567. Plenartagung des EWSA
Die 567. Plenartagung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) fand von 23. – 24. Februar 2022 statt.
Die größte Bedrohung für das Klima besteht darin, zu warten, bis es zu spät ist
Auf seiner Plenartagung legte der EWSA seine Stellungnahme mit dem Titel „Fit für 55“: auf dem Weg zur Klimaneutralität – Umsetzung des EU-Klimaziels für 2030 vor. Der EWSA hat konkrete Vorschläge zur Beschleunigung der Energiewende unterbreitet, damit die EU ihre Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % senken kann.
Seit 1880 ist die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Erde in jedem Jahrzehnt um 0,07°C gestiegen. Früher wussten wir nicht, was die Ursache für diesen Anstieg ist. Heute haben wir keine Ausrede mehr.
Wir dürfen die Opfer nicht unterschätzen, die der Green Deal mit sich bringt, um die Emissionen auf ein vorindustrielles Niveau zu senken. Wir müssen buchstäblich die Art und Weise ändern, wie wir leben, arbeiten, produzieren und konsumieren, betonte der Berichterstatter Stefano Mallia, und wenn Europa nicht die Erwartungen erfüllt und die Führung übernimmt, wird jemand anderes kommen und seinen Platz einnehmen, schloss er.
Darüber hinaus wird sich das Erreichen der überarbeiteten Ziele für 2030, wie sie im „Fit-for-55“-Paket vorgeschlagen werden, ungleichmäßig auf Regionen, Gemeinden und Einzelpersonen in ganz Europa auswirken.
Um diese Bedenken auszuräumen, empfiehlt der EWSA der Europäischen Kommission, die Auswirkungen des Übergangs auf die Beschäftigung und die Qualifikationen in den verschiedenen Ländern, Regionen und Sektoren, einschließlich der Zulieferer und nachgelagerten Wertschöpfungsketten, genau zu erfassen.
Der rasche Übergang zu einer dekarbonisierten Wirtschaft wird massive Herausforderungen mit sich bringen, insbesondere für diejenigen, die am stärksten von kohlenstoffintensiven Sektoren und Industrien abhängig sind. Aber der Übergang zu einer grünen Industrie wird auch Chancen für andere schaffen.
Es gibt keine Einheitslösung für alle. Die Maßnahmen, die den Übergang vorantreiben sollen, müssen maßgeschneidert sein und die unterschiedlichen Gegebenheiten in Europa widerspiegeln, wobei die Notwendigkeit gleicher Wettbewerbsbedingungen und die unterschiedlichen Ausgangspositionen der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind. Gleichzeitig müssen wir die Komplementarität zwischen dem grünen und dem digitalen Übergang sowie zwischen unseren Maßnahmen in den Bereichen Klima, Energie, Verkehr, Bauwesen, Landnutzung und Forstwirtschaft sicherstellen, wobei wir die große Notwendigkeit der politischen Kohärenz betonen und den Zusammenhang zwischen der Klima- und der Biodiversitätskrise anerkennen.
„Es ist von größter Bedeutung, dass angemessene Solidaritätsmechanismen richtig konzipiert und angemessen finanziert werden, um einen sozial gerechten, wettbewerbsfähigen und grünen Übergang zu ermöglichen“, betonte der Berichterstatter Cillian Lohan.
Niemanden zurückzulassen bedeutet auch, alle einzubeziehen
Ein Übergang zur Klimaneutralität, der niemanden zurücklässt, bedeutet auch, alle mit ins Boot zu holen und vor allem, den Stakeholdern die Verantwortung für den Prozess zu überlassen. Die Sozialpartner und die wichtigsten Organisationen der Zivilgesellschaft spielen eine entscheidende Rolle und müssen sowohl in die Planungs- als auch in die Umsetzungsphase des „Fit-for-55“-Pakets einbezogen werden.
Daher „unterstützt der EWSA die Einrichtung dreigliedriger Kommissionen für einen gerechten Übergang, die es den regionalen Behörden, den Sozialpartnern und den Organisationen der Zivilgesellschaft ermöglichen, sich an der Umsetzung der nationalen und regionalen Pläne für einen gerechten Übergang zu beteiligen“, betonte Lohan.
Die EU-Institutionen sollten auch zusätzliche Vorschläge zur Mobilisierung massiver öffentlicher und privater Investitionen auf europäischer und nationaler Ebene entwickeln, um den Übergang in den Sektoren und Regionen zu unterstützen, die radikal umgestaltet werden müssen. Der Just Transition Fund (Fonds für einen gerechten Übergang) ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber sein Umfang und seine Reichweite sollten deutlich erhöht werden, um den massiven erforderlichen kohlenstoffarmen Investitionen zu entsprechen.
Die Bewältigung des Klimawandels wird enorme finanzielle, soziale und ökologische Auswirkungen haben. „Deshalb müssen wir sicherstellen, dass das ‚Fit-for-55’-Paket ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer europäischen Netto-Null-Wirtschaft bis 2050 ist und nicht ein Stolperstein“, fügte Mallia hinzu.
Ein Modell, das zu einer blühenden Wirtschaft führt
Wir müssen ein Modell entwickeln, das zu einer florierenden, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft führt. Deshalb empfiehlt der EWSA, alle im Rahmen des „Fit-for-55“-Paktes vorgelegten Legislativvorschläge einer Prüfung der Wettbewerbsfähigkeit zu unterziehen, damit die Auswirkungen auf die Unternehmen in vollem Umfang erfasst werden.
Wenn wir wollen, dass die EU zu einem Vorreiter wird, dem der Rest der Welt nacheifert, sollten wir das erfolgreichste Modell anstreben – ein Modell, das in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht gerecht und nachhaltig ist.
Die EU produziert heute nur 6,4 % der weltweiten Emissionen; China produziert 27 %, die USA 11 %, und die Emissionen Russlands nehmen zu. China hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2060 CO2-neutral zu werden, Indien sogar erst bis zum Jahr 2070.
Mehr denn je kommt es jetzt darauf an, Europas Energieunabhängigkeit zu stärken.
Die EU-Klimadiplomatie wird eine wichtige Rolle bei der Förderung des europäischen Ansatzes spielen, da Europa dies nicht allein tun kann.
Stellungnahmen:
Energiepreise
Berichterstatter: Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments:
Die Europäische Union sieht sich derzeit mit einem starken Anstieg der Energiepreise konfrontiert, der in erster Linie auf die gestiegene weltweite Nachfrage nach Energie im Allgemeinen und nach Gas im Besonderen im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau zurückzuführen ist. Während es in der Vergangenheit zu Energiepreisschwankungen gekommen ist, befindet sich die EU heute am Ende der COVID-19-Krise. Die europäischen Haushalte und Unternehmen sehen sich mit der Aussicht auf höhere Energierechnungen konfrontiert, und das zu einer Zeit, in der viele von ihnen durch Einkommensverluste infolge der Pandemie geschwächt sind. Dies kann den Aufschwung und dessen Fairness und Inklusivität beeinträchtigen. Außerdem besteht die Gefahr, dass das Vertrauen und die Unterstützung für die Energiewende untergraben werden, die nicht nur erforderlich ist, um den katastrophalen Klimawandel abzuwenden, sondern auch, um die Anfälligkeit der EU für Preisschwankungen bei fossilen Brennstoffen zu verringern.
Die Europäische Kommission hat diese Mitteilung ausgearbeitet, um geeignete Maßnahmen zur Abmilderung der Auswirkungen vorübergehender Energiepreiserhöhungen zu ergreifen und zu unterstützen. Das vorliegende Instrumentarium ermöglicht einen koordinierten Ansatz zum Schutz der am stärksten Gefährdeten. Es ist sorgfältig kalibriert, um das Ziel zu erreichen, die negativen Auswirkungen plötzlicher Preiserhöhungen abzufedern und die Leistbarkeit zu gewährleisten, ohne den europäischen Energiebinnenmarkt zu fragmentieren oder Investitionen in den Energiesektor und den grünen Wandel zu gefährden.
Auch wenn die Energieversorgung nicht unmittelbar gefährdet ist und die Märkte derzeit davon ausgehen, dass sich die Gasgroßhandelspreise bis April 2022 auf einem niedrigeren Niveau stabilisieren werden, müssen die Versorgungssicherheit, die Gasspeicherbestände und das ordnungsgemäße Funktionieren des Gasmarktes vor der Wintersaison besonders überwacht werden. Zusätzlich zu den kurzfristigen Maßnahmen gibt diese Mitteilung einen Ausblick auf koordinierte Maßnahmen, die die Kommission mittelfristig zu ergreifen gedenkt, um eine bessere Vorbereitung auf Gaspreisschwankungen zu gewährleisten und gleichzeitig die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen zu verringern.
Jahresbericht zum nachhaltigen Wachstum 2022
Die wichtigsten Punkte:
Der EWSA
- fordert eine vorausschauende Zusammenarbeit in der EU-Gesundheitspolitik, eine Erhöhung der Impfquoten und die Annahme eines globalen Ansatzes, um auf EU-Ebene eine offene Debatte über einen befristeten und freiwilligen TRIPS-Waiver zu führen;
- befürwortet eine wohlstandsorientierte Politik und unterstützt die EU-Agenda für „wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit“. Deren vier Dimensionen – ökologische Nachhaltigkeit, Produktivität, Fairness und makroökonomische Stabilität – sowie die Wettbewerbsfähigkeit sollten gleichberechtigt nebeneinander stehen, um die beabsichtigten verstärkenden Effekte und eine erfolgreiche Transformation zu erreichen;
- ist der Auffassung, dass je schwächer die Einbindung der Parlamente, der Sozialpartner und anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Disparitäten zunehmen und die Akzeptanz abnimmt, insbesondere im Hinblick auf die Transformation der Wirtschaft zur Klimaneutralität;
- betont, wie wichtig es ist, eine gerechte Verteilung der Anstrengungen und Gewinne des Übergangs und eines gesunden Geschäftsklimas zu gewährleisten und starke industrielle Wertschöpfungsketten in Europa zu erhalten, und fordert, dass die europäische Industrie eine Führungsrolle übernimmt und sich um Nachhaltigkeit bemüht;
- ist der Auffassung, dass ein fairer Produktivitätsansatz langfristig eine entscheidende Triebkraft für die Wettbewerbsfähigkeit und die Aufwärtskonvergenz darstellt, und fordert geeignete Vorschläge, wie nicht vertraglich geschützte nationale Regelungen gewährleistet werden können, da die sozialen und arbeitsrechtlichen Rechte, die von grundlegender Bedeutung sind, nicht zu den verfassungsmäßig geschützten Freiheiten des Binnenmarktes gehören;
- stimmt uneingeschränkt darin überein, dass die Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen zur Verbesserung der Lernergebnisse in ihren Systemen der allgemeinen und beruflichen Bildung verstärken sollten und dass der Zugang zum lebenslangen Lernen gewährleistet werden sollte;
- fordert die Kommission auf, die Verteilungseffekte der Auszahlungen im Rahmen des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) und des Programms NextGenerationEU (NGEU) zu prüfen und sicherzustellen, dass sie zur Entwicklung einer umweltfreundlicheren und digitalisierten Wirtschaft sowie zu einer stärkeren sozialen Konvergenz beitragen;
- warnt davor, eine Politik zu fördern, die die laufenden Ausgaben für Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsausgaben kürzt, und fordert eine gerechte Einnahmenpolitik;
- fordert die Überwachung sozialer Ungleichgewichte, wobei die Überwachung im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (MIP) die Wechselwirkungen zwischen neu entstehenden wirtschaftlichen Herausforderungen nur unzureichend berücksichtigt hat; der EWSA fordert auch die Überwachung sozialer Ungleichgewichte;
- ist der Auffassung, dass wir in eine neue Phase der Wirtschaftspolitik eintreten und das sich entwickelnde Europäische Semester 2022 eine Chance ist, die wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu verbessern, und betont, dass sich der ausgewogene Ansatz der wettbewerbsorientierten Nachhaltigkeitsagenda in den anstehenden länderspezifischen Empfehlungen (CSR) widerspiegeln sollte und dass eine stärkere Einbeziehung der Sozialpartner und der organisierten Zivilgesellschaft längst überfällig ist;
- betont, dass unklar bleibt, inwieweit sich die Agenda tatsächlich in den länderspezifischen Empfehlungen und den Wiederaufbau- und Resilienzplänen widerspiegeln wird, während die verstärkte Konzentration auf die Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte zu begrüßen ist;
- ist der Auffassung, dass die wirtschaftspolitische Steuerung so in den Prozess des Europäischen Semesters integriert werden muss, dass die demokratische Beteiligung der Parlamente, der Sozialpartner und der organisierten Zivilgesellschaft gewährleistet ist.