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Der gerechte Übergang zur Klimaneutralität – vor welchen Herausforderungen stehen wir?

Neue Leitlinien der Kommission für einen gerechten Übergang zur Klimaneutralität fordern die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu ergreifen. Menschen sollen dabei in den Mittelpunkt des ökologischen Wandels gestellt werden – niemand soll zurückgelassen werden. Im Rahmen einer Veranstaltung des Europäische Gewerkschaftsinstitut (EGI/ETUI) wurde Anfang März 2022 diskutiert, vor welchen Herausforderungen die EU steht, damit der ökosoziale Paradigmenwechsel auch global zum Erfolg wird.

Am 7. März 2022 veranstaltete das Europäische Gewerkschaftsinstitut eine Diskussion mit hochkarätigen Wissenschafter*innen zum Thema „Herausforderungen und Perspektiven für einen gerechten Übergang in Europa“. Nachgegangen wurde der Frage, ob es eine Kluft zwischen Klima- und sozialer Gerechtigkeit gibt und inwieweit die Institutionen und der Wohlfahrtsstaat in der Lage sind, die neuen Herausforderungen des ökosozialen Paradigmenwechsels zu bewältigen. Können die derzeitigen politischen Maßnahmen und Praktiken der EU als Schritt in Richtung eines umfassenderen politischen Rahmens betrachtet werden, der sowohl Arbeits-, Klima-, als auch Umweltprioritäten integriert?

Der grüne Wandel wird verschiedene Verteilungseffekte von Klimamaßnahmen mit sich bringen. Die Auswirkungen sind hochkomplex und erfordern daher auch eine facettenreiche Antwort auf unterschiedlichste negative Konsequenzen, z.B. auf hohe Strompreise, Vulnerabilität bei extremen Wetterereignissen, globale Ungleichheiten, aber auch Ungleichheiten u.a. am Arbeitsmarkt.

Gewerkschaften stehen vor der Herausforderung, dass sie sich im globalen Norden insbesondere in CO2-basierten Branchen wie der Automobilindustrie gut etabliert haben. Gerade in diesen Bereichen könnten jedoch viele Jobs durch eine grüne Wende verloren gehen. Samantha Smith, Direktorin des Just Transition Centre, versucht daher, mit den Gewerkschaften grüne Aktionspläne zu entwickeln, damit die notwendigen Umschulungen von Menschen ermöglicht wird und Jobs erhalten bleiben. Statt in der Automobilbranche zu arbeiten, könnten betroffene Arbeitnehmer*innen nach einer Umschulung im öffentlichen Verkehr arbeiten, so auch Markus Wissen von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Einig waren sich die Diskutant*innen darin, dass der gerechte Übergang über nationale und europäische Grenzen hinweg gedacht werden muss.

Hintergrund der Veranstaltungsreihe sind die politischen Leitlinien für einen gerechten und inklusiven Übergang zur Klimaneutralität, welche von der EU-Kommission am 14. Dezember 2021 vorgestellt wurden. Sie umfassen die beschäftigungs- und sozialpolitischen Aspekte des gerechten Übergangs und sollen die EU-Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Maßnahmenpaketen unterstützen. Der Vorschlag fordert von den EU-Staaten Maßnahmen zur Förderung hochwertiger Beschäftigung und Erleichterung von Beschäftigungsübergängen. Des Weiteren werden Maßnahmen zur Förderung des gleichberechtigten Zugangs zu hochwertiger allgemeiner und beruflicher Bildung sowie Maßnahmen zur Unterstützung gerechter Steuer- und Sozialschutzsysteme gefordert. Der Zugang zu erschwinglichen essenziellen Dienstleistungen – z.B. durch Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs – soll ebenso gefördert werden wie koordinierte Strategien zur Verfolgung eines gesamtwirtschaftlichen Ansatzes und zur aktiven Einbeziehung der Sozialpartner und anderer Interessenträger*innen. Zur Finanzierung dieser Maßnahmen hat die EU-Kommission bereits im Vorfeld einen Klima-Sozialfonds vorgeschlagen.

Die Position der AK
Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Leitlinien zur Sicherstellung eines gerechten Übergangs zur Klimaneutralität sprechen viele AK-relevante Themen an. In diesem Zusammenhang begrüßt die AK insbesondere das umfassende Bekenntnis zu einem gerechten Übergang und die Betonung, dass dessen Gestaltung eine Querschnittsmaterie zwischen unterschiedlichen Politikfeldern – von der Forschungs- und Regionalpolitik über die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik bis zur Verkehrspolitik – darstellt. Der gerechte Übergang zur Klimaneutralität kann nur durch die enge Verknüpfung sozialer und ökologischer Ziele gelingen, bei der beschäftigungs-, verteilungspolitische sowie fiskalische Maßnahmen eng aufeinander abgestimmt werden. Dies erfordert eine aktive Gestaltung durch die öffentliche Hand auf allen politischen Ebenen unter enger Einbindung der Sozialpartner und weiterer Akteur*innen. Die AK regt an, von Seiten der Kommission eine hochrangige Konferenz zur sozialen Dimension des Übergangs zur Klimaneutralität unter Einbindung der organisierten Zivilgesellschaft und insbesondere auch der Sozialpartner zu organisieren.

Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Klimaziele nur mit Reform der europäischen Förderpolitik erreichbar
AK EUROPA: Fonds für einen gerechten Übergang in den Startlöchern
AK EUROPA: Gerechter Übergang zu einem klimaneutralen Europa
AK EUROPA: Sozial gerechter Übergang bei der Kohle- und Automobilindustrie

Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), Europäische Kommission, Europäisches Gewerkschaftsinstitut (EGI/ETUI), Internationaler Gewerkschaftsbund (IGB) – Just Transition Centre;