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Gesetz über digitale Dienste: Vorteile für Konsument*innen, aber insgesamt hinter den Erwartungen

Am 23. April 2022 erzielten EU-Parlament und Rat eine vorläufige politische Einigung über das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act – DSA). Gemeinsam mit dem Digital Markets Act soll der DSA die Standards für einen sichereren und offeneren digitalen Raum für Nutzer*innen sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen setzen.

Mit dem DSA folgt Europa dem Grundsatz, dass alles, was offline verboten ist, auch online illegal sein soll. Übergreifendes Ziel ist es, die Verbreitung illegaler Inhalte im digitalen Raum zu verhindern und die Grundrechte der Nutzer*innen zu schützen. Gelten soll die Verordnung für alle Online-Vermittler*innen, die Dienstleistungen in der EU erbringen.

Der DSA führt strengere Regeln für große Online-Plattformen mit mehr als 45 Millionen Nutzer*innen in der EU ein. Kleinere Unternehmen unterhalb dieser Schwelle sollen von bestimmten Verpflichtungen befreit sein. Große Online-Plattformen werden verpflichtet, regelmäßige Bewertungen systemischer Risiken wie Desinformation oder betrügerische Inhalte durchzuführen und geeignete Maßnahmen zu deren Eindämmung zu ergreifen, die von unabhängigen Prüfer*innen kontrolliert werden sollen. Bei Verstoß gegen die Prüfungen drohen Geldbußen von bis zu 6 Prozent des weltweiten Umsatzes.

Der DSA legt strenge Anforderungen für die Entfernung illegaler Inhalte fest und sieht dafür sogenannte „Trusted Flaggers“ vor. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Expert*innen, die von nationalen Behörden ernannt werden und auf die die Plattformen unverzüglich reagieren müssen. Die Vorschriften sehen zudem eine Reihe von Transparenzverpflichtungen für beworbene Inhalte vor, die klar als solche gekennzeichnet sein müssen. Gezielte Werbung auf Grundlage personenbezogener Daten von Minderjährigen wird ebenso verboten wie „Profiling“ auf Grundlage sensibler Daten wie z.B. politischer Ansichten oder religiöser Überzeugungen. Die AK lehnt gezielte Werbung grundsätzlich ab und sieht diesbezüglich den DSA als große verpasste Chance. In Zukunft sollen Plattformen nämlich lediglich kenntlich machen müssen, wie sie über ihre Empfehlungssysteme Inhalte für Nutzer*innen personalisieren. Ferner sollen sehr große Online-Plattformen ein alternatives Empfehlungssystem anbieten müssen, welches nicht auf Profiling beruht.

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der besonderen Auswirkungen auf die Manipulation von Online-Informationen wurde ein neuer Artikel in den Text aufgenommen, mit dem ein Krisenreaktionsmechanismus eingeführt wird. Dieser würde es der EU-Kommission ermöglichen, sehr große Online-Plattformen zu beauftragen, in einer Krise bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa die Entfernung von Desinformation.

Gemäß der vorläufigen Einigung sollen strengere Informations- und Überwachungsanforderungen für Online-Marktplätze durchgesetzt werden. Händler*innen sollen nur dann Zugang zu ihren Diensten erhalten, wenn sie grundlegende Informationen zur Verfügung stellen. Plattformen sollen dazu angeregt werden, diese zu verifizieren. Ferner sieht der DSA ein Verbot von „Dark Patterns“ vor, um sicherzustellen, dass Nutzer*innen eine freie und informierte Entscheidung treffen können und nicht zu einem Kaufverhalten beeinflusst werden.

Die EU-Kommission wird die alleinige Aufsichtsbefugnis über sehr große Plattformen und Suchmaschinen wie Google, Facebook oder Amazon haben, während die nationalen Behörden kleinere Plattformen beaufsichtigen werden. Kleinst- und Kleinunternehmen sind für die Dauer von einem Jahr von einer Reihe von Verpflichtungen befreit, wie der Rückverfolgbarkeit von Händler*innen, der Meldung von Straftaten, Transparenzanforderungen, etc. Nach drei Jahren will die EU-Kommission die Auswirkungen der Verordnung auf die kleinen und mittleren Unternehmen bewerten und sie bei ihren Bemühungen zur Einhaltung der Vorschriften finanziell unterstützen.

Erste Einschätzungen aus Verbraucher*innensicht
Auch wenn es weiterhin Raum für Verbesserungen gibt, ist der DSA insgesamt eine gute Nachricht für Verbraucher*innen. „Auch wenn es weiterhin Luft nach oben gibt, kommt die fairere Gestaltung des digitalen Raums sowie die Schaffung höherer Transparenz- und Sorgfaltspflichten, die das Gesetz mit sich bringt, – insbesondere für Online-Riesen wie etwa Google oder Facebook – den Nutzer*innen grundsätzlich zugute. Ebenso positiv hervorzuheben ist das nun mögliche effektivere Vorgehen gegen Desinformation, das heute wichtiger denn je ist“, so Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft. Aus Sicht der AK bleibt der DSA hinter der Erwartung von deutlich mehr Plattformverantwortung zurück. Immerhin: Online-Marktplätze werden künftig mehr darauf achten müssen, wen sie auf ihrer Plattform freischalten, um unseriöse Drittanbieter fernzuhalten. Auch die Verhaltensmanipulation der Nutzer*innen dürfte durch einige Einschränkungen der Nutzung von „Dark Patterns“ und beim Werbetracking erschwert werden. Ins selbe Horn stößt auch Ursula Pachl, stellvertretende Generaldirektorin beim Europäischen Verbraucher*innenverband (BEUC): Sie kritisiert, dass einmal mehr die Chance, Haftungspflichten von Online-Marktplätzen festzulegen, verpasst wurde. Für Alexandra Geese von den Grünen im EU-Parlament könnte der DSA „der Beginn eines digitalen Frühlings sein und der erste entscheidende Schritt zu mehr Demokratie und Freiheit im Netz“. Auch der deutsche Verbraucherzentrale-Bundesverband begrüßt, dass persönliche Daten Minderjähriger nicht mehr für die Anzeige von Werbung verwendet werden dürfen.

Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Offener Brief über die Transparenz der Trilogverhandlungen zum Gesetz über digitale Märkte und digitale Dienste
AK EUROPA: Fairerer Wettbewerb für Verbraucher:innen und Unternehmen – EU-Institutionen einigen sich auf Gesetz über digitale Märkte

Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament, euractiv.de, Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, Europäischer Verbraucher*innenverband (BEUC), Verbraucherzentrale-Bundesverband;