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Europäische Richtlinie über angemessene Mindestlöhne

Am 14. September wurde mit überwältigender Mehrheit von 505 zu 92 Stimmen bei 44 Enthaltungen die neue Richtline über angemessene Mindestlöhne im EU-Parlament angenommen. Die Mindestlöhne in den EU-Staaten sollten menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen ermöglichen, und die Mitgliedstaaten sollten Tarif- und Kollektivvertragsverhandlungen fördern. Diese Abstimmung ist ein großartiger Erfolg für die Gewerkschaften und Arbeitnehmer*innen in ganz Europa. In einem nächsten Schritt wird der Rat über die Richtlinie abstimmen.  

Eckpunkte der Richtlinie:

  • Hauptziel: Mindestlöhne sollen menschenwürdige Lebensbedingungen sichern.
  • Förderung von KV-Systemen in allen Mitgliedstaaten; gesetzliche Mindestlöhne als Ersatzlösung für jene Mitgliedstaaten, die über geringe KV-Abdeckung verfügen.
  • Bei KV-Abdeckung unter 80 % müssen die entsprechenden Länder (19 von 27) Aktionspläne vorlegen und bis zum Erreichen der Marke Mindestlöhne einführen.
  • Recht auf Rechtsbehelf für Erwerbstätige, ihre Vertreter*innen und Gewerkschaftsmitglieder bei Verstößen gegen die Vorschriften.
  • Österreich gehört mit einer KV-Abdeckung von 98 % zu den positiven Ausnahmen und muss keine Maßnahmen setzen.
  • Formeller Abschluss der europäischen Mindestlohn-Richtlinie im September erwartet.
  • Mitgliedstaaten haben für die nationale Umsetzung zwei Jahre Zeit.
  • 24 Millionen Arbeitnehmer*innen werden durch Lohnerhöhungen direkt von der Richtlinie profitieren.

 

Abbildung 1: Kollektivvertragsabdeckung; Quelle: EGB

Insgesamt 19 von 27 Mitgliedstaaten erfüllen das 80%-KV-Abdeckungskriterium (ursprünglicher Vorschlag der Kommission: 70 %) momentan nicht. Der Vorschlag definiert, wann und wie Mindestlöhne „fair und angemessen“ sind (= 60 % des Medianeinkommens und 50 % des Durchschnittseinkommens). Für einen Großteil der europäischen Arbeitnehmer*innen würde die Richtlinie daher direkte Verbesserungen bringen. Lohnerhöhungen für 24 Millionen Europäer*innen werden von einer ersten Studie prognostiziert.

Auch zur Schließung des Gender Pay Gaps kann die Richtlinie einen wichtigen Beitrag leisten: 60 % der Mindestlohnbezieher*innen sind Frauen.

Weiters ist vorgesehen, dass Mitgliedstaaten sicherstellen sollen, dass (Sub-)Auftragnehmer*innen öffentlicher Aufträge Lohnbestimmungen und Bestimmungen aus dem Kollektivverhandlungsrecht einhalten müssen.

Auswirkungen für Österreich

Österreich verfügt über eine der höchsten KV-Abdeckungen: 98 % der Beschäftigungsverhältnisse sind durch Kollektivverträge abgesichert, weshalb für Österreich kein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Fest steht, dass in Österreich das bisher bewährte Kollektivvertragssystem weiterhin zur Anwendung gelangt. Es wird kein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt. Wir verhandeln weiterhin im Rahmen des Kollektivvertragssystems bzw. im Rahmen unserer Gehaltsrunden. Aufgrund der Lohnunterschiede zu den Nachbarstaaten und der Arbeitskräftemobilität handelt es sich aber auch gerade aus österreichischer Sicht um einen wichtigen europäischen Rechtsakt. Die gesetzlichen Mindestlöhne innerhalb der EU unterscheiden sich stark und reichen von rund 332 Euro in Bulgarien bis zu 2.202 Euro brutto (zwölfmal jährlich) in Luxemburg.

Der zu erwartende, mittelfristige Vorteil für Österreich ist daher, dass der Konkurrenzdruck auf heimische Löhne sinkt. Für Österreich ist wichtig, dass vor allem in den angrenzenden Mitgliedstaaten die Kollektivvertragssysteme gestärkt und die Mindestlöhne angehoben werden, damit entschärft sich die Konkurrenzsituation, da sich Lohn- und Sozialdumping über Entsendungen aus Niedriglohnstaaten weniger auszahlt.

Weiterführende Informationen.

Quellen:
Europäische Gewerkschaftsbund (EGB), Europäisches Parlament, younion _ Die Daseinsgewerkschaft;