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Chance für eine gerechte und nachhaltige Reform der EU-Fiskalregeln

Noch in diesem Herbst sind neue Schritte über die (Neu-)Ausrichtung der EU-Wirtschaftspolitik zu erwarten. Gemeinsam mit mehr als 180 anderen Organisationen und Wissenschaftler*innen hat die AK einen offenen Brief unterzeichnet und plädiert darin für eine gerechte und nachhaltige Reform der EU-Fiskalregeln.

Vor einem Jahr hat die EU-Kommission die Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung (Economic Governance) wiederaufgenommen, nachdem diese im Jahr 2020 aufgrund der Maßnahmen rund um die Pandemiebekämpfung nicht weiterverfolgt wurde. Gleichzeitig wurden auch die Verschuldungsregeln krisenbedingt ausgesetzt. Doch auch schon davor gab es intensive Diskussionen über die restriktiven wirtschaftspolitischen Vorgaben und die Befürchtung, dass die Reform der Economic Governance abermals den Fokus auf ökonomische Stabilitätsziele, allen voran die Einschränkung von Staatsverschuldung und von Budgetdefiziten in den einzelnen Mitgliedstaaten, legen würde. Angesichts der angespannten Wirtschaftslage vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und den immer noch nachwirkenden Lieferkettenunterbrechungen aufgrund der Pandemie ist die Forderung nach einer strukturellen Änderung des herrschenden Wirtschaftssystems aktueller denn je. Das Wohlergehen aller Menschen und des Planeten müssen im Rahmen dieser Neugestaltung laut den Unterzeichner*innen im Mittelpunkt stehen.

Maßgebliche Forderungen für eine gerechtere Wirtschaftsordnung
Der offene Brief beinhaltet mehrere Grundsatzforderungen, deren Umsetzung eine gerechte und nachhaltige Reform der EU-Fiskalregeln sicherstellen soll.

So ist es etwa grundlegend notwendig, dass die neuen Fiskalregeln eine gewisse finanzpolitische Flexibilität ermöglichen. Nur dadurch lässt sich das Ziel der Vollbeschäftigung mit nachhaltigen Arbeitsplätzen und angemessener Entlohnung erreichen. Darüber hinaus braucht es finanziellen Spielraum für grüne öffentliche Investitionen, um die „grüne Finanzierungslücke“ in Europa zu schließen. Dabei ist vor allem auf Ausgaben zur Erreichung der Umweltziele aus dem Pariser Klimaabkommen oder anderer multilateraler Abkommen abzustellen.

Neben grünen Investitionen dürfen auch notwendige Investitionen im Sozialbereich nicht vernachlässigt werden. In diesem Zusammenhang muss insbesondere allen Menschen der Zugang zu hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen gewährleistet werden. Ein soziales Auffangnetz für die vulnerabelsten Gruppen benötigt eine ausreichende Finanzierung.

All dem liegt die Forderung zugrunde, dauerhaftes Wohlergehen als Ziel einer Neuausrichtung der europäischen Wirtschaftspolitik in den Vordergrund zu stellen. Die alleinige Orientierung an ökonomischen Zielgrößen wie dem Wirtschaftswachstum ist angesichts der vielfältigen Herausforderungen nicht mehr ausreichend, weshalb diesbezüglich ein Umdenken stattfinden muss. Laut den unterzeichnenden Organisationen und Wissenschaftler*innen sollten in den neuen Regelungen vielmehr geeignete Indikatoren für soziale, wirtschaftliche und ökologische Ergebnisse enthalten sein. Dadurch ist es möglich, einen umfassenderen und besseren Überblick über die grundlegenden Ziele der EU zu geben und damit zu langfristigem Wohlergehen der europäischen Bevölkerung beizutragen.

Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes
Neben inhaltlichen Reformen ist auch Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Prozesse auf europäischer Ebene vorhanden. In diesem Zusammenhang wird im Brief besonders auf die Entscheidungsfindung im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (SWP) hingewiesen. Der SWP hat aufgrund der Bedeutung für die fiskalpolitischen Spielräume und somit Investitionsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten demokratisch und transparent abzulaufen. Hier muss vor allem das Europäische Parlament eine stärkere Rolle zugewiesen bekommen.

Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Entscheidende Phase zur sozialen Neuausrichtung der europäischen Wirtschaftspolitik

Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), youthforum.org;