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Das neue Arbeitsprogramm der EU-Kommission

Am 19. Oktober 2021 hat die EU-Kommission ihr Arbeitsprogramm für 2022 vorgestellt. Das vorgegebene Ziel lautet, gestärkt aus der COVID-19-Krise hervorzugehen, den digitalen und grünen Wandel zu stemmen und eine krisenfestere und gerechtere Gesellschaft zu schaffen. Obwohl viele Initiativen grundsätzlich positiv zu bewerten sind, wäre vor allem auch im sozialen Bereich mehr Ambition und mehr rechtsverbindliche Maßnahmen wünschenswert.

Das Arbeitsprogramm für 2022 beinhaltet 42 neue politische Initiativen, die in sechs übergreifenden Leitlinien, welche Kommissionspräsidentin von der Leyen für diese Legislaturperiode vorgegeben hat, gebündelt sind. Die wichtigsten Initiativen der sechs Bereiche sind die folgenden:

Europäischer Grüner Deal: Neben den Verhandlungen zum „Fit for 55“-Paket, welches im Juni 2021 präsentiert wurde, plant die EU-Kommission die Schaffung eines Rechtsrahmens für die Zertifizierung der CO2-Entfernung. Weiters soll ein Null-Schadstoff-Aktionsplan zur Verbesserung der Wasser- und Luftqualität vorgelegt werden. Von besonderer Bedeutung für Verbraucher*innen ist das Recht auf Reparatur, das in Form eines Legislativvorschlages verankert werden soll. Die Initiativen sind grundsätzlich positiv zu bewerten, und es ist zu erwarten, dass die Bestrebungen der EU-Kommission, nämlich den Übergang hin zu einer CO2-neutralen Wirtschaft gerecht zu gestalten, weiter verfolgt werden (Just Transition).

Digitalisierung: Durch die Pandemie wurde die Digitalisierung weltweit vorangetrieben, gleichzeitig manifestierten sich auch Mängel und Abhängigkeiten in Europa. Anhand eines Notfallinstruments für den Binnenmarkt und eines europäischen Computerchip-Gesetzes strebt die EU-Kommission für den Binnenmarkt ein höheres Ausmaß an Resistenz und Unabhängigkeit von ausländischen Technologien an. Außerdem plant sie Empfehlungen, welche die digitale Kompetenz an Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz stärken sollen.

Wirtschaft im Dienst der Menschen: Einer Initiative des EU-Parlaments folgend wird die EU-Kommission einen Vorschlag zur Verbesserung des Schutzes von Arbeitnehmer*innen gegen die Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz vorlegen. Positiv ist auch, dass sich die EU-Kommission dem Thema eines angemessenen Mindesteinkommens (Mindestsicherung) widmen möchte. Anders als früher angekündigt, soll es sich hierbei jedoch nur um eine Empfehlung und nicht eine legislative Initiative handeln. Weiters soll der Richtlinienentwurf zur globalen Mindeststeuer von Unternehmen möglichst rasch erstellt und einheitlich umgesetzt werden. Noch dieses Jahr werden wichtige Legislativ-Vorschläge von der EU-Kommission zur Plattformarbeit und zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen erwartet. Es bleibt zu hoffen, dass diese im kommenden Jahr verhandelt und beschlossen werden. Eine Initiative zum sozialen Dialog ist zwar im Arbeitsprogramm erwähnt, jedoch in keiner der 42 politischen Initiativen enthalten.

EU im globalen Kontext: Anhand der „Global Gateway“-Strategie will die EU-Kommission die Position der EU in den Bereichen Handel und Investitionen in der Welt stärken. Aus AK-Sicht ist es hier wichtig, dass die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten sowie umweltpolitischer Mindeststandards und die Verbesserung globaler Lieferketten bei Handelsstrategien im Fokus steht. 

Europäische Werte: Die EU-Kommission erklärt 2022 zum Europäischen Jahr der Jugend. Die Initiative „ALMA“ macht es sich zur Aufgabe, benachteiligten jungen Menschen, die sich weder in einem Arbeits- noch in einem Ausbildungsverhältnis befinden, eine Berufserfahrung im Ausland zu ermöglichen. Weiters plant die EU-Kommission, die Europäische Gesundheitsunion auszubauen. Wichtige Bausteine könnten hier besonders die geplante umfassende Strategie zur Pflege und die Empfehlung zur Krebsfrüherkennung werden. Aus Sicht der AK gilt es vor allem, die Arbeitsbedingungen der Gesundheits- und Pflegekräfte auch durch europäische Rechtsakte zu verbessern. Außerdem ist ein intensivierter Informationsaustausch mit Drittstaaten auf dem Gebiet der Sicherheit und eine Überarbeitung der Regelung zur Passagiervorabinformation geplant.

Stärkung der Demokratie: Eine wichtige Maßnahme könnte auch der geplante Europäische Rechtsakt zur Medienfreiheit werden, der den Schutz einer freien und unabhängigen Medienlandschaft sicherstellen soll. Außerdem soll ein Rechtsakt zur Anerkennung der Elternschaft zwischen EU-Mitgliedstaaten die Gleichstellung aller Formen der Elternschaft gewährleisten.

Ein weiterer Schwerpunkt der EU-Kommission liegt in der „vollständigen“ Umsetzung des so genannten One-in-One-Out-Ansatzes, welcher für eine Verringerung der Verwaltungslast sorgen soll. Aus AK-Sicht ist dieses Vorhaben vehement abzulehnen, da dadurch Sozial-, Umwelt- und Verbraucher*innenstandards unter Druck geraten.

Das neue Arbeitsprogramm wurde in den Parlamentsfraktionen größtenteils positiv aufgenommen. Dabei wurde die EU-Kommission abermals angehalten, für eine strikte Durchsetzung der EU-Rechtsstaatlichkeit zu sorgen und eine volle Umsetzung der Konditionalität der Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Die S&D-Fraktion forderte unter anderem Gesetze zur Armutsbekämpfung und Leitlinien für Telearbeit. Die grüne Fraktion bemängelte, dass Klima und Biodiversität völlig unzureichend im Arbeitsprogramm behandelt werden und forderte, dass der Abkehr von fossilen Brennstoffen erste Priorität eingeräumt werden muss.

Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Policy Brief: Aktionsplan zur Säule sozialer Rechte und EU Sozialgipfel: Notwendige soziale Neuausrichtung der EU 
AK EUROPA Positionspapier: Bessere Rechtsetzung

Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), Arbeiterkammer Wien, Europäische Kommission, Europäisches Parlament, Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB);