
Infomailing International 10.11.2021
Gesundheits- und Krankenpflegekräfte sind ausgebrannt
Globaler Aktionstag: Pflegepersonal fordert Entlastung und menschenwürdige Arbeitsbedingungen
Die COVID-19-Pandemie hat die Probleme des gesamten Gesundheitssystems deutlich sichtbar gemacht. Der globale Aktionstag des internationalen Gewerkschaftsbundes und der internationalen Branchengewerkschaften machten am 29. Oktober 2021 auf diese Schwachstellen aufmerksam. Wir fordern bessere Arbeitsbedingungen, mehr Investitionen und menschwürdige Arbeit für das Personal.
„Die Probleme im Gesundheitsbereich sind lange bekannt. Uns fehlt Personal, uns fehlt Planbarkeit und uns fehlt Geld! Die Pandemie hat diese Situation noch mehr verstärkt und die Beschäftigten an ihre Belastungsgrenzen gebracht. Rund die Hälfte von ihnen denkt bereits ans Aufhören. Sie sind ausgebrannt und brauchen dringend Entlastung“, erklärt Edgar Martin, Vorsitzender der Hauptgruppe II – Wiener Gesundheitsverbund in der younion _ Die Daseinsgewerkschaft.
„Das öffentliche Gesundheitssystem braucht massive Investitionen und eine Abkehr von Profitgier. Niedrige Löhne in Verbindung mit einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen haben dazu geführt, dass in den EU-27 zwischen 2019 und 2021 rund 421.000 Beschäftigte den Sektor verlassen haben. Das zeigt ein aktueller Bericht des Europäischen Gewerkschaftsverbandes für den Öffentlichen Dienst (EGÖD) der anlässlich des globalen Aktionstages veröffentlicht wurde. Ein gut ausgebautes öffentliches System, entsprechende Personalausstattung und gute Ausbildungsstandards sind jedoch die Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Versorgung“, sagt Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft.
„Wo bleibt die Entlastung? Wo der Corona-Bonus für die Held*innen? Wo bleibt die Pflegemilliarde? Es scheint, als hätte die Bundesregierung ihren Applaus genauso verdrängt wie die versprochenen Investitionen in das Gesundheitswesen“, kritisiert Edgar Martin.
„In Österreich stehen wir vor einem Personalbedarf von rund 75.000 zusätzlichen Fachkräfte in den Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen bis zum Jahr 2030. Das nationale Budget sieht jedoch keine großen Investitionen oder Reformen in diesem Bereich vor, die kalkulierten 150 Mio. für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bis 2025 werden weder den Bedarf decken noch wirkliche Veränderungen herbeiführen. Es braucht kräftige Investitionen, um das Gesundheitssystem langfristig zu verbessern“, stellt Thomas Kattnig klar.
Pflege: Kündigungswelle droht
Laut einer aktuellen Umfrage will jede zweite Pflegekraft ihren Beruf wechseln. Schon seit langem hat die Gewerkschaft vor dieser Entwicklung, die durch Corona noch verschärft wurde, gewarnt. Edgard Martin, Vorsitzender der Hauptgruppe II – Wiener Gesundheitsverband in einem Interview mit dem ORF: „Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Mindestbesetzung die neue Normbesetzung ist. Der Job ist härter geworden.“ Die younion fordert dringend mehr Personal, bessere Bezahlung und Nachwuchsarbeit.
Das gesamte Interview steht hier.
Quellen:
Europäischer Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst (EGÖD), wien.orf.at, younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
Patente auf COVID-Impfstoffe müssen temporär fallen!
Offener Brief: Gesundheitsminister Mückstein und die Regierung dürfen nicht länger tatenlos bleiben
Eine vorübergehende Ausnahmeregelung der geistigen Eigentumsrechte für COVID-19-Impfstoffe, Arzneimittel und medizinische Geräte ist die einzige Lösung zur Bekämpfung der globalen Pandemie. Die entsprechenden Bestimmungen des TRIPS-Abkommens der WTO müssen daher zeitweise außer Kraft gestellt werden.
Diesen so genannten TRIPS-Waiver fordern knapp 30 namenhafte Gesundheitsexpert*innen, ehemalige Minister*innen und Bischöfe in einem offenen Brief an Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und die Bundesregierung. Patente sollten öffentlich bleiben, damit die Länder die Impfstoffe frei entwickeln können (auch durch Covax). Nur so ist zu verhindern, dass eine Handvoll großer Pharmakonzerne ein Monopol schafft und dadurch der globale Süden unter Druck gerät.
„Wir erleben seit mehr als einem Jahr eine noch nie dagewesene Pandemie. COVID-19 hat mittlerweile mehr als fünf Millionen Menschenleben gefordert. Bereits vor einem Jahr haben wir uns mit Gewerkschaften weltweit dafür eingesetzt, den TRIPS-Waiver durchzusetzen, um jedem einzelnen Menschen den Zugang zu COVID-19-Impfstoffen, Medikamenten und bestmöglicher Versorgung zu ermöglichen. Mittlerweile unterstützen mehr als 100 Regierungen den Waiver. Doch einige wenige Länder blockieren, darunter auch die gesamte EU“, erklärt Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft.
Neben der großen internationalen Gewerkschaftssolidarität haben auch ÖGB und BAK bereits im März die zuständigen nationalen Minister*innen dazu aufgefordert, zu handeln und sich auf europäischer Ebene für einen TRIPS-Waiver einzusetzen. Leider ist seither nicht viel passiert, außer ein Hin- und Hergeschiebe zwischen den Ministerien.
„In der Politik heißt es auch, Verantwortung zu übernehmen! Sowohl der Gesundheitsminister als auch die gesamte Bundesregierung stehen hier in der Pflicht des Gemeinwohls sowie der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit. Wir hoffen, dass sich mit Bundeskanzler Schallenberg eine Trendwende abzeichnet und die politische Verantwortung für die öffentliche Gesundheit wahrgenommen wird“, stellt Kattnig klar.
Impfstoffe wurden dank öffentlicher Investitionen in Milliardenhöhe entwickelt, daher müssen sie auch in öffentlicher Hand bleiben und die Verteilung sollte unter der Kontrolle demokratischer Institutionen stehen. Als oberste Priorität muss der Mensch stehen, nicht der Profit.
„Wir dürfen nicht länger zuschauen, wie sich die Pandemie hartnäckig in der Bevölkerung hält. Während Industriestaaten Impfstoff horten, gibt es im globalen Süden kaum Verfügbarkeit. Die ehemaligen Gesundheitsminister*innen Maria Rauch-Kallat, Alois Stöger und Rudolf Anschober unterstützen den TRIPS-Waiver. Sie haben erkannt, dass eine globale Pandemie auch nur global bekämpft und beendet werden kann! Jetzt ist die österreichische Bundesregierung am Zug – unterstützen Sie jetzt den TRIPS-Waiver!“, fordert Kattnig.
Quellen:
attac.at, younion _ Die Daseinsgewerkschaft;
COP26 in Glasgow: Gewerkschaften fordern Regierungen zum Handeln auf
Klima- und beschäftigungssicher arbeiten durch Just Transition
Die Arbeitnehmer*innen und ihre Gewerkschaften werden gebraucht, um sicherzustellen, dass Wirtschaft und Gesellschaft durch transformative Maßnahmen dazu gebracht werden, das Klima zu stabilisieren und die globale Erwärmung unter 1,5 °C zu halten.
Am „Trade Union Only“-Tag auf der COP26 diskutierten vergangenen Sonntag diverse Gewerkschaftsdelegationen gemeinsam Strategien, um als globale Gewerkschaftsbewegung den Einfluss auf die klimapolitische Debatte zu erhöhen. Gleichzeitig fordern sie Regierungen zum Handeln auf, um eine Just Transition, die Umwelt, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik miteinander in Verbindung setzt, sicherzustellen. Der Übergangsprozess zur grünen Wirtschaft und „Green Jobs“ soll so sozial verträglich gestaltet und ökologische und soziale Herausforderungen zusammen gedacht werden“, erklärt Thomas Kattnig, Vize-Präsident der Internationale der Öffentlichen Dienste (IÖD) und Mitglied des Bundespräsidiums der younion _ Die Daseinsgewerkschaft.
Weltweit gesehen ist das Klimachaos für kleine Inselstaaten, Küstengebiete sowie viele andere Regionen bereits Realität. Die Warnzeichen werden immer deutlicher: Von Megaüberschwemmungen bis hin zu Wirbelstürmen und verstärkter Klimamigration ist klar, dass ohne Maßnahmen das Schicksal unseres gesamten Ökosystems und damit die menschliche Lebensgrundlage in Gefahr sind.
Die Gewerkschaften fordern daher bei der COP26 die Regierungen auf
- die Arbeitnehmer*innen beim Übergang zu neuen Arbeitsplätzen zu unterstützen.
- den sozialen Dialog und die Einbeziehung von Gewerkschaften zu unterstützen und zu fördern.
- wirtschaftliche Strategien zu entwickeln, die eine breitere wirtschaftliche und industrielle Unterstützung über saubere Energie hinaus beinhalten.
- lokale, integrative und menschenwürdige Arbeit zu fördern.
- Menschenrechte in globalen Lieferketten und die Bedeutung des Aufbaus von Klimaresilienz zu unterstützen.
- über die Bemühungen um einen gerechten Übergang in den Zweijahres-Transparenzberichten und den „National festgelegten Beiträgen“ (NDCs) Bericht zu erstatten.
Bereits vierzehn Regierungen und die Europäische Kommission verpflichteten sich, diese sechs Schritte zu unterstützen, um die Bedingungen für einen gerechten Übergang zu verbessern.
„Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind die ersten, die auf Klimakatastrophen reagieren. Sie wissen aus erster Hand, wie dringend notwendig politische Maßnahmen zur Eindämmung der globalen Erwärmung sind. Daher ist es entscheidend, dass die Regierungen jetzt handeln und nicht noch mehr Zeit vergehen lassen, um konsequente Lösungen für die Klimakrise umzusetzen. Die Gewerkschaften sind bereit, diesen Prozess mitzugestalten. Das erfordert einen Ausbau der Daseinsvorsorge (z.B. öffentlicher Verkehr, Energieversorgung, soziale Infrastruktur wie Wohnbau, Bildung, Kinderbetreuung und Elementarbildung, Gesundheits- und Pflegesystem) mittels öffentlicher Investitionen. Zwangsläufig bedeutet das massive Investitionen der öffentlichen Hand, die durch ein gerechtes Steuersystem finanziert wird, das legale und illegale Steuerschonung verhindert sowie Konzerne und Vermögende fair einbezieht. Ein gerechter Übergang für die Arbeitnehmer*innen ist der wichtigste Part, um die Klimakrise gemeinsam als Gesellschaft bewältigen zu können. Denn es steht fest: Ohne die Arbeitnehmer*innen werden wir diese Mammutaufgabe nicht stemmen“, schließt Kattnig.
Zusatzinformation: Die Internationale der Öffentlichen Dienste (IÖD), englisch Public Services International (PSI), ist eine der Globalen Gewerkschaftsföderationen mit 669 Gewerkschaften des öffentlichen Sektors mit rund 20 Millionen Mitgliedern in 154 Staaten.
Quellen:
Internationale der Öffentlichen Dienste (IÖD), ukcop26.org, younion _ Die Daseinsgewerkschaft
Gerechter Weg zur Klimaneutralität
Das „Fit for 55“-Paket der Europäischen Kommission schlägt die konkreten Maßnahmen vor, anhand welcher EU-Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 gesenkt werden und in weiterer Folge die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Die AK hat das Paket einer intensiven Prüfung unterzogen und dazu vier Positionspapiere erstellt. Grundsätzlich befürwortet die AK die ehrgeizige europäische Klimapolitik, spricht sich jedoch in aller Klarheit gegen die Einführung eines Emissionshandels für CO2-Emissionen für Raumwärme aus.
Das Positionspapier „Bepreisung von Treibhausgasemissionen“ befasst sich mit den EU-Rechtsakten, die primär auf die Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen ausgerichtet sind. Die AK unterstützt dabei das Ziel der EU-weiten Dekarbonisierung bis 2050 und sieht das Ziel der Kommission, den Prozess hin zur Klimaneutralität gerecht und im Sinne der Arbeitnehmer*innen zu gestalten („Just Transition“), als besonders positiv. Dabei geht es um eine gerechte Verteilung zwischen Mitgliedstaaten mit höherer und niedrigerer Wirtschaftsleistung, zwischen Industrie und Haushalten und schließlich um eine gerechte Verteilung zwischen reicheren und ärmeren Haushalten. Die Betrachtung von sozialen Wirkungen und Verteilungsfragen muss dauerhaft einbezogen werden und zu einem zentralen Element der Klima- und Energiepolitik werden, so die Position der AK. Das betrifft speziell Maßnahmen für Beschäftigte in CO2-intensiven Sektoren, die von der Transformation negativ betroffen sein werden. So gilt es, für alle vom Strukturwandel Betroffenen eine berufliche und finanzielle Zukunftsperspektive zu schaffen.
Eine klare Ablehnung kommt jedoch zum Vorschlag der Kommission, dass Heiz- und Treibstoffe für Haushalte in ein EU-weites Quotensystem in Form eines eigenen Emissionshandels (ETS-2) einbezogen werden sollen. Heizen und Warmwasser sind Grundbedürfnisse, deren Preis nicht einem reinen Marktmechanismus überlassen werden darf, welcher zu unkontrollierbaren Preisausschlägen führen kann. Ähnliches gilt auch für die Individualmobilität bei unzureichendem Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln.
Die AK unterstützt die Einführung des CO2-Grenzausgleichs (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) für Stahl, Zement, Aluminium, Kunstdünger sowie Elektrizität. Dieser soll einen effizienten und wirksamen Schutz gegen Abwanderung der Unternehmen wegen hoher CO2-Preise darstellen. CBAM soll das bestehende System der Gratiszuteilung ablösen, welches bisher kostenlos Verschmutzungs-Zertifikate an Industrieunternehmen verteilte, die aufgrund zu hoher CO2-Kosten in der EU ihre Produktion möglicherweise in Drittstaaten verlagert hätten. Gerade das Auslaufen dieser Gratiszuteilung wird von Seiten der Wirtschaft auf Brüsseler Ebene derzeit aber stark bekämpft.
Der neue stärkere Fokus der Kommission auf einen sozialen Ausgleich zeigt sich besonders deutlich beim Vorschlag der Einrichtung eines Klima-Sozialfonds. Dessen Mittel sollen für Programme in Mitgliedstaaten verwendet werden, die gezielt die negativen Auswirkungen der ehrgeizigen Klimapolitik auf Haushalte mit geringen Einkommen und Kleinstunternehmen abfedern. Wesentlich ist die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden und die Bekämpfung der Energiearmut vulnerabler Personen. Wenngleich die AK die Einrichtung eines Klima-Sozialfonds begrüßt, lehnt sie den vorgeschlagenen Finanzierungsmechanismus ab, da der Fonds aus den Einnahmen des ETS-2 gespeist werden soll. Österreich stehen 0,9 % des 72,2 Mrd. schweren Klima-Sozialfonds zu, das entspricht einer Mittelzuweisung von rund 650 Mio. Euro in der Periode 2025 bis 2032. Wie auch beim Fonds für einen gerechten Übergang wird für Polen die mit Abstand höchste Mittelzuweisung vorgeschlagen, nämlich 18 % des gesamten Klima-Sozialfonds.
Weiterführende Informationen:
EU-Kommission: Wirtschaft und Gesellschaft in der EU sollen Klimaziele erreichen
Weitere AK EUROPA Positionspapiere zum „Fit for 55“-Paket
AK EUROPA: Factsheet Just Transition
Quellen:
AK EUROPA (Österreichische Bundesarbeitskammer Büro Brüssel), euractiv.com, Europäische Kommission, Europäisches Parlament;
Rückfragen:
younion _ Die Daseinsgewerkschaft
Internationales, EU und Daseinsvorsorge
Thomas Kattnig
Mitglied Bundespräsidium
https://www.facebook.com/younion.at/
https://twitter.com/younion_at
Ausgabe: 10. November 2021