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Frankreich übernimmt EU-Ratspräsidentschaft

Mit 1. Jänner 2022 begann die französische Ratspräsidentschaft. In einer Rede umriss Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Prioritäten der nächsten sechs Monate und fasste sie unter drei Schlagworten zusammen: europäische Souveränität, ein neues europäisches Wachstumsmodell und ein humanistisches Europa.

Frankreich übernahm mit Beginn des neuen Jahres die halbjährlich rotierende Ratspräsidentschaft von Slowenien. Bereits am 9. Dezember 2021 hatte der französische Präsident Emmanuel Macron in einer mit Spannung erwarteten Rede die Prioritäten der französischen Ratspräsidentschaft zusammengefasst. „Tatsächlich stehen wir zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert vor existenziellen Fragen in den Bereichen Klima, Technologie und Geopolitik“, so Macron. In diesem Sinne müsse die Funktionsweise der Europäischen Union grundlegend überdacht sowie neue politische Ziele definiert werden.

Europäische Souveränität
„Ein souveränes Europa ist in erster Linie ein Europa, das seine Grenzen beherrscht“, so Macron. Als zentrales Anliegen der französischen Ratspräsidentschaft benannte Macron daher die Einführung einer politischen Steuerung des Schengener Übereinkommens mittels regelmäßiger Treffen der Minister*innen sowie die Schaffung eines Krisenmechanismus, um Unterstützung an den Außengrenzen der EU rasch bereitstellen zu können. Auch das europäische Migrations- und Asylpaket will Macron weiter vorantreiben. Des Weiteren soll unter Federführung Frankreichs die europäische Verteidigungspolitik weiterentwickelt sowie in Afrika und am Westbalkan die Stabilität gesichert und der Wohlstand erhöht werden.

Ein neues europäisches Wachstumsmodell
Den zweiten thematischen Schwerpunkt bildet die Gestaltung eines neuen europäischen Wachstumsmodells. Allen voran soll Wirtschaftswachstum mit den Klimazielen in Einklang gebracht werden. In diesem Sinne will Macron die Gesetzesinitiativen im Rahmen des „Fit for 55“ Pakets vorantreiben. Die Verhandlungen zum CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) sollen noch im ersten Halbjahr 2022 abgeschlossen werden. In der Digitalpolitik sollen dem Gesetz über digitale Märkte (DMA) und dem Gesetz über digitale Dienste (DSA) Priorität eingeräumt werden. Macron nahm außerdem Bezug auf die Diskussion zur Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU: Es brauche „auch angemessene Haushalts- und Finanzregeln […], mit denen Investitionen, die insbesondere für die Unterstützung der ökologischen und digitalen Wende notwendig sind, Vorrang eingeräumt werden kann“.

Des Weiteren steht auch die Umsetzung der globalen Mindeststeuer innerhalb der EU weit oben auf der Agenda der französischen Ratspräsidentschaft. Im Bereich der Sozialpolitik möchte Macron relevante Initiativen wie die Mindestlohnrichtlinie und die Richtlinie zur Lohntransparenz prioritär behandeln. Auch die seit mehreren Jahren blockierte Richtlinie zur Frauenquote in Aufsichtsräten soll endlich unter Dach und Fach gebracht werden. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass Frankreich anscheinend keine eigenen neuen sozialpolitischen Schwerpunkte setzen möchte, wie es beispielsweise Portugal und Deutschland getan hatten. Besonders in Bezug auf die schon seit langem erwartete EU-Richtlinie zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen – wie zuletzt auch von der AK in einem offenen Brief an Kommissar Johannes Hahn thematisiert – wäre ein Vorstoß der amtierenden Ratspräsidentschaft mehr als wünschenswert gewesen.

Ein humanistisches Europa
Macrons Ideen bezüglich eines humanistischen Europas stellen ein Bekenntnis zu europäischen Werten dar. Demokratie, Gleichheit und Menschenrechte sollen daher zentrale Themen der französischen Ratspräsidentschaft sein. Macron kündigte in diesem Rahmen mehrere Initiativen an, darunter die Einrichtung eines Unterstützungsfonds für unabhängigen Investigativjournalismus, eine Strategie für den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus sowie die Umsetzung von Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Um die Einhaltung demokratischer Grundprinzipien in Europa sicherzustellen, müsse man neben Sanktionen auch über Instrumente zur Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit nachdenken, so Macron.

Nachdem die Kommission das Jahr 2022 zum Jahr der Jugend erklärt hat, möchte Macron konkrete Initiativen setzen: Das Erasmus-Austauschprogramm soll um einen sechsmonatigen Freiwilligendienst für junge Menschen in Europa ergänzt werden. Des Weiteren steht während Frankreichs Ratspräsidentschaft der Abschluss der Konferenz zur Zukunft Europas an. Die Schlussfolgerungen der Konferenz sollen im Mai mit den europäischen Institutionen, den Regierungen der Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft diskutiert werden.

Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), Europäische Kommission, Französische Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union 2022;