EGÖD-Reaktion auf die Europäische Pflegestrategie
Die lang erwartete EU-Pflegestrategie ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber die Pflegekräfte brauchen mehr!
Die Veröffentlichung der Europäischen Pflegestrategie durch die Europäische Kommission am 7. September ist eine gute Nachricht für die Beschäftigten im Pflegebereich. Diese längst überfällige Konzentration auf die Beschäftigten im Pflegesektor erkennt zu Recht an, dass gute Arbeitsbedingungen für die Widerstandsfähigkeit und Attraktivität des Sektors und damit auch für die Qualität und Zugänglichkeit der erbrachten Dienstleistungen entscheidend sind. Der Europäische Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD) begrüßt den Aufruf zum Handeln.
Die Anerkennung, dass Langzeitpflegedienste ein öffentliches Gut sind, ist ein Schritt in die richtige Richtung, um das Recht auf Pflege zu gewährleisten, wie es in Grundsatz 18 der Europäischen Säule sozialer Rechte verankert ist. Wir begrüßen zwar die Forderung nach mehr öffentlichen Investitionen in den Pflegesektor und die Unterstützung der Investitionsanstrengungen der regionalen und lokalen Behörden, doch wird der Kommerzialisierung der Pflege in der Strategie keine Grenze gesetzt. Angesichts der Reihe von Skandalen im Zusammenhang mit der gewinnorientierten Pflege im letzten Jahr geht die Forderung nach mehr Regulierung und Qualitätsmechanismen zur Überwachung der Investitionen nicht weit genug. Alle Gewinne im Pflegesektor sollten im Sektor verbleiben und den Pflegekräften und den betreuten Menschen zugutekommen – seien es Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen.
Jan Willem Goudriaan, Generalsekretär des EGÖD, erklärte: „Ich begrüße den Fokus auf die Aufwertung der Rolle der Pflegekräfte, sowohl in der Langzeitpflege als auch in der frühkindlichen Bildung und Betreuung. Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen sind notwendig, um motivierte Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten und so den wachsenden Arbeitskräftemangel zu bekämpfen.“ Und weiter: „Wir freuen uns, dass eine Reihe von EGÖD-Empfehlungen zu guten Arbeitsbedingungen in die Strategie aufgenommen wurden, z. B. zu fairen Arbeitsverträgen, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und Möglichkeiten zur kontinuierlichen beruflichen Weiterentwicklung. Aber die angekündigte Überwachung muss ein ernstzunehmendes Instrument sein, um weitere Situationen wie diejenige zu vermeiden, die wir bei ORPEA in Frankreich – dem größten Pflegedienstleister in Europas zweitgrößtem Land – erlebt haben.“
Die Strategie spiegelt die langjährige Forderung des EGÖD an die Mitgliedstaaten wider, das IAO-Übereinkommen 189 über Hausangestellte und das IAO-Übereinkommen 190 über Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt zu ratifizieren und umzusetzen. Die vier von der Kommission angekündigten Grundsätze – Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Erschwinglichkeit und Qualität – sind wichtige Meilensteine, und es ist positiv, dass sie den Empfehlungen 15 und 29 der Konferenz über die Zukunft Europas folgen. Wir sind jedoch enttäuscht, dass die Empfehlung 51, in der nicht gewinnorientierte Gesundheits- und Pflegesysteme gefordert werden, nicht aufgegriffen wurde.
Wie in der Mitteilung und den beiden Empfehlungen des Rates anerkannt wird, sind Tarifverhandlungen und die Einbeziehung der Sozialpartner von entscheidender Bedeutung, um den Schutz der Arbeitnehmer*innen angesichts des schnellen Wachstums und der Umgestaltung des Pflegesektors zu gewährleisten. Der EGÖD und die Sozialen Arbeitgeber sind seit über zehn Jahren am Aufbau von Kapazitäten für den sozialen Dialog auf nationaler Ebene im Pflegesektor beteiligt. Wir begrüßen daher den Vorschlag, die Unterstützung für diese Projekte zum Aufbau von Kapazitäten zu erhöhen. In der Mitteilung wird auch die Notwendigkeit betont, den sozialen Dialog im Pflegesektor auf EU-Ebene zu entwickeln. Wir fordern die Kommission auf, die Einrichtung eines EU-Ausschusses für den sektoralen sozialen Dialog im Bereich der sozialen Dienste, die wir im Juni 2021 zusammen mit unseren Sozialpartnern, den Sozialen Arbeitgebern, beantragt haben, nicht weiter unnötig zu verzögern.
Schließlich wirft die Pflegestrategie auch ein Licht auf die geschlechtsspezifische Dimension, die im Pflegesektor so allgegenwärtig ist. Wie alle Kommissionsmitglieder auf der Pressekonferenz zur Veröffentlichung der Strategie erklärten, sind 90 % der gering bezahlten Pflegekräfte Frauen. Wie es in der Strategie heißt, könnte eine Anhebung der Löhne daher dazu beitragen, das geschlechtsspezifische Lohngefälle insgesamt und damit auch das Pensionsgefälle zu verringern. Die Strategie greift auch die geschlechtsspezifischen Probleme bei der informellen Pflege auf. Wie wir vor kurzem in unserer gemeinsamen Erklärung mit Eurocarers hervorgehoben haben, muss die übermäßige Abhängigkeit der Mitgliedstaaten von informellen Pflegekräften – bei denen es sich mehrheitlich um Frauen handelt – durch mehr Investitionen in öffentliche Dienstleistungen angegangen werden. Diese öffentlichen Dienste sind die Grundlage für den allgemeinen Zugang zu hochwertiger Pflege.
Die Reaktion der Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) kann hier nachgelesen werden.
Quellen:
Europäische Kommission, Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB), Europäischer Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD), Konferenz über die Zukunft Europas;