abgestimmtes Dokument zur Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen in der Kunst- und Kulturbranche vorgelegt.
In dem Dokument wird die wichtige Rolle von Kunst und Kultur zur Stärkung der Demokratie und des sozialen Zusammenhalts betont. Gleichzeitig werden die oft prekären Arbeitsbedingungen in der Branche benannt. Die Rede ist von unzureichender Vergütung, fehlendem Zugang zu sozialen Sicherungssystemen und langen Arbeitszeiten. Vulnerable Personengruppen seien, so das Dokument, außerdem Ziel von Diskriminierung und es werde zu wenig unternommen, um die dadurch entstehen Ungleichheiten zu beseitigen.
Hervorgehoben wird in dem Dokument auch die zentrale Bedeutung des sozialen Dialogs, insbesondere des Rechts auf Tarifverhandlungen und Vereinigungsfreiheit, um menschenwürdige Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Regierungen werden dazu angehalten, in Austausch mit Gewerkschaften und Arbeitgeber*innenverbänden diese Grundrechte wirksam sicherzustellen und den rechtlichen Rahmen dafür zu schaffen. Regelmäßige Arbeitsinspektionen sollen garantieren, dass alle Arbeitnehmer*innen an ihrem Arbeitsplatz ein sicheres und diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld vorfinden.
In Zeiten des Online-Streamings kommt der Hinweis auf die Wichtigkeit von Urheberrechten und ähnlicher Rechte nicht überraschend. Diese sollten so implementiert werden, dass sie Autor*innen, Darsteller*innen und Produzent*innen eine ausreichende Vergütung garantieren.
Nachdem die ökologische Krise auch vor der Kunst- und Kulturbranche nicht Halt macht, wird auch die hohe Bedeutung von öffentlichen Investitionen zur Erreichung eines sozial und ökologisch gerechten Übergangs der Branche hingewiesen. Nationale Strategien müssen dabei die Gegebenheiten des Sektors berücksichtigen.
Dem Papier ging ein fünftätiges technisches Arbeitstreffen in Genf voraus, an dem neben der IAO auch einige Gewerkschaftsverbände teilnahmen. Unter anderem waren die gewerkschaftlichen Dachverbände UNI Global Union, die Internationale Föderation der Schauspieler*innen (FIA) und die Internationale Föderation der Musiker*innen (FIM) vertreten, denen auch younion _ Daseinsgewerkschaft angehört. Diese drei Verbände vereinen mehr als 1.000.000 Mitglieder unter ihrem Dach.
Quellen:
Internationale Arbeitsorganisation (IAO), Internationale Föderation der Schauspieler*innen (FIA);
576. Plenartagung des EWSA
Dabei standen unter anderem die folgenden Themen auf der Tagesordnung:
- Unterstützung der Arbeitsmarktentwicklung: Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, Steigerung der Produktivität und Entwicklung von Kompetenzen, insbesondere in KMU, vor dem Hintergrund des Europäischen Jahres der Kompetenzen 2023, mit Stefano Scarpetta, Direktor für Beschäftigung, Arbeit und soziale Angelegenheiten, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
- Die europäische Nachbarschaftspolitik – der belarussische Weg, mit Sviatlana Tsikhanouskaya, Anführerin der demokratischen Bewegung in Belarus
- Ein Jahr Krieg in der Ukraine – Auswirkungen auf die Menschen in der Ukraine und in der EU, mit Oleksandra Matviichuk, Leiterin des Zentrums für bürgerliche Freiheiten, und Lora Pappa, Gründerin und Vorsitzende der griechischen NGO METAdrasi - Action for Migration Development
Neben den oben angeführten Debatten wurden im Rahmen der Plenartagung auch eine Reihe von Stellungnahmen abgestimmt. Eine Auswahl der wichtigsten findet sich untenstehend.
Initiative zur kurzfristigen Vermietung von Unterkünften (INT/1009)
Der in der Stellungnahme behandelte Vorschlag zielt darauf ab, die kurzfristige Vermietung von Unterkünften, beispielsweise über Plattformen wie Airbnb, besser zu regulieren. Der EWSA begrüßt die geplante Schaffung von klaren Regeln für diesen Sektor sowie die Förderung von Nachhaltigkeit, Transparenz und Fairness auf dem Markt für kurzfristige Vermietungen von Unterkünften. Zugleich betont der EWSA jedoch auch, dass regelmäßig Folgenabschätzungen zur kurzfristigen Vermietung durchgeführt werden sollen, bei denen unter anderem die Auswirkungen auf den sozialen Wohnungsbau und auf den regionalen Immobilienmarkt, auf die Arbeitsplätze und auf die Umweltverschmutzung untersucht werden sollen. Mehr dazu.
Überarbeitung der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser (NAT/877)
In seiner Stellungnahme zur Überarbeitung der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser – kurz Abwasserrichtline – begrüßt der EWSA die notwendige Überarbeitung der mittlerweile bereits über 30 Jahre alten Richtlinie. Durch die Überarbeitung soll die Richtlinie an die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Abwasserbehandlung und -entsorgung angepasst werden. Damit sollen auch neue Schadstoffe wie etwa Mikroplastik in die Richtlinie aufgenommen werden. Zudem sollen durch die Neufassung der Richtlinie die Transparenz in der Abwasserbehandlung und der Klimaschutz verbessert werden. Für uns als younion _ Die Daseinsgewerkschaft ist bei der Überarbeitung der Richtlinie neben den genannten Punkten vor allem die Sicherstellung des Grundrechts auf Wasser (Right2Water) und auf sanitäre Grundversorgung wichtig. Damit ist gemeint, dass sichergestellt werden muss, dass alle Menschen in der EU einen Zugang zu Abwasserversorgung haben müssen. Mehr dazu.
Initiativstellungnahme Energiepolitik und Arbeitsmarkt (SOC/718)
Der EWSA hat sich in seiner Initiativstellungnahme dem Verhältnis zwischen Energiepolitik, Klimakrise und Arbeitsmarkt gewidmet. Dabei wird zum einen auf die Folgen der durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelösten Energiekrise eingegangen. Zum anderen werden die Klimakrise und ihre Folgen für den Arbeitsmarkt thematisiert. Dabei ist klar, dass die notwendige Energiewende zu Veränderungen im Arbeitsmarkt führen wird, aufgrund derer Arbeitsplätze neu gestaltet und Arbeitnehmer*innen umgeschult werden müssen. Dieser Prozess muss aktiv von Arbeitnehmer*innen und ihren Vertreter*innen mitgestaltet und die Potentiale für neue, qualitativ hochwertige Arbeitsplätze etwa im Bereich der grünen Energie genutzt werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass im Zuge der Energiewende niemand zurückgelassen wird und dass wir den Übergang zu einer klimaneutralen Energieversorgung sozial gerecht gestalten. Mehr dazu.
Initiativstellungnahme zur Unterstützung der Arbeitsmarktentwicklung (SOC/722)
Demografischer Wandel, digitaler Wandel, grüner Wandel – die Veränderungen, denen sich der EWSA in seiner Initiativstellungnahme zur Unterstützung der Arbeitsmarktentwicklung angenommen hat, sind zahl- und folgenreich. Um diese Vielzahl an Veränderungsprozessen zu bewältigen, brauchen die Beschäftigten die nötigen Kompetenzen. Darum muss die Möglichkeit zum lebenslangen Lernen gefördert und die Aus- und Weiterbildungen von Beschäftigten aktiv unterstützt werden. Nur so können Arbeitnehmer*innen jene Kompetenzen erlangen und ausbauen, die für den Arbeitsmarkt der Zukunft notwendig sind. Mehr dazu.
Quellen:
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA);