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EESC

565. Plenartagung des EWSA

Die 565. Plenartagung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) fand von 8. – 9. Dezember 2021 statt.

Fit for 55 – Europa muss gleichzeitig Kohlenstoffemissionen reduzieren, die Energieeffizienz verbessern und Energiearmut bekämpfen

Auf der Dezember-Plenartagung haben der EWSA und die Europäische Kommission drei Hauptprioritäten hervorgehoben, um eine widerstandsfähige und nachhaltige Zukunft für die Europäische Union zu gewährleisten.

Der Energiesektor spielt eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels und ist für das Leben der Menschen und die Wirtschaft der EU von zentraler Bedeutung. Auf der Dezember-Plenartagung vertrat am 9. Dezember 2021 die für Energie zuständige Kommissarin Kadri Simson einen eindeutigen Standpunkt: Der EWSA und die Europäische Kommission müssen ihre Kräfte bündeln, um eine faire grüne Energiewende sicherzustellen und ein stärkeres und widerstandsfähigeres Europa nach COVID-19 aufzubauen.

Simson wies auf die seit Oktober 2021 anhaltend hohen Energiepreise hin und stellte fest: „Wir sind nach wie vor in hohem Maße vom Gas abhängig: Der jüngste Anstieg der europäischen Energiepreise, der durch die globalen Gasgroßhandelsmärkte beeinflusst wurde, ist ein Beweis dafür. Die langfristige Lösung muss mehr Energieeffizienz und mehr erneuerbare Energien beinhalten, um mit derartigen Schocks umgehen zu können.“

Unter Bezugnahme auf die im Oktober 2021 angenommene Mitteilung zu den Energiepreisen erwähnte Simson das „Instrumentarium“ aus Maßnahmen, das von der Kommission angenommen wurde, um die unmittelbaren Auswirkungen der aktuellen Preiserhöhungen zu bewältigen und die Widerstandsfähigkeit gegenüber künftigen Schocks weiter zu stärken. Zu den kurzfristigen nationalen Maßnahmen gehörten Einkommensnothilfen für Haushalte, staatliche Beihilfen für Unternehmen und gezielte Steuersenkungen. Um sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wird, soll der neue Klima-Sozialfonds Investitionen in die Energieeffizienz fördern und gefährdeten Haushalten finanzielle Unterstützung gewähren.

Im Anschluss an die Aussprache mit der Kommissarin verabschiedete der EWSA auf seiner Dezember-Plenartagung sechs Stellungnahmen zu Energie und Verkehr im Zusammenhang mit dem von der Europäischen Kommission im Juli 2021 vorgelegten „Fit for 55“-Paket.

Schwerpunkt auf erneuerbaren Energien und Energieeffizienz

In seiner von Christophe Quarez und Lutz Ribbe verfassten Stellungnahme zur Überarbeitung der Richtlinie über erneuerbare Energien begrüßt der EWSA die angestrebte Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien und die Konzentration auf die Sektoren Industrie, Verkehr und Wohnbau. „Von der Politik im Bereich der erneuerbaren Energieträger wird erwartet, dass sie in drei Bereichen Wirkung zeigt: Eindämmung des Klimawandels, Energiesicherheit und wirtschaftliche Entwicklung durch die Schaffung von Arbeitsplätzen“, so Quarez.

In der von Alena Mastantuono verfassten Stellungnahme zur Überarbeitung der Energieeffizienzrichtlinie unterstützt der EWSA den Vorschlag zur Neufassung der Energieeffizienzrichtlinie, der Maßnahmen vorsieht, die für die vollständige Dekarbonisierung der EU-Wirtschaft und -Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind, und gleichzeitig die führende Rolle des öffentlichen Sektors, einschließlich der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, festlegt.

Mastantuono kommentierte das Dokument der Kommission wie folgt: „Die stärkere Betonung der Information und Befähigung der Verbraucher*innen, z. B. im Bereich der Vertragsbedingungen oder der Verwendung einer klaren und verständlichen Sprache, ist äußerst wichtig. Dies gilt auch für die Rolle der Zivilgesellschaft bei Informationskampagnen über die Vorteile der Energieeffizienz.“

Schutz der Schwächsten

In der von Thomas Kattnig und Alena Mastantuono erarbeiteten Stellungnahme zum Klima-Sozialfonds begrüßt der EWSA die Einrichtung dieses Instruments, um die negativen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der neuen CO2-Bepreisung abzufedern.

„Mit dieser Verordnung zeigt die Kommission glaubhaft ihren Willen, Energie- und Mobilitätsarmut zu bekämpfen, aber wir brauchen konkrete Maßnahmen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene, einschließlich eines besseren Zugangs zu Beihilfen für thermische Sanierungen oder den Austausch von Heizungsanlagen für energiearme Haushalte“, so Kattnig.

„Ganz besonders einkommensschwache Haushalte sind vom massiven Anstieg der Energiepreise, den wir gegenwärtig erleben, belastet, weil schlichtweg die Rechnungen für Benzin und Gas extrem teuer werden. Das verunsichert die Menschen“, gibt Kattnig zu bedenken. „Das darf jedoch keinesfalls zu der Frage ‚Klimaschutz oder sozialer Frieden’ führen. Denn wir brauchen beides und müssen die Menschen mitnehmen, und genau hier soll und kann der Klima-Sozialfonds eine entscheidende Rolle spielen.“ Ein Knackpunkt sei allerdings darin zu sehen, dass die Einrichtung des Fonds an die Einführung eines Emissionshandels für Gebäude und Verkehr geknüpft werden soll. „Wir befürchten, dass die daraus entstehenden Kosten zu unkontrollierten Preisspitzen führen werden“, so Kattnig. Aus diesem Grund gebe es viele kritische Stimmen gegen eine solche Erweiterung des Emissionshandels – sollte diese scheitern, wäre damit auch der Klima-Sozialfonds in Gefahr. Kattnig: „Wir treten daher dafür ein, den Klima-Sozialfonds – unabhängig von der Erweiterung des Emissionshandelssystems – jedenfalls einzurichten.“

Der EWSA ist auch der Ansicht, dass der vorgeschlagene Fonds keine ausreichende finanzielle Unterstützung bietet, um die sozioökonomischen Auswirkungen der CO2-Bepreisung verantwortungsvoll zu bewältigen. „Wir brauchen weitreichendere Begleitmaßnahmen und Ressourcen auf EU- und nationaler Ebene, und wir fordern die Mitgliedstaaten auf, andere verfügbare Finanzmittel vorzubringen, um den Klima-Sozialfonds so effizient wie möglich zu nutzen“, fügte Mastantuono hinzu.

Ansichten der organisierten Zivilgesellschaft zum „Fit for 55“-Paket

In der Debatte betonte Stefano Mallia, Vorsitzender der Gruppe der Arbeitgeber im EWSA, dass das „Fit for 55“-Paket zwar ehrgeizig sei, aber erfolgreich umgesetzt werden könne, wenn Emissionssenkungen an Investitionen in kohlenstoffarme Technologien gekoppelt wären.

Seitens der Gruppe der Arbeitnehmer*innen im EWSA betonte Thomas Kattnig, dass die Bemühungen der Kommission im Rahmen des Grünen Deals außerordentlich begrüßt und unterstützt werden. Gleichzeitig erforderten die Herausforderungen des grünen Wandels breite Unterstützung: „Die Zivilgesellschaft, Sozialpartner, Jugendorganisationen und Gebietskörperschaften müssen daher in die Ausarbeitung der nationalen Sozialklimapläne einbezogen werden.“ Die Mitgliedstaaten seien aufgefordert, die Synergien des Klima-Sozialfonds vor allem zur Bekämpfung von Energie- und Mobilitätsarmut zu nutzen. Konkrete Maßnahmen wie der Ausbau des öffentlichen Verkehrs seien dringend notwendig, so Kattnig.

Séamus Boland, Vorsitzender der EWSA-Gruppe Vielfalt Europa, wies abschließend darauf hin, dass das „Fit for 55“-Paket das Leben aller europäischen Bürger*innen betreffe und es daher von entscheidender Bedeutung sei, die Organisationen der Zivilgesellschaft in die Lage zu versetzen, den Übergang zur Verringerung der Netto-Treibhausgasemissionen anzuführen, zu gestalten und umzusetzen.

Den Wiederaufbau zum Erfolg machen: EWSA unterstreicht Schlüsselrolle der organisierten Zivilgesellschaft

Auf der Dezember-Plenartagung des EWSA fand eine Debatte mit Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, und Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Europäischen Kommission für interinstitutionelle Beziehungen und Zukunftsforschung, statt. In den Gesprächen, die sich auf die Prioritäten der EU für den Wiederaufbau und das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 konzentrierten, wurde der Wunsch nach einer Fortsetzung der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen deutlich.

Von der Leyen würdigte die Arbeit des EWSA: „Der Ausschuss hat uns immer sehr unterstützt und ist seiner Aufgabe treu geblieben, der Stimme der Menschen Gehör zu verschaffen: der Stimme der Unternehmen, der Arbeitnehmer*innen und anderer Organisationen der Zivilgesellschaft. Wir sind und bleiben enge Partner, sowohl bei der jährlichen Politikplanung als auch bei der Ausarbeitung unserer langfristigen Vision.“

Auch Šefčovič dankte dem Ausschuss für die enge Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission, die „die Beziehungen zwischen den beiden Institutionen lebendig“ halte, und wies darauf hin, dass „die EWSA-Mitglieder die besten Botschafter*innen der Europäischen Union“ seien.

Priorität Nummer 1: Überwindung der COVID-19-Pandemie

Von der Leyen erklärte, dass die Bekämpfung der Pandemie nach wie vor die oberste Priorität der EU sei. Sie betonte, dass die Impfquote in Europa erhöht werden müsse, und forderte die EWSA-Mitglieder auf, diese wichtige Botschaft gemeinsam nach Hause zu tragen. Sie hob hervor, dass es dank der Strategie auf EU-Ebene keinen Mangel an Impfstoffen in Europa gebe und dass die EU der weltweit größte Geber sei.

Als weitere wichtige Themen für die Zukunft Europas bezeichnete von der Leyen den grünen Wandel, leistbare Energie und die damit verbundenen Lieferketten, den digitalen Wandel und die Zukunft der Arbeit sowie den sozialen Dialog. In diesem Zusammenhang wies sie darauf hin, dass die Pandemie die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt beschleunigt habe und dass der soziale Dialog im Mittelpunkt stehen müsse, wenn Europa den Wiederaufbau richtig gestalten wolle. Im europäischen Modell der sozialen Marktwirtschaft arbeiteten wir alle zusammen, teilten die Vorteile und seien gemeinsam gegen die großen Risiken des Lebens geschützt.

Debatte mit Akteuren der Zivilgesellschaft

In der Debatte betonte Stefano Mallia, Vorsitzender der Gruppe der Arbeitgeber im EWSA, die Notwendigkeit eines günstigen Rechtsrahmens, damit Unternehmen florieren und Wohlstand schaffen können; er forderte Schritte, die über die gelegentliche Folgenabschätzung hinausgehen und zu einer Überprüfung der Wettbewerbsfähigkeit führen, um den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu verringern.

Oliver Röpke, Vorsitzender der Gruppe der Arbeitnehmer*innen im EWSA, betonte die Bedeutung der Solidarität und der Sozialpartner im Wiederaufbauprozess sowie die Unterstützung für den vorübergehenden Verzicht auf Patentrechte für COVID-19-Impfstoffe, um die Impfquote in anderen Teilen der Welt zu erhöhen und die Ausbreitung neuer Varianten zu verhindern.

Abschließend wies Séamus Boland, Vorsitzender der EWSA-Gruppe Vielfalt Europa, darauf hin, dass es von entscheidender Bedeutung sei, die Zuständigkeiten der EU im Bereich der Gesundheitsnotstände und der grenzüberschreitenden Gesundheitsbedrohungen zu erweitern, und dass den Akteuren der Zivilgesellschaft eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Europäischen Gesundheitsunion eingeräumt werden müsse.

Quellen:
Europäische Kommission, Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA);