Infomailing vom 07.07.2022
younion: Bundesregierung sollte gemeinsam Ferienkurs besuchen!
Vor allem Nachhilfe bei Planung und Digitalisierung sind dringend nötig
Ein glattes „Nicht Genügend“ stellen die Gemeindebediensteten in der younion _ Die Daseinsgewerkschaft der Bundesregierung zum Schulschluss im Fach Planung aus. „Es hat bis Ende Juni gebraucht, um den Termin für die Bundespräsidentenwahl Anfang Oktober zu fixieren“, erklärt Christian Meidlinger, Vorsitzender der younion _ Die Daseinsgewerkschaft anlässlich des younion-Bundesvorstandes. Und weiter: „Was glaubt die Bundesregierung eigentlich, wie so eine Wahl abläuft? Dass da plötzlich kleine Heinzelmännchen kommen und alles erledigen? Hinter so einer Wahl stecken viel Arbeit und Organisation, stark getragen von den vielen Gemeindebediensteten im ganzen Land. Sie konnten ihren Urlaub nicht planen, nur weil die Bundesregierung nicht vorausschauend denkt.“
Meidlinger erinnert in diesem Zusammenhang auch an die Gemeindevertretungswahlen im Burgenland und die Landtagswahlen in Tirol: „Auch das passiert nicht wie durch Zauberhand. Es sind viele Gemeindebedienstete, die das organisieren und so das Rückgrat der Demokratie bilden. Denn es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man in Sonntagsreden salbungsvolle Worte über die Demokratie spricht, oder sie tatsächlich lebt.“
Dabei geht Meidlinger auch auf die vielen Volksbegehren in der vergangenen Zeit ein: „Während es in den Jahren zuvor maximal drei Volksbegehren gab, waren es 2021 sieben. Heuer haben wir diese Zahl bereits Mitte des Jahres erreicht. Auch hier glaubt die Regierung wohl, dass das alles von alleine passiert. Auch hier sollte die Bundesregierung jetzt rasch Nachhilfe nehmen!“
„Und wenn sie schon beim Lernen ist, sollte die Bundesregierung gleich ihren ‚Fleck‘ bei der Digitalisierung ausbessern. Denn das ist etwas, dass die Gemeindebediensteten tatsächlich entlasten könnte, wenn es richtig gemacht wird“, sagt Christian Meidlinger. Das sieht der Gewerkschaftsvorsitzende auch in Hinblick auf das geplante Informationsfreiheitsgesetz als besonders wichtig an. Meidlinger: „Denn wenn das nicht mit einer digitalen Kraftanstrengung begleitet wird, sehe ich schwarz. Es gibt einfach nicht das Personal, das dann alle Informationen sichten und liefern könnte.“
Meidlinger abschließend: „Die Bundesregierung sollte gemeinsam einen Ferienkurs besuchen, damit das Versäumte rasch aufgearbeitet wird. Einen Tipp habe ich für sie: Nicht im Kaufhaus Österreich nach Ferienkurs suchen – denn dort erscheint nichts.“
Quellen:
younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
Schwerpunkte der EP-Plenartagung vom 4. – 7. Juli 2022
Im Rahmen der von 4. – 7. Juli 2022 stattfindenden Plenartagung des Europäischen Parlaments stehen u. a. folgende Themen auf der Tagesordnung:
Taxonomie: Abstimmung über EU-Nachhaltigkeitssiegel für Atomkraft und Gas
Das Parlament wird über den Plan der Kommission abstimmen, Atomkraft und Gas als nachhaltige Finanzanlagen einzustufen.
Digitale Dienste: EU Vorreiter bei Regulierung von Big Tech und Nutzer*innenschutz
Die neuen EU-Digitalregeln begrenzen die Marktmacht der Technologieriesen. Online-Unternehmen müssen die Nutzer*innen vor illegalen Inhalten schützen und die Rechenschaftspflicht erhöhen.
Debatte über die Ergebnisse des EU-Gipfels vom 23. und 24. Juni
Debatte am Mittwochmorgen mit dem Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel und dem Kommissions-Vizepräsidenten Maroš Šefčovič über die Ergebnisse des EU-Gipfels vom 23. und 24. Juni.
Tschechischer Premier Fiala stellt Prioritäten der EU-Ratspräsidentschaft vor
Am Mittwoch ab 9:00 Uhr werden die Abgeordneten mit Premierminister Petr Fiala das Programm der tschechischen Ratspräsidentschaft diskutieren, die am 1. Juli beginnt.
Griechischer Premierminister Kyriakos Mitsotakis spricht vor dem Parlament
Die Abgeordneten werden am Dienstag ab 10:30 Uhr mit dem griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis über die Europäische Union und ihre Zukunftsaussichten diskutieren.
Parlament stimmt über Euro-Beitritt Kroatiens ab
Das Plenum wird am Montag über den Beitritt Kroatiens zum Euro-Raum diskutieren und diesen voraussichtlich am Dienstag gutheißen.
Krise der Lebenshaltungskosten in Zeiten steigender Energiepreise und Inflation
Debatte mit Kommission und Rat über den bestmöglichen Einsatz von EU-Mitteln zur Unterstützung der Bürger*innen bei der Bewältigung der steigenden Lebenshaltungskosten.
Verbindungen zwischen extremistischen EU-Parteien und Russland
Am Mittwoch debattieren die Abgeordneten über die Beziehungen der russischen Regierung zu extremen, populistischen europäischen Parteien im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.
Nationale Vetos gegen globales Steuerabkommen
Am Mittwoch stimmt das Parlament über eine Entschließung zum Veto Ungarns gegen das EU-Gesetz zur Umsetzung des weltweiten Abkommens über einen globalen Mindestkörperschaftssteuersatz ab.
Erleichterung der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus der Ukraine
Die Abgeordneten werden mit Rat und Kommission erörtern, wie der Ukraine die Ausfuhr von Agrarerzeugnissen erleichtert werden kann, um eine weltweite Nahrungsmittelkrise zu verhindern.
Brexit: Debatte über Entwicklungen in Nordirland
Debatte am Mittwoch über den Gesetzentwurf Londons zum Nordirland-Protokoll, dessen Umsetzung einen Bruch des Brexit-Abkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich bedeuten würde.
Besteuerung von unerwarteten Gewinnen der Energieunternehmen
Die Abgeordneten werden am Mittwoch mit Kommission und Rat über die mögliche Besteuerung von Zufallsgewinnen der Energieunternehmen diskutieren.
Weitere Themen:
• Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, das Recht auf Abtreibung in den Vereinigten Staaten zu kippen und die Notwendigkeit des Schutzes des Rechts auf Abtreibung und der Gesundheit von Frauen in der EU – Debatte Montag, Abstimmung Donnerstag
• Berichte 2021 über Bosnien und Herzegowina, Serbien und den Kosovo – Berichte von: Paulo Rangel, Vladimír Bilčík, Viola Von Cramon-Taubadel – Debatte Dienstag, Abstimmung Mittwoch
• Nachhaltiger Flugkraftstoff (Initiative „ReFuelEU Aviation“) – Bericht: Søren Gade, Debatte und Abstimmung Donnerstag
• Ehrgeizigere Ziele der EU im Bereich der biologischen Vielfalt im Vorfeld der COP 15 – Fragestunde mit Anfragen an die Kommission, Debatte Dienstag
• Frauenarmut in Europa – Bericht: Lina Gálvez Muñoz, Debatte Montag, Abstimmung Dienstag
• Gemeinsame europäische Maßnahmen im Bereich Pflege und Betreuung – Bericht: Milan Brglez, Sirpa Pietikäinen, Debatte und Abstimmung Dienstag
• Geistige Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt – Bericht: Maria Walsh, Debatte und Abstimmung Dienstag
• Gewalt und unmenschliche Behandlung von Asylwerber*innen an der Grenze zwischen Spanien und Marokko, Debatte Montag
• Strategie für den indopazifischen Raum in den Bereichen Handel und Investitionen; Die zukünftige Zusammenarbeit zwischen der EU und Indien in den Bereichen Handel und Investitionen – Berichte: Jan Zahradil, Geert Bourgeois, Debatten (kurze Darstellungen) Montag, Abstimmungen Dienstag
• Schutz der finanziellen Interessen der EU – Betrugsbekämpfung – Jahresbericht 2020 – Bericht: Katalin Cseh, Debatte Mittwoch, Abstimmung Donnerstag
• Finanztätigkeit der Europäischen Investitionsbank – Jahresbericht 2021; Kontrolle der Finanztätigkeit der Europäischen Investitionsbank – Jahresbericht 2020 – Berichte: David Cormand, Corina Crețu, Debatte Mittwoch, Abstimmungen Donnerstag
• Vorübergehende Liberalisierung des Handels zwischen der EU und Moldau – Bericht: Markéta Gregorová, Abstimmung Dienstag
• Der EU-Aktionsplan für die Sozialwirtschaft – Bericht: Jordi Cañas, Debatte Dienstag, Abstimmung Mittwoch
• Jüngste Hitzewelle und Trockenheit in der EU – Debatte Donnerstag, Abstimmung nächste Plenarsitzung
• Entwicklung einer Strategie der EU für den Radverkehr – Mündliche Anfrage an die Kommission, Debatte Donnerstag
Quellen:
Europäisches Parlament;
Steigende Energiepreise, zunehmende Energiearmut – Sind wir auf den nächsten Winter vorbereitet?
Die Energiepreise in der EU steigen seit Herbst 2021 stark an und werden für immer mehr Menschen zur Bedrohung. Aus diesem Grund luden AK EUROPA und das ÖGB Europabüro am 27. Juni 2022 zu einer gemeinsamen Veranstaltung, um über die Dimensionen von Energiearmut sowie Möglichkeiten zu deren Bekämpfung zu diskutieren.
Die aktuellen Preissteigerungen stellen nicht nur bereits bisher von Energiearmut betroffene Haushalte vor große Probleme, sondern zunehmend auch die Mittelschicht und Pensionist*innen. Im Rahmen der Veranstaltung betonte Sandra Matzinger, Energieexpertin der AK Wien, dass es auch eine sogenannte „unsichtbare“ Energiearmut gibt, von der Menschen betroffen sind, die es aufgrund ihrer prekären finanziellen Situation gewohnt sind, wenig bis gar keine Energie zu verbrauchen. Die unkontrollierten Preissteigerungen sowie die derzeit nicht funktionierenden Energiemärkte erfordern daher aus Sicht der AK starke politische Antworten auf europäischer und nationaler Ebene. Dazu gehören neben der zielgerichteten finanziellen Unterstützung von betroffenen Haushalten und der allgemein dringend benötigten Erhöhung von Sozialleistungen auch eine Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis, ein neues Marktdesign, eine steuerliche Abschöpfung überschüssiger Gewinne von Energieunternehmen sowie Maßnahmen gegen Finanzspekulationen. Ferner sollte eine EU-weite Gaspreisobergrenze nach dem Vorbild Spaniens und Portugals angedacht werden.
Hierzu ergänzte Monika de Volder, dass aus Sicht der Europäischen Verbraucher*innenorganisation (BEUC) schnellere Reaktionen der EU-Mitgliedstaaten und eine zielgerichtete Ausrichtung der getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Energiearmut erforderlich sind. Die BEUC hat daher einen 10-Punkte-Aktionsplan entwickelt, der Empfehlungen zur Bewältigung der Energiekrise enthält. Dazu zählt beispielswiese, alle Steuern und Abgaben, die nicht direkt mit der Energieerzeugung zusammenhängen, von Energierechnungen zu streichen. Darüber hinaus sollten die Behörden Sammelbeschaffungskampagnen organisieren, beispielsweise um gute Angebote von Energieversorgern zu erhalten. Zu den empfohlenen langfristigen Maßnahmen gehört auch der Bürokratieabbau beim Ausbau erneuerbarer Energien.
Alexander Friedrich wies als Vertreter der Österreichischen Volkshilfe sowie der Deutschen Arbeiterwohlfahrt darauf hin, dass Energiearmut die Menschen nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer beim Kühlen der Wohnungen beschäftigt. Die Frage, wie jede*r seine*ihre Energierechnung bezahlen kann, betrifft längst nicht mehr nur Geringverdiener*innen, sondern zunehmend auch die Mittelschicht. Bezüglich der Isolierung und Renovierung von Gebäuden kommt hinzu, dass überwiegend arme Menschen in schlecht ausgestatteten und dringend sanierungsbedürftigen Wohnungen leben. Die Renovierung von Gebäuden schafft jedoch weitere Probleme, da sie einerseits die Energierechnung senkt, andererseits aber auch zu einer höheren Miete führt und damit Verdrängungseffekte in Gang setzen kann. Dadurch könnte es dazu kommen, dass einkommensschwache Haushalte am Ende des Tages finanziell schlechter dastehen. Dieses spezielle Thema verdient daher mehr Aufmerksamkeit seitens der EU und der Mitgliedstaaten.
Für die EU-Kommission verwies Adela Tesarova darauf, dass die Kommission kurz- und langfristige Maßnahmen im Rahmen von drei Toolboxen vorgeschlagen hatte, um das Problem der Energiearmut anzugehen. Kurzfristig können die EU-Mitgliedstaaten unter anderem schutzbedürftigen Personen Einkommensbeihilfen anbieten, Preise regulieren oder die Abschaltung von der Energieversorgung untersagen. Mittel- bis langfristig sind jedoch strukturelle Maßnahmen entscheidend. Dazu gehören das Isolieren und Sanieren von Häusern, der schnellere Ausbau erneuerbarer Energien oder die Stärkung der Verbraucher*innen, um nicht von den großen Anbietern abhängig zu sein. Positiv hervorzuheben ist die Bestätigung, dass auch die EU-Kommission die Notwendigkeit einer Reform des europäischen Energiemarktdesigns erkannt hat und bereits dazu arbeitet.
Weiterführende Informationen:
Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), Deutsche Arbeiterwohlfahrt (AWO), Europäische Verbraucher*innenorganisation (BEUC), Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA), Österreichische Volkshilfe;
EU-Parlament für stärkere Klimaambitionen im zweiten Anlauf
Zwei Wochen nach der turbulenten Abstimmung und außergewöhnlichen Ablehnung des Berichtsentwurfs zum EU-Emissionshandelssystem (ETS) stimmte das EU-Parlament im zweiten Anlauf am 22. Juni 2022 nun für einen von den großen Fraktionen ausgehandelten Kompromiss. Dieser stellt im Gegensatz zum abgelehnten Entwurf eine wesentliche Verbesserung im Sinne des Green Deals dar.
Am 14. Juli 2021 präsentierte die EU-Kommission eine Reihe von Legislativvorschlägen, mit welchen die EU bis 2050 klimaneutral werden will. Dies beinhaltet auch das dafür notwendigen Zwischenziel der Treibhausgas-Reduktion um mindestens 55 % bis 2030. Zu den vorgestellten Vorschlägen gehörten unter anderem die Steigerung der Ambitionen des EU-Emissionshandelssystems (ETS) sowie die Einführung eines Klima-Sozialfonds und des CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM).
Die drei Schlüsselelemente der EU-Klimagesetzgebung scheiterten am 8. Juni 2022 im EU-Parlament in einer dramatischen Abstimmung. Der ETS-Bericht wurde abgelehnt, nachdem die Abgeordneten eine Reihe von Änderungsanträgen verabschiedet hatten, welche die Klimaambitionen der EU abgeschwächt hätten. Nachdem sich in den Tagen danach die Verhandlungsführer*innen der drei größten Fraktionen des EU-Parlaments auf einen Kompromiss geeinigt und zentrale Streitpunkte bei der Überarbeitung des Emissionshandelssystems und der geplanten CO2-Grenzsteuer ausgeräumt hatten, wurden die beiden Dossiers sowie der Bericht zum Klima-Sozialfonds am 22. Juni 2022 im Plenum des EU-Parlaments schlussendlich mit einer breiten Mehrheit angenommen. Einer der größten Knackpunkte, der die Abstimmung im EU-Parlament Anfang Juni zum Scheitern brachte, war das Datum, ab dem bestimmte Industrien keine kostenlosen Verschmutzungszertifikate mehr im Rahmen des ETS erhalten sollen. Gemäß der nun erzielten Einigung wird die kostenlose Vergabe von Zertifikaten für CO2-Emissionen ab 2027 nach und nach auslaufen und ab 2032 ganz verschwinden – also drei Jahre früher, als von der EU-Kommission vorgeschlagen.
Emissionshandelssystem soll auf Gebäude und Verkehr ausgeweitet werden
Mit 1. Januar 2025 soll ein separates neues Emissionshandelssystem (ETS-2) für die Kraftstoffverteilung im gewerblichen Straßenverkehr und in Gebäuden eingerichtet werden. Um zu verhindern, dass die Bürger*innen zusätzliche Energiekosten tragen müssen, fordert das EU-Parlament, dass private Gebäude und private Verkehrsmittel jedenfalls nicht vor 2029 in das ETS-2 einbezogen werden sollen. Ferner sollen Einnahmen aus der Versteigerung von 150 Millionen Zertifikaten im Rahmen des ETS-2 dem Klima-Sozialfonds zur Verfügung gestellt werden, um so einkommensschwache Familien zu unterstützen. Die Gewerkschaften und AK kommentieren die Einführung des ETS-2 sehr kritisch, da unkontrollierbare Preisausschläge für Heizen und Warmwasser die Folge sein können. Diese Grundbedürfnisse sollen nicht den reinen Marktmechanismen überlassen werden. „Jetzt müssen treffsichere Maßnahmen gesetzt werden, um die finanziellen Auswirkungen für vulnerable Haushalte auszugleichen und Energie- sowie Mobilitätsarmut effektiv zu bekämpfen. Insgesamt muss begleitend geprüft werden, wie die aktuelle Energiekrise und die verbundenen Preisanstiege bewältigt werden können, damit es zu keiner sozialen Krise kommt“, stellt Thomas Kattnig, Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA), fest.
Im Vergleich zum Kommissionsvorschlag möchten die Abgeordneten des EU-Parlaments auch bei ETS-2 deutlich mehr Ambition bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen und schlagen vor, die Emissionszertifikate bis 2032 jährlich stärker zu reduzieren. Ferner soll gemäß Parlament ab 2025 ein Bonus-Malus-System eingeführt werden, um den effizientesten Anlagen eines Sektors zusätzliche Zertifikate zur Verfügung zu stellen.
Der Klima-Sozialfonds
Ebenso beschloss das EU-Parlament den Rechtsakt zur Einrichtung eines sozialen Klimafonds. Die Abgeordneten fordern, dass die sozialen Klimapläne der EU-Mitgliedstaaten erst nach Rücksprache mit lokalen und regionalen Behörden, Wirtschafts- und Sozialpartnern sowie der Zivilgesellschaft vorgelegt werden können. Diese sollen kohärente Maßnahmen zur Bekämpfung von Energie- und Mobilitätsarmut enthalten. Einerseits könnten so vorübergehende direkte Einkommensstützungsmaßnahmen finanziert werden (z.B. eine Senkung der Energiesteuern und -gebühren), um dem Anstieg der Preise für Heizen und im Straßenverkehr entgegenzuwirken. Andererseits soll der Fonds Investitionen in die Renovierung von Gebäuden, erneuerbare Energien und eine Verlagerung vom privaten zum öffentlichen Verkehr, Fahrgemeinschaften und Carsharing sowie die Nutzung aktiver Fortbewegungsmittel wie Radfahren abdecken. Die Gewerkschaften und die Arbeiterkammer unterstützen die Einrichtung eines Klima-Sozialfonds, sehen jedoch die Finanzierung über die Schaffung des ETS-2 sehr kritisch. „Wir begrüßen die Einrichtung des Klima-Sozialfonds ausdrücklich. Leider wurde unsere Forderung nicht aufgegriffen, den Klima-Sozialfonds bis 2050 fortzuführen. Denn der Transformationsprozess wird wohl noch länger andauern. Bezüglich der Dotierung des Fonds hätte ich mir eine höhere finanzielle Ausstattung gewünscht, denn mit den geplanten Mitteln werden die großen Herausforderungen nicht lösbar sein. Es braucht mehr Finanzmittel, um die betroffenen Haushalte zu unterstützen und soziale Fehlentwicklungen zu verhindern“, stellt Kattnig fest.
CBAM – Das CO2-Grenzausgleichssystem der EU
Die Bemühungen der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden, könnten durch weniger klimaambitionierte Länder untergraben werden. Daher schlug die EU-Kommission im Juli 2021 auch ein CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) vor, um Treibhausgasemissionen durch Einfuhren von CO2-intensiven Erzeugnissen aus Drittländern zu verringern, in denen die Klimaschutzmaßnahmen weniger ambitioniert sind als in der EU. Das EU-Parlament beschloss nun, CBAM auf weitere Produkte wie Aluminium, Wasserstoff und Chemikalien auszuweiten. Ferner forderten die Abgeordneten eine schnellere Umsetzung ab dem 1. Jänner 2023 mit einer zweijährigen Übergangsfrist sowie eine Ausweitung auf alle Produktbereiche des EU-Emissionshandelssystems bis 2030. Dementsprechend sollen aus Sicht des EU-Parlaments nach 2026 keine kostenlosen Zertifikate im ETS mehr zur Verfügung gestellt werden. Für die Gewerkschaften und die AK geht der Kommissionvorschlag zu CBAM in die richtige Richtung. Wichtig ist jedoch, dass dieses neue Instrument auch regelmäßig hinsichtlich seiner Wirksamkeit überprüft wird.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Gerechter Weg zur Klimaneutralität!
AK EUROPA: Der gerechte Übergang zur Klimaneutralität – vor welchen Herausforderungen stehen wir?
AK EUROPA Positionspapier: Energie- und Klimahilfsfonds
Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), Europäische Kommission, Europäisches Parlament, politico.eu;
TRIPS-Waiver: Ergebnis der WTO-Konferenz enttäuschend
Bei der am 17. Juni 2022 zu Ende gegangenen Minister*innenkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) haben die Mitgliedstaaten eine Vereinbarung über die Freigabe von Patenten für COVID-19-Impfstoffe getroffen. Obwohl diese als Durchbruch gefeiert wurde, stellt sich die Frage, was tatsächlich beschlossen wurde und wie das Ergebnis im Hinblick auf die Notwendigkeit einer globalen und effektiven Pandemiebekämpfung zu bewerten ist.
Nach schwierigen und langwierigen Verhandlungen konnten sich die Delegationen innerhalb der WTO schlussendlich auf das „Genfer Paket“ einigen, welches einen Verzicht auf bestimmte Anforderungen in Bezug auf verpflichtende Lizenzen für COVID-19-Impfstoffe enthält.
Im Oktober 2020 hatten Indien und Südafrika vorgeschlagen, die handelsbezogenen geistigen Eigentumsrechte für COVID-19-relevante Medizinprodukte wie Medikamente, Diagnostika und Impfstoffe zur raschen Bekämpfung der Pandemie auszusetzen. Während die westliche Welt sowohl über die Ressourcen, Technologien als auch das Know-How für deren Herstellung verfügt, fehlt es Ländern des globalen Südens an diesen essenziellen Mitteln. Aufgrund der weltweit geteilten Gefahr von Coronavirus-Mutationen und angesichts der schweren gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Krisen infolge der Pandemie braucht es nach wie vor solidarische und globale Lösungen.
Bekräftigung des Bestehenden
Doch viele Industrieländer – darunter die Europäische Union – weigerten sich, die im TRIPS-Abkommen festgelegten Regeln aufzuheben, um die Herstellung von COVID-19-Medizinprodukten anzukurbeln und damit insbesondere Entwicklungsländer zu unterstützen. Monatelang war nun auf internationaler Ebene um einen Kompromiss gerungen worden. Das Ergebnis, das nun auf der WTO-Konferenz erzielt wurde, ist allerdings sehr enttäuschend: Vom geforderten weitreichenden Verzicht auf geistige Eigentumsrechte im Zusammenhang mit COVID-19-Medizinprodukten sind zum einen nur Patente auf Impfstoffe übriggeblieben. Zum andern bekräftigt die getroffene Vereinbarung weitgehend jene Möglichkeiten, auf die sich Staaten bereits jetzt berufen können. So kann ein WTO-Mitgliedsland den Patentschutz auf Impfstoffe außer Kraft setzen, wenn ein nationaler Notstand oder sonstige schwerwiegende Umstände gegeben sind. Aufgrund der hohen bürokratischen Hürden wurde das dafür seit ca. 20 Jahren vorgesehene Verfahren bisher nur ein einziges Mal erfolgreich genutzt. Dabei ging es um den Export eines HIV-Medikaments von Kanada nach Ruanda.
Darüber hinaus sollen sich jene Entwicklungsländer, die bereits jetzt über Kapazitäten zur Herstellung von COVID-19-Impfstoffen verfügen, verbindlich verpflichten, diese Regelung nicht zu nutzen. Damit ist vor allem China gemeint, das COVID-19-Impfstoffe produziert und über die dafür notwendigen Technologien verfügt. Insiderberichten zufolge hatten die USA und China bis zuletzt über eine für beide Seiten akzeptable Formulierung verhandelt. Entwicklungsländer können nun fünf Jahre lang diese Vereinbarung in Anspruch zu nehmen.
Verlorene Zeit für weltweite Pandemiebekämpfung
Um allerdings die Hoffnung auf eine der Situation angemessenen, umfassenden Verzichtserklärung für dringend benötigte COVID-19-Medizinprodukte doch nicht ganz zu begraben, wurde festgehalten, dass die WTO-Mitgliedstaaten in spätestens sechs Monaten über eine Ausweitung des Beschlusses entscheiden. Für die weltweite Pandemiebekämpfung, die bereits unzählige Leben gekostet hat, wird damit weitere wertvolle Zeit vertan. Obendrein ist die Aussicht auf Erfolg vor dem Hintergrund der Interessengegensätze zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ohnedies gering.
Die aktuelle WTO-Vereinbarung zum TRIPS-Abkommen ist meilenweit von dem entfernt, was die Befürworter*innen des TRIPS-Waivers beabsichtigt hatten. Den Beschluss lediglich auf Impfstoffe und bereits bestehende Ausnahmeregelungen zu beschränken, lässt sich aus Perspektive der Pandemiebekämpfung nicht rechtfertigen. Dass überhaupt ein Text verabschiedet wurde, kann viel eher als Symbol gewertet werden, die WTO nicht noch weiter in die vollkommene Bedeutungslosigkeit abdriften zu lassen. Der Druck – insbesondere von WTO-Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala – sich zu einigen, war sehr hoch, ging es doch um nicht weniger als die WTO nach jahrelangem Stillstand als funktionierendes, multinationales Organ zu präsentieren. Scheinlösungen ohne Gehalt werden allerdings weder der WTO Bedeutung einhauchen, noch werden sie die eklatante Ungleichheit beim Zugang zu lebensrettenden COVID-19-Medizinprodukten beseitigen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: EU-Parlament fordert Patentfreigabe für Pandemiebekämpfung
AK Wien: Produktion für COVID-19-Impfstoffe im globalen Süden ausweiten
ÖGB und AK: Brief an Bundesminister Kocher zur WTO-Minister*innenkonferenz
A&W Blog: Globale Impfungleichheit – Wer hat, dem wird gegeben
Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), AK Wien, Ärzte ohne Grenzen Österreich, Arbeit & Wirtschaft Blog, euractiv.de, Geneva Health Files, Knowledge Ecology International, Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB), Welthandelsorganisation;