Infomail International 09.02.2022
Leistbare und saubere Energie für alle in Europa!
Neuer Bericht fordert die Gewährleistung des Rechts auf leistbare, saubere Energie für alle Europäer*innen.
Der Europäische Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD) und das Europäische Armutsnetzwerk EAPN kamen am 24. Jänner 2022 mit Hunderten Organisationen, Basisaktivist*innen und politischen Entscheidungsträger*innen auf dem sogenannten „Right to Energy Forum“ zusammen, der größten jährlichen Veranstaltung zum Thema Energiearmut in Europa. Während der Eröffnungssitzung dieses Forums stellten EGÖD und EAPN ihren neuen gemeinsamen Bericht über das Recht auf leistbare, saubere Energie für alle Europäer*innen vor.
Dieser Bericht legt dar, warum Energiearmut nicht dadurch gelöst werden kann, dass man „den Markt regeln lässt“. Über 50 Millionen Europäer*innen sind bereits von Energiearmut betroffen – eine Zahl, die beängstigend schnell wächst. Um das Recht auf leistbare, saubere Energie sicherzustellen, müssen strukturelle Ungleichheiten beseitigt werden. Diese Ungleichheiten betreffen die Wirtschafts-, Sozial-, Beschäftigungs-, Energie-, Klima-, Steuer-, Sozial-, Wohn-, Geschlechter- und Gesundheitspolitik.
Der gleichberechtigte Zugang zu sauberer und leistbarer Energie muss im Rahmen des Übergangs der EU zur Klimaneutralität und der Europäischen Säule sozialer Rechte sichergestellt werden. Notfallmaßnahmen sollten von nachhaltigen, langfristigen strukturellen Lösungen begleitet werden, wie z. B. einem sozial gerechten, grünen Übergang auf dem Arbeitsmarkt, angemessenen Einkommen und sozialem Schutz, fairen Preisen, vollständig subventionierten Renovierungs- und Energieeffizienzprogrammen und umfangreichen Investitionen in Programme für erneuerbare Energien für diejenigen, die sie am meisten benötigen.
Der Bericht bietet konkrete Maßnahmen, um die Kontrolle über unsere Energie zu übernehmen, Hintergrundinformationen zu den Krisen der Energiearmut und der Preisgestaltung sowie Anregungen, was auf EU- und nationaler Ebene getan werden kann, mit Empfehlungen für geplante und darüber hinausgehende Energiemaßnahmen.
Der Bericht wurde von Juan Carlos Benito Sanchez mit Unterstützung von Sabrina Iannazzone und Valeria Zanini (EAPN) sowie Jakob Embacher (EGÖD) verfasst. EAPN und EGÖD sind Mitglieder der „Right to Energy“-Koalition.
Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft, arbeitet derzeit als Mitglied der Gruppe der Arbeitnehmer*innen im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) am Themenkomplex Energie und beschäftigt sich dabei u.a. mit dem geplanten Klima-Sozialfonds, der Jahresbewertung der Energieunion und dem Thema Energiepreise. Wir werden diesen Themenbereich im Rahmen dieses Infomailings weiterverfolgen.
Quellen:
Europäischer Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD), righttoenergy.org;
Geschenkt: „Historische“ Arbeitsrechtsreform in Spanien gebilligt
Nach monatelangen Verhandlungen wurde der von der Mitte-links-Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez eingebrachte Reformentwurf am 2. Februar 2022 vom Parlament in Madrid mit einer denkbar knappen Mehrheit von nur einer Stimme angenommen – dank eines „Geschenks“ der Opposition.
Anders als die österreichische Bundesregierung nutzt Spanien die Förderungen aus der Wiederaufbau- und Resilienzfazilität (RRF) der Europäischen Union für Arbeitsrechtsreformen und damit für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Mit dem Paket sollen vor allem die Liberalisierungsmaßnahmen aus dem Jahr 2012 unter der damaligen von der spanischen Volkspartei (Partido Popular, PP) geführten Regierung weitgehend wieder aufgehoben werden. Damals wurden u.a. Kollektivverträge empfindlich eingeschränkt.
Unai Sordo, Generalsekretär des spanischen Gewerkschaftsbundes CCOO sagte, bei der Reform handle es sich um die erste Vereinbarung seit mehr als 20 Jahren, die einen deutlichen Aufschwung und eine klare Verbesserung der Arbeitnehmer*innenrechte bringe. Die Vereinbarung sei „sehr ehrgeizig“, da sie sich mit einer Reihe von Themen befasst, die in den letzten Arbeitsreformen „dereguliert und in erheblichem Maße prekarisiert worden waren“. Auch die Arbeitsministerin Yolanda Díaz sprach bei der Debatte vor der Abstimmung im Parlament von einer „historischen Reform“, die der „Kultur der prekären Arbeit eine klare Absage erteilt“.
Die Opposition sollte eigentlich gegen diese weitreichende Reform stimmen, doch ein konservativer Abgeordneter stimmte irrtümlich dafür und sorgte so für die Annahme des Pakets – es handelte sich um die 175. Ja-Stimme bei 174 Nein-Stimmen. Nach Angaben der oppositionellen, konservativen Partido Popular war es einer ihrer Abgeordneten, der die entscheidende Ja-Stimme abgab.
Konkret sieht die Reform folgendes vor:
Kollektivverträge
Kollektivverträge spielen in Spanien eine wichtige Rolle, 80 % der Beschäftigten sind aktuell erfasst. Durch die geplanten Reformen würde sich die Abdeckung weiter verbessern.
- Alte Kollektivverträge wirken nach, wenn nach ihrer vereinbarten Geltungsdauer kein neues Abkommen geschlossen wird. Die Nachwirkungsregelung galt bis 2012. Für den spanischen Gewerkschaftsbund CCOO ist diese Wiederherstellung der wichtigste Punkt der Reform.
- Branchenspezifische Vereinbarungen gehen Betriebsvereinbarungen vor. Auf Betriebsebene können künftig nur noch Änderungen vereinbart werden, die für die Arbeitnehmer*innen günstiger sind.
- Mit der Reform unterliegen auch Leiharbeitnehmer*innen Branchen-Kollektivverträgen.
Befristete Arbeitsverträge
Befristete Arbeitsverträge sind in Spanien für jüngere Arbeitnehmer*innen schon fast zum Normalfall geworden. Das Land hat EU-weit den höchsten Anteil an befristeten Arbeitsverhältnissen – das soll sich nun wieder ändern.
- Für alle Arbeitsverträge gilt die grundsätzliche Vermutung, dass sie unbefristet sind.
- Der weit verbreitete befristete Werkvertrag, laut CCOO eine Quelle von Betrug und permanenter Unsicherheit für Arbeitnehmer*innen, wird abgeschafft.
- Die maximal mögliche Dauer für befristete Arbeitsverhältnisse wird von vier Jahren auf ein Jahr reduziert.
- Verträge, die nicht in Übereinstimmung mit dem Gesetz sind und alle, die nicht den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechen, gelten als unbefristet.
Darüber hinaus verbietet das Gesetzespaket die Entlassung von Beschäftigten im öffentlichen Sektor, die bisher aus wirtschaftlichen, technischen, organisatorischen oder produktionsbedingten Gründen möglich war.
Zahlreiche Verbesserungen gibt es auch für Arbeitsverträge mit Ausbildungsaspekten.
Quellen:
Confederación Sindical de CCOO, ÖGB-Europabüro, orf.at;
Durchgefallen: Uber & Deliveroo scheitern beim EU-Test zur Selbstständigkeit
Eine Analyse des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) hat ergeben, dass die größten europäischen Plattformunternehmen die meisten der fünf von der EU festgelegten Tests zur Feststellung, ob ihre Mitarbeiter*innen tatsächlich selbständig tätig sind, nicht bestehen.
Die von der Europäischen Kommission im Dezember 2021 vorgeschlagene Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit enthält eine Liste von Kriterien, anhand derer festgestellt werden soll, ob zwischen Arbeitnehmer*innen und einem Unternehmen ein Arbeitsverhältnis besteht oder nicht. Erfüllt ein Unternehmen mindestens zwei der fünf Kriterien, wird es rechtlich als Arbeitgeber betrachtet.
Diese aufwendigen Kriterien könnten den Sinn der von der Kommission versprochenen „Vermutung“ des Beschäftigungsstatus zunichtemachen und neue Schlupflöcher eröffnen, die Plattformunternehmen nutzen könnten, um sich weiterhin ihren Verpflichtungen zu entziehen.
Das heißt allerdings nicht, dass die Plattformen einen Freifahrtschein erwarten können. Die EGB-Analyse hat ergeben, dass Uber und Deliveroo zu jenen bekannten Unternehmen gehören, die mehr als zwei der Kriterien erfüllen und daher als Arbeitgeber eingestuft werden müssten.
Die fünf Kriterien
- tatsächliche Bestimmung oder Festlegung von Obergrenzen für die Höhe des Entgelts;
- von der die Plattformarbeit ausführenden Person die Einhaltung bestimmter verbindlicher Regeln in Bezug auf das Erscheinungsbild, das Verhalten gegenüber dem*der Dienstleistungsempfänger*in oder die Ausführung der Arbeit zu verlangen;
- die Überwachung der Arbeitsleistung oder die Überprüfung der Qualität der Arbeitsergebnisse, auch auf elektronischem Wege;
- die tatsächliche Beschränkung der Freiheit, die eigene Arbeit zu organisieren, auch durch Sanktionen, insbesondere die freie Wahl der Arbeitszeit oder der Abwesenheitszeiten, die Annahme oder Ablehnung von Aufgaben oder die Inanspruchnahme von Subunternehmer*innen oder Vertreter*innen;
- die tatsächliche Beschränkung der Möglichkeit, einen Kundenstamm aufzubauen oder Arbeiten für Dritte auszuführen.
Von den zwei erforderlichen Kriterien erfüllt Über laut EGB-Analyse die Kriterien 1 – 4, also vier von fünf der genannten Kriterien, Deliveroo gar alle fünf – beide Unternehmen wären somit klar als Arbeitgeber einzustufen.
Der EGB-Bundessekretär Ludovic Voet kommentierte dies wie folgt:
„Plattformunternehmen werden hart arbeiten und viel Geld ausgeben, um die von der EU auferlegten Tests zu umgehen und ihr auf Ausbeutung basierendes Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten. Aber wenn etwas aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann ist es wahrscheinlich auch eine Ente. Das Gleiche gilt für Arbeitgeber*innen.
Es könnte nicht deutlicher sein, dass die größten europäischen Plattformunternehmen als Arbeitgeber*innen betrachtet werden sollten. Wenn die vorgeschlagene Richtlinie letztendlich nicht für große Plattformen gilt, die eindeutig als Arbeitgeber*innen agieren, was wäre dann der Zweck dieser Richtlinie?
Die Reaktion jener Plattformen, die zuversichtlich sind, dass die Richtlinie bestätigen wird, dass sie mit Selbstständigen arbeiten können, ohne irgendetwas an ihrer derzeitigen Arbeitsweise zu ändern, sollte die Europaabgeordneten und Minister*innen auf die Notwendigkeit aufmerksam machen, die vorgeschlagene Richtlinie zu verschärfen, damit keine Plattform durch die Maschen fällt.
Die Abgeordneten und Minister*innen sollten die Schlupflöcher im Gesetzesentwurf schließen, um sicherzustellen, dass Plattformen nicht weiterhin Arbeitnehmer*innen sowie Unternehmen, die sich an die Regeln halten, betrügen können. Das Beste, was Plattformen tun könnten, ist, sich endlich mit den Gewerkschaften an einen Tisch zu setzen und angemessene Löhne und Bedingungen für ihre Beschäftigten auszuhandeln.“
Quellen:
Europäische Kommission, Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB);
Weltwassertag: Das Unsichtbare sichtbar machen
Der Weltwassertag findet jedes Jahr am 22. März statt. Er wird seit 1993 jährlich von den Vereinten Nationen (UN-Water) begangen, um das Bewusstsein für jene 2 Milliarden Menschen zu schärfen, die derzeit ohne Zugang zu sauberem Wasser leben. Ein Hauptanliegen des Weltwassertags ist es, im Hinblick auf das UN-Nachhaltigkeitsziel (Sustainable Development Goal, SDG) Nr. 6 – Sauberes Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen für alle bis 2030 – zum Handeln anzuregen.
Der Weltwassertag 2022 steht unter dem Motto: „Grundwasser: Das Unsichtbare sichtbar machen“.
Fast das gesamte flüssige Süßwasser der Welt ist Grundwasser. Es dient der Trinkwasserversorgung, der Abwasserentsorgung, der Landwirtschaft, der Industrie und den Ökosystemen. An vielen Orten wird Grundwasser durch menschliche Aktivitäten übermäßig genutzt und verschmutzt, wobei gerade die Verschmutzung des Grundwassers ein besonderes Problem ist, dessen Behebung Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte dauern kann. An anderen Orten hingegen wissen wir gar nicht, wie viel Wasser sich tatsächlich unter der Oberfläche befindet.
Die Erforschung, der Schutz und die nachhaltige Nutzung des Grundwassers sind von zentraler Bedeutung für das Überleben, für die Anpassung an den Klimawandel sowie für die Deckung des Bedarfs einer wachsenden Weltbevölkerung.
Weitere Informationen zum Weltwassertag 2022 folgen im Rahmen dieses Infomailings.
Quellen:
unric.org, unwater.org, worldwaterday.org;
younion _ Die Daseinsgewerkschaft
Internationales, EU und Daseinsvorsorge
Thomas Kattnig
Mitglied Bundespräsidium